20. Todestag von Nello Pagani: Erster 125er-Champion
Nello Pagani und Enrico Lorenzetti 1954 in Hockenheim
Als 1949 aus der Motorrad-Europameisterschaft die Weltmeisterschaft wurde, schrieb der Weltverband FIM (Fédération Internationale de Motocyclisme) für das Premierenjahr fünf Klassen aus – vier Solo- und die Seitenwagen-Klasse.
In der 125-ccm-Klasse wurde der Italiener Nello Pagani auf einer italienischen Mondial Weltmeister und in der Viertelliterklasse dessen Landsmann Bruno Ruffo auf einer ebenfalls italienischen Moto Guzzi. In den beiden großen Soloklassen triumphierten die beiden Briten Freddie Frith (350 ccm) und Les Graham (500 ccm) auf britischen Motorrädern der Marken Velocette bzw. AJS. Erste Seitenwagen-Weltmeister wurden die Briten Eric Oliver und Beifahrer Denis Jenkinson, die eine Norton auf dem Vereinten Königreich pilotierten.
Cirillo «Nello» Pagani wurde am 11. Oktober 1911 in Mailand geboren und begann 1928 mit dem Rennfahren. Dabei war er beim Speedway und bei Geländefahrten gleichermaßen aktiv und erfolgreich. Seine größten Erfolge feierte er jedoch beim Straßenrennsport. Vor seinem Weltmeistertitel 1949 gewann er 1934, 1937 und 1938 die Italienische Meisterschaft in der Klasse bis 250 ccm.
Vor dem Zweiten Weltkrieg war Bern international schon ein gutes Pflaster für Nello Pagani, denn hier wurde er 1937 mit einer Moto Guzzi Vize-Europameister der Viertelliterklasse. Es war das letzte Jahr, dass der EM-Titel, das damals höchste internationale Prädikat, bei nur einem Rennen vergeben wurde. Ab 1938 wurde dazu erstmals eine Serie mit mehreren wichtigen europäischen Grand Prix ausgetragen.
Nach dem Krieg sicherte sich Nello Pagani 1946 und 1951 in der Halbliter-Kategorie jeweils auf Gilera zwei weitere nationale Titel. Zudem bestritt er parallel Autorennen. So zum Beispiel am 4. Juni 1950 in Bern seinen einzigen Formel-1-WM-Lauf, bei dem er als Siebter in einem Maserati der Scuderia Achile Varzi die Punkteränge (bis Platz 5) knapp verpasste.
Erster 125er-GP-Sieger
Der erste WM-Lauf der Geschichte wurde im Rahmen der Tourist Trophy (TT) im Juni 1949 auf der britischen Isle of Man ausgetragen, wo es der dort Junior TT genannten Klasse bis 350 ccm am 13. Juni vorbehalten war, mit Freddie Frith auf einer Velocette den ersten Sieger eines WM-Rennens zu ermitteln. Ebenfalls um die allerersten WM-Punkte kämpften auf der Isle of Man die Fahrer der Klassen bis 250 ccm (Lightweight TT) und 500 ccm (Senior TT). Dabei sicherten sich der Ire Manliff Barrington mit einer Moto Guzzi und der Brite Harold Daniell mit einer AJS ihre Einträge als erste WM-Rennsieger in den Geschichtsbüchern.
Der zweite WM-Lauf der Geschichte war der Grand Prix der Schweiz auf dem Bremgarten-Kurs bei Bern, wo auch die 125-ccm-Klasse und die Seitenwagen zum Programm gehörten und ihr WM-Debüt gaben.
Während bei den Seitenwagen Eric Oliver und Denis Jenkinson den ersten WM-Lauf gewannen, war dies in der Achtelliterklasse Nello Pagani. Knapp vier Minuten betrug sein Vorsprung damals auf den zweitplatzierten Renato Magi. Mit Clemente Cavaciutti, Carlo Ubbiali und Umberto Masetti gingen auch die weiteren Plätze an Italiener.
Beim zweiten Saisonrennen im niederländischen Assen gewann Nello Pagani erneut, diesmal rund 50 Sekunden bzw. eine Minute vor seinen Landsleuten Oscar Clemencigh und Carlo Ubbiali. Bei der damaligen Punkteverteilung 10, 8, 7, 6, 5 plus einen weiteren WM-Zähler für die schnellste Rennrunde hatte Nello Pagani 22 Punkte auf dem Konto und war damit fast durch. Beim dritten und somit schon letzten 125er-WM-Lauf 1949 im italienischen Monza hätte ihn lediglich Carlo Ubbiali noch abfangen können, musste dazu aber gewinnen und, wie Nello Pagani mit der schnellen Doppelnocken-Mondial zwei Mal zuvor, die schnellste Rennrunde drehen. Gleichzeitig hätte Nello Pagani komplett leer ausgehen müssen.
Dies lag natürlich durchaus im Bereich des Möglichen, doch da weitere schnelle Motorräder aus dem Hause Fratelli Boselli (FB) Mondial am Start waren, die es sogar mit so mancher 250er hätten aufnehmen können, war Carlo Ubbialis Erfolgsaussicht ziemlich gering. Während der später neunfache Weltmeister leer ausging, machte Nello Pagani den Sack als Fünftplatzierter zu. Da vor ihm wieder ausschließlich Italiener lagen, war das erste 125er-WM-Jahr eine rein-italienische Angelegenheit.
500-ccm-Vizeweltmeister hinter Les Graham
Nello Pagani frönte 1949 nicht nur der hubraumschwächsten, sondern auch der leistungsstärksten WM-Klasse und wäre beinahe sogar gleichzeitig der erste Doppelweltmeister geworden. Bei den 500ern fuhr er für Gilera und gewann den Grand Prix der Niederlande in Assen und das WM-Finale in Monza. Dazu stand er beim Ulster Grand Prix in Belfast als Dritter auf dem Podest.
Les Graham hatte ebenfalls zwei Siege (Bern und Ulster) und dazu einen zweiten Platz (Assen) geholt sowie drei schnellste Rennrunden herausgefahren und somit 31 Punkte brutto auf seinem Konto. Allerdings wurden damals nur die drei besten Ergebnisse gezählt und seine schnellste Rennrunde von der Isle of Man, wo er keine Zielflagge sah, gestrichen. Somit kamen bei ihm 30 Punkte in Wertung. Nello Pagani hatte insgesamt 40 Zähler gesammelt, aus denen für seine zwei Siege, einen dritten Platz und zwei schnellste Rennrunden netto 29 wurden. Somit blieb ihm bei den 500ern ganz knapp nur der Vize-WM-Titel.
Nachdem Pagani 1950 und 1951 noch einmal WM-Vierter bzw. -Fünfter in der Königsklasse bis 500 ccm wurde, konnte er danach nicht mehr an seine ganz großen Erfolge anknüpfen. Ende 1955 beendete er seine Karriere, um für MV Agusta als Sportdirektor zu arbeiten. 1967 gab er mit einer 750er-Norton beim «Motogiri d´Italia» ein Blitz-Comeback.
22 Motorrad-Grand-Prix bestritt Nello Pagani in seiner Laufbahn, von denen er vier gewinnen konnte (alle 1949). Insgesamt stand er elf Mal auf einem WM-Podest.
Sein Sohn Alberto Pagani wurde ebenfalls Motorradrennfahrer und unter anderem 1972 hinter dem großen Giacomo Agostini Vize-Weltmeister in der 500-ccm-Klasse.
Am 19. Oktober 2003 verstarb Nello Pagani im stolzen Alter von 92 Jahren in Bresso am nördlichen Stadtrand von Mailand.