KTM-Rennchef Pit Beirer: «Machen nichts Anrüchiges»

Von Günther Wiesinger
KTM-Rennchef Pit Beirer

KTM-Rennchef Pit Beirer

«KTM zerstört den Motorsport», schimpfte HRC-Chef Nakamoto. KTM-Rennmanager Pit Beirer blieb ihm Antwort auf diesen Rundumschlag nicht schuldig.

KTM hat jetzt 16 Moto3-WM-Rennen hintereinander gewonnen. 2015 will der österreichische Konzern auch noch die neu dazu gekaufte Marke Husqvarna mit einem eigenen Werksteam in der Moto3-WM promoten.

Momentan halten sich auf den ersten fünf Plätzen der WM nur KTM-Fahrer. 1. Salom 246 Punkte. 2. Viñales 227. 3. Rins 225. 4. A. Márquez 133. 5. Folger 120. Der beste Honda-Fahrer liegt an siebter Position – Jack Miller mit 76 Punkten.

Für Honda ist diese Misere offenbar schwer zu verkraften. Denn beim Silverstone-GP holte HRC-Vizepräsident beim Exklusiv-Interview mit SPEEDWWEEK.com zum Rundumschlag gegen KTM aus. «KTM zerstört den Motorsport», schäumte er. «Sie bezahlen in der Moto3 höhere Gagen als wir zum Beispiel Stefan Bradl in der MotoGP-Klasse.»

Pit Beirer, Head of Motorsport bei KTM, will diese heftigen Vorwürfe nicht auf sich sitzen lassen. «Und wenn Stefan wirklich so unterbezahlt ist, kann er jederzeit bei uns Moto3 fahren», scherzte er.

Pit, KTM zerstört den Motorsport. Und jetzt kommt ihr auch noch mit Husqvarna, dann zerstört ihr ihn gleich doppelt. Muss das sein?

Na, ja... Das Zitat verwundert uns natürlich. KTM zerstört den Motorsport! Aber wir haben mit dieser Aussage kein Problem, weil sie sehr an den Haaren herbei gezogen ist.
Ich könnte ja die Aussage umdrehen und sagen: Mit zwei Werksfahrern in der MotoGP-Klasse kann man den Motorsport auch nicht am Leben erhalten.
Wir brauchen uns nichts vorwerfen zu lassen. Es sieht ja jeder, in wie vielen Klassen und Serien und Meisterschaften wir Jugendarbeit betreiben.
Wir machen im Strassenrennsport, der für uns Neuland ist, schon seit 2007 den Red Bull Rookies Cup. Wir stellen 2014 erstmals die Motorräder für den ADAC Junior Cup. Wir machen eigentlich sehr viel an Nachwuchsarbeit.
Deshalb bin ich nicht ganz einig, dass wir den Motorsport zerstören.
Und jetzt kommen wir zum eigentlichen Punkt. Klar, dass wir in der Moto3-WM relativ stark auftreten.
Aber wir haben nur das Reglement aufmerksam gelesen und mit diesen Richtlinien ein Motorrad gebaut, mit dem wir die WM anführen.
Wir sehen darin nichts Anrüchiges.

Honda sträubt sich in der MotoGP gegen das Drehzahllimit. In der Moto3 hat man hingegen verlangt, dass das Limit für 2015 von 14.000 auf 13.500/min gesenkt wird.

