Europa oder Asien – wer baut das neue GP-Fundament?
Als Fundament der MotoGP erfüllt die Moto3-Weltmeisterschaft in erster Linie die Aufgabe einer möglichst guten Fahrerausbildung. Die Piloten sollen alle wichtigen Eigenschaften eines hochentwickelten Prototyp-Renners kennenlernen – und diese am Limit erleben. Ziel eines jeden Piloten ist der Aufstieg in die Moto2-WM.
Moto3-Spezialisten, die nichts anderes als die kleinste WM-Kategorie im Sinn haben und damit auch Karriereplanung betreiben, sind ausgestorben. Der Hintergrund ist klar: Der Stellenwert der Klasse hat in gleichem Maße abgenommen wie die MotoGP an der Spitze an Bekanntheit und Prestige zugelegt hat.
Der Wettbewerb der Hersteller ist zurückgegangen. Nur Honda und KTM wollten und konnten es sich leisten, eigens entwickelte Viertaktrenner in die 2012 aufgesetzte Meisterschaft zu bringen. Die Prioritäten hatten sich verschoben – für andere Hersteller passten die kleinen, aber doch kostenintensiven Renngeräte nicht in die Gesamtstrategie.
Entsprechend gingen die Gehälter der Piloten in den Keller. Kein Moto3-Pilot, auch kein GP-Sieger, kann seine Laufbahn wirtschaftlich von einem Verbleib im GP-Unterbau bestreiten. Dazu kommt: Bis zum Eintritt in die Moto3-WM haben die jungen Racer bereits viel investiert. Für eine Saison in der Junioren-WM der Moto3 gilt ein Jahresbudget von 100.000 Euro als konservativ.
Deutlich günstiger, aber auch gnadenloser in Sachen Ausbildung geht es im Red Bull Rookies Cup zur Sache. Vor allem der Einstieg ist eine hohe Hürde. Ist der geschafft, können in dem Dreijahres-Programm die neuen Champions entstehen – auch hier geht es bereits um die berühmte Leiter in Richtung MotoGP. Das Ziel muss die Königsklasse sein, denn nur hier treten fünf namhafte Hersteller auf einem großen Sponsorenmarkt mit finanzieller Schlagkraft in Aktion.
In Zukunft dürfte die Leiter noch steiler aufgestellt werden, der Vermarktungswert der Königsklasse soll im Sinne der zukünftigen Eigner Liberty Media weiter gesteigert werden. Auch mittelfristig soll dabei am Konstrukt «Rookies – Moto3 – Moto2 – MotoGP» festgehalten werden. Beschlossene Sache ist allerdings, dass mit der Saison 2028 Einheitsmotorräder als Ausbildungsbike verwendet werden sollen. Der Konstrukteurs-Titel dürfte damit 2027 zum letzten Mal vergeben werden.
Die Entscheidung fiel nicht aus Willkür, sondern aus Kostendruck. Die jährlichen Updates der Moto3-Prototypen aus Österreich und Japan wurden an die Teams weitergegeben. Eine Entwicklung, die die bereits beschriebene Spirale noch tiefer bohren und den Budgettopf für die Fahrer noch kleiner werden lassen wird. Die Einheitsklasse soll Entlastung bringen.
Sicher ist, dass Honda und KTM auch weiterhin Interesse an der Nachwuchsförderung haben und sich als exklusiver Ausrüster der Moto3 angeboten haben. KTM, nicht nur 2025 stärkste Kraft, sieht sich dabei weit vorne, wie Racing-Direktor Pit Beirer im Gespräch mit SPEEDWEEK.com bereits mehrfach betonte. «Über den Rookies-Cup hat KTM einen großen Teil in Europa abgedeckt und Honda hat eher den asiatischen Bereich bespielt.« Aus dieser Historie sehe ich deswegen diese beiden Hersteller auch auf Pole-Position, wenn es um die Ausschreibung der neuen Moto3 geht. »Wer dann das Rennen macht, das liegt nicht in unserer Hand», so Beirer.
