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Jürgen Lingg (Intact): Man darf nicht gleich abheben

Von Günther Wiesinger
«Man muss sich zuerst bewusst werden, wozu jeder Fahrer fähig ist», sagt Liqui Moly Intact-Teamchef Jürgen Lingg, der die Erwartungen nicht mehr so hoch stecken will wie früher. Rookie Tony Arbolino traut er viel zu.

Das Liqui Moly Intact GP-Team blieb 2020 mit den Piloten Marcel Schrötter und Tom Lüthi klar hinter den Erwartungen. Denn der Schweizer hatte 2019 den Titel nur um zwölf Punkte gegen Alex Márquez verspielt und galt als Titelfavorit. Nach 15 Rennen musste sich der zwölffache Moto2-GP-Sieger mit dem elften WM-Rang abfinden, zwei fünfte Ränge blieben als beste Saisonergebnisse.

Marcel Schrötter wollte sich für einen MotoGP-Vertrag empfehlen, schaffte aber nur einen Podestplatz (Rang 3 in Spielberg) und beendete die WM mit 124 Punkten Rückstand auf Weltmeister Enea Bastianini an neunter Stelle.

Liqui Moly-Intact-GP-Teamprinzipal Jürgen Lingg ist inzwischen der Ansicht, das Team sei nach dem schwachen Saisonstart in Doha/Katar am 8. März nicht ruhig und cool genug geblieben. Die Fahrer hätten sich außerdem zu stark unter Druck gesetzt. «Man muss sich zuerst bewusst werden, wozu jeder Fahrer fähig ist», sagt Lingg. «Dann darf man sich die Erwartungen nicht zu hoch stecken. Wenn es mal nicht so gut läuft, muss man einfach ruhig bleiben und analytisch weiter arbeiten. Aber alle zusammen. Das ist das A und O. Wenn es nicht so gut läuft, muss man die Ruhe bewahren.»

Der Niederländer Wilco Zeelenberg, selbst 1990 Viertelliter-GP-Sieger auf dem Nürburgring mit einer Honda NSR 250, ist ein gebranntes Kind. Er hat jahrelang im Yamaha-Werksteam Fahrer wie Lorenzo und Viñales betreut und kümmert sich jetzt seit zwei Jahren als Petronas-Yamaha-Teammanager um Quartararo und Morbidelli, die 2020 je drei MotoGP-Siege feierten. Als Fabio Quartararo, der Sensationsmann von 2019, am 19. Juli in Jerez erstmals in der MotoGP-Klasse triumphierte, blieb Zeelenberg extrem gelassen.

Er jubelte nicht, verfiel nicht in Euphorie und sagte, damit sei nur der erste Schritt getan, er ging zur Tagesordnung über. Tatsächlich: Quartararo setzte sich zu stark unter Druck, er fiel später in ein Loch – er kassierte bei den letzten sechs Rennen nur 19 Punkte und fiel vom ersten auf den achten WM-Rang zurück. Solche Rückfälle hat Wilco jahrelang auch bei Viñales erlebt.

Lingg hat die Lehren aus der Saison 2020 gezogen. «Was Wilco sagt, ist genau richtig. Man muss sich mehr in der Mitte bewegen. Egal ob es gut oder schlecht läuft, man muss etwas neutraler werden. Man darf nicht gleich abheben, wenn man ein Rennen gewinnt und nicht zu Tode betrübt sein, wenn es mal weniger gut gelaufen ist.»

Lüthi wird bei Intact durch Tony Arbolino ersetzt, der auf der Honda NSF 250RR des Snipers-Teams 2020 Moto3-Vizeweltmeister wurde und nach drei zweiten Plätzen in Valencia-2 seinen dritten WM-Lauf nach Mugello und Assen 2019 gewann.

«Ich habe Tony schon 2019 immer beobachtet und 2020 ab Spielberg genauer hingeschaut», schildert Lingg im Gespräch mit SPEEDWEEK.com. «Es ist dann auch sein Manager Carlo Pernat auf uns zugekommen. Das hat genau gepasst, denn ich wollte gerade mit ihm in Kontakt treten.»

Arbolino hat bereits 68 Moto3-WM-Rennen bestritten und ist 20 Jahre alt. Er ist zwar kein Senkrechtstarter, aber sein Speed und sein Können sind unbestritten.

«Er ist in der Moto3-WM konstant gewesen. Er hat in den 15 hart umkämpften Rennen nur einen Nuller erreicht. Was mich am meisten beeindruckt hat: Er ist sehr gut auf der Bremse, das ist sehr wichtig in der Moto2. Und er sitzt gut auf dem Motorrad. Wir haben schon beim Jerez-Moto2-Test im November gesehen, dass er seine Vorzüge auch in der Moto2 zum Vorschein bringt. Tony bremst echt gut und sitzt gut auf dem Motorrad. Ich denke, dass er sich in dieser Klasse durchsetzen wird. Aber das wird eine Zeit dauern, und die müssen wir ihm geben.»

Tony Arbolino hat schon 2020 mit dem Training mit 600er-Bikes begonnen. Er soll für das Liqui-Moly-Team um den Rookie of the Year Award kämpfen. Lingg: «Das wird schon mal ein sportliches Ziel, denn da kommen mit Arenas, Ogura, Raúl Fernandez und Vietti noch andere starke Rookies in die Moto2-Klasse. Aber natürlich ist das ein Ziel, das man anpeilen muss. Ganz klar. Aber am Anfang erwarten wir gar nichts. Wir lassen ihn in der ersten Saisonhälfte einfach mal fahren. Ich hoffe, dass er dann in der zweiten Jahreshälfte auf sich aufmerksam machen kann.»

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