In den Klassen, in denen Honda gewinnen will, erdrücken sie die Gegner mit ihren hohen Entwicklungskosten, die sie in die Höhe schrauben. Und in der Klasse, wo die Entwicklungsmöglichkeiten wirklich sehr beschränkt sind, weil es ein strenges Reglement gibt und eine Einheits-Elektronik, bewegt sich das alles auf der mechanischen Ebene, wo es noch bezahlbar bleibt.
Darum ist dieser Vorwurf wirklich an den Haaren herbei gezogen.
Mit dem Geld, das HRC in der MotoGP-WM für ein Getriebe verlangt, kann ein Moto3-Team zwei Jahre lang Motorradrennen fahren.
Ich weiss auch nicht genau, wie Nakamoto das meint mit dem Kostensparen in der Moto3. Sollen alle Teams und Fahrer so lange sparen, bis sie eines grossen Tages bei Honda für 700.000 Euro pro Jahr ein MotoGP-Getriebe leasen dürfen?
In der Moto3 kriegen die Teams für diesen Betrag Material für zwei Jahre. Sie sind dann aber im Besitz davon und müssen es nicht am Jahresende wieder abliefern. Die Teams können es also nach zwei GP-Jahren in den nationalen Meisterschaften noch weiter verwenden.

Hat Honda das kleine Offroad-Werk KTM aus dem Innviertel einfach unterschätzt?

Naja, bevor ich mich darüber unterhalte, ob wir den Motorsport zerstören, würde ich mir von Honda wünschen, dass sie bei der Nachwuchsarbeit in all den Serien dabei wären, an denen wir uns beteiligen. Dann können wir uns über andere Themen unterhalten.

Ist die Moto3 zu teuer? Nakamoto sagt, sie sei teurer als die Moto2.

Der höchste Preis, der für ein Motorrad in dieser Klasse aufgerufen wird, wo wir als KTM-Werk auf dem gleichem Preisniveau agieren wie Kalex und Mahindra, liegt bei 110.000 Euro für ein ganzes Motorrad. Da ist der Motor drinnen, der 12.000 Euro kostet.
Dann hat aber der WM-Erste das gleiche Material wie der WM-Achtzehnte. Du kriegst also für 110.000 Euro ein siegfähiges Motorrad.
In der Aprilia-125-Zeit hast du für 100.000 Euro ein RSW-Motorrad bekommen, mit dem WM-Punkte kaum machbar waren. Die Leasingraten für ein RSA-Werkspaket lagen bei 180.000 Euro. Diese Motorräder musste man am Jahresende wieder abgeben. Man hat sich also bei Materialkosten von 300.000 bis 400.000 Euro pro Fahrer bewegt. Und man hatte am Jahresende kein Material mehr...
Durch das neue, strenge Moto3-Reglement ist die Chancengleichheit viel grösser als damals, das Feld liegt dichter beisammen.
2014 sind wir sogar verpflichtet, an jeden Kunden identisches Material auszuliefern. Damit wird sehr spannender Motorsport gewährleistet – für immer noch vernünftiges Geld.

KTM hat jetzt 16 WM-Rennen hintereinander gewonnen. Honda hält den Rekord mit 19 Siegen. Gibt KTM die Antwort einfach auf der Strecke?

Naja, wir fahren nicht für die Statistik. Wir fahren für das Hier und Jetzt. Da wollen wir eine gute Arbeit abliefern. Wir fahren nicht gegen Honda. Wir fahren für KTM, für unsere Teams und unsere Fans.
Ob wir jetzt 16 oder 18 Rennen hintereinander gewinnen oder nicht, davon können wir uns nichts kaufen.
Klar, die Augen sind auf uns gerichtet. Und wir müssen weiter arbeiten wie verrückt. Irgendwann wird wieder einer aufstehen, der uns Konkurrenz und das Leben schwer macht.
Der Rennsport war noch nie eine Einbahnstrasse.
Ich will mich nicht auf die grossen philosophischen Worte vom Herrn Nakamoto konzentrieren, sondern auf unser junges Team, auf das ich brutal stolz bin. Wir werden unseren Weg so weitergehen.
Von den Teams, mit denen wir zusammenarbeiten, von denen jammert ja keiner. Weil unser Material wertvoll ist und die GP-Teams unsere Bikes am Jahresende noch für 65.000 Euro an schwächere GP-Teams oder für Einsätze in nationalen Meisterschaften verkaufen können. Es ist also ein gewisser Werterhalt vorhanden.
Es geht also pro Jahr nur eine überschaubare Summe verloren. Und das Team ist womöglich mit diesem Motorrad Weltmeister geworden. Deshalb herrscht bei unseren Kunden grosse Zufriedenheit.
Es war in der kleinen WM-Klasse noch nie so einfach, konkurrenzfähiges Material zu kriegen, ohne irgendwelche politische Spielchen machen zu müssen. Man muss nur frühzeitig so ein Motorrad bestellen. Die Preise sind im Vorfeld klar.