Ob es wirklich dazu kommt, ist Stand heute völlig offen. Denn in Mattighofen war ein grundsätzliches Bekenntnis zum Rennsport. Ob sich der Konzern zeitnah von wirtschaftlichen Kollaps 2024 erholen kann, um sich auch langfristig in großem Umfang den Rennsport leisten zu können, muss zumindest hinterfragt werden.
Neben KTM als Moto3-Exklusivausrüster ab 2028 sind weitere Marken im Rennen. Neben Honda, an der Kompetenz des weltgrößten Motorradherstellers gibt es wenig zu rütteln, hat auch Yamaha konkretes Interesse bekundet. Seit 2025 hat sich die Marke bereits stärker in der mittleren Klasse eingebracht. In der Pramac-Yamaha-Struktur sollen zukünftige MotoGP-Piloten ausgebildet werden. Dem Beispiel von KTM folgend, ein Engagement in allen drei GP-Klassen zu etablieren, um Supertalente – Stichwort Pedro Acosta – langfristig an die Marke zu binden, das erhofft sich auch der rührige Sportchef bei Yamaha, Paolo Pavesio.
In der noch frühen Phase der Entstehung einer neuen Moto3-Ära steht auch die Gewinnung eines heute noch mit einem vertretenen Renners im Raum: CFMOTO. Die Chinesen glauben an die MotoGP und haben sich über KTM und die Struktur von Aspar bereits Sichtbarkeit verschafft. Umfängliches Know-how, einen Prototypen aus eigener Kraft entstehen zu lassen, ist zwar noch nicht vorhanden – aber denkbar ist hier auch eine Kooperation. Über fremdvergebene Entwicklungsaufträge für einen Antrieb, z. B. bei KTM und Chassis-Spezialisten wie Kalex oder Boscoscuro, ließe sich mit einem Vorlauf von gut zwei Jahren auch eine Moto3-Maschine unter CFMOTO-Flagge realisieren.
Technisch sind sich alle Hersteller im Wesentlichen einig: Die Motorräder der neuen Generation sollen in den Dimensionen wachsen und sich stärker an einer aktuellen Moto2-Maschine orientieren. Zwei Zylinder gelten als sicher, ein Hubraum zwischen 400 und 500 ccm als hochwahrscheinlich. Besonders wichtig: Die Kosten pro Einheit müssen sinken.
Kontrovers bleibt hier die Sicht zum Antrieb. Sollen die im Raum stehenden 100 PS als Leistungsziel erreicht werden, dann führt kein Weg an der Konstruktion eines reinrassigen Rennmotors mit entsprechende Kosten vorbei. Entscheidet man sich für einen Antrieb, der auf einer Großserienlösung basiert, dann müssen Abstriche bei der Leistung und damit Rundenzeit in Kauf genommen werden.
Zwischen Herstellern, FIM und Ausrichter (Dorna/Liberty) herrscht insofern ein Schulterschluss, dass auch ab 2028 Motorräder mit Prototypen-Eigenschaften zum Einsatz kommen sollen. Denn nur dann kann auch das sehr hohe Niveau der Fahrerausbildung gehalten werden. Welcher Hersteller das Rennen macht und sich ab 2028 als Förderer der MotoGP-Zukunft verdient machen kann, ist nicht nur eine Frage der technischen Lösung.
Für die Ausrichtung und Vermarktung des MotoGP-Gesamtkunstwerks müssen auch strategische Aspekte wie globale Präsenz und langfristige Entwicklung berücksichtigt werden. Dass die MotoGP das Ziel verfolgt, wirtschaftliche starke Partner zu involvieren, versteht sich von selbst. Die Chancen von CFMOTO dürften mit einem stimmigen Konzept nicht die schlechtesten sein.
Lange wird die Entscheidung nicht auf sich warten lassen. Aufgrund der langen Vorlaufzeiten dürfte das Thema Moto3 noch 2025 zur finalen Abstimmung kommen.