Bei Honda kosten Entwicklungsteile während der Saison oft eine Menge Geld. Wie wird das bei KTM gehandhabt?

Wenn wir Entwicklungsteile in die Chassis oder sonstwo einfliessen lassen, kaufen diese die Kunden zu den normalen Ersatzteilpreisen.
Wenn wir nach drei Monaten ein Teil erfunden haben, das ein bisschen besser ist, dann sagen wir nicht, das könnt ihr jetzt für teures Geld erwerben. Sondern das weiterentwickelte Teil kostet gleich viel wie das vorherige Teil im Ersatzteilkatalog.
Die Kosten sind vernünfig. Du musst aus den 110.000 Euro jetzt mal die 12.000 für den Motor rausrechnen. Dann rechnest du die WP-Werksgabel und das Federbein raus und landest bei einem Betrag von 70.000 Euro für ein Motorrad mit allem Drum und Dran, mit Elektronik und so weiter.
Dieses Thema müssen wir nicht weiter zerreden.
Denn ein neuer Hersteller wie Mahindra schafft es ja auch, unter diesem Reglement konkurrenzfähige Fahrzeuge zu bauen.
Witzig ist, dass das Reglement in sehr enger Zusammenarbeit zwischen Dorna und Honda entstanden ist. Jetzt jammert Honda, dass irgendjemand nach diesem Reglement ein Rennmotorrad gebaut hat.
Dafür möchten wir uns jetzt bei Gott nicht entschuldigen.

Honda hat mit der NSF 250R eine Moto3-Maschine angeboten, die in dieser Form nicht siegfähig war.

Die Teams mussten sich dann teure Chassis bei FTR oder Suter kaufen, weil KTM die Messlatte so hoch gelegt hat.
Ich möchte daran erinnern, dass 2012 beim ersten WM-Lauf kein Spitzenteam mit dem Original-Chassis von Honda aufgetaucht ist. Die haben das Standard-Chassis im Winter einmal getestet und dann andere Fahrwerke gekauft, um ihre Motorräder zu verbessern.
Es war nicht unsere Schuld, dass die anderen Teams die Honda-Chassis ausgebaut haben. Honda hat ein Chassis verkauft, dass die Leute zum Rennfahren nicht haben wollten.
Diesen Schwarzen Peter lassen wir uns jetzt nicht zuschieben.

Seltsam ist ja, dass Honda zuerst das Reglement diktiert hat, jetzt klar besiegt wird und beleidigt mit Ausstieg droht. Immerhin haben sie vorher noch die Senkung des Drehzahllimits auf 13.500/min durchgesetzt, was wieder Millionen-Investitionen für eine neue Triebwerksgeneration verschlingt.

Ja... Das kann man so stehen lassen. Mahindra und KTM haben sich keine weitere Drehzahlabsenkung gewünscht.
Ich will mich nicht wiederholen. Aber: Die GP-Show mit so vielen Zuschauern bei so vielen fantastischen Veranstaltungen hat echte Rennmotorräder verdient.
Wenn die Zuschauer normale Serienbikes mit komplett begrenzten Drehzahlen sehen wollen, brauchen sie nicht zu einem Grand Prix reisen. Dann könnten sie sich gleich Cup-Rennen oder Scooter-Rennen daheim bei ihnen um die Ecke anschauen.
Alle Werke, die an der GP-Show der Dorna teilnehmen wollen und dürfen, haben die Verpflichtung, Rennsport auf höchstem Niveau abzuliefern.

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