Die MotoGP-WM und ihre Crash-Test-Dummies

Kolumne von Michael Scott
Per Highsider vom Bike geschleudert, Vorderrad eingeklappt oder von einem Gegner abgeschossen. Es gibt viele Möglichkeiten, wie Rennfahrer zu Sturz kommen – manchmal amüsant, manchmal tragisch.

Vor einigen Jahren als die Dorna anfing, eine geordnete Sturz-Statistik herauszugeben, schrieb ich einen Artikel, der die lustige Seite der langen Liste von Fahrern beleuchtete, die das Limit auf die harte Tour gefunden hatten – manchmal mehr als einmal am Tag. Natürlich muss es neben den Schrauben, Platten und der Physiotherapie, die untrennbar mit dem Motorradsport verbunden sind, auch eine lustige Seite geben, oder?

Zu meiner Bestürzung hagelte es böse Briefe. «Kein Respekt» lautete die Anklage. Hmm... Wenn du gerade einen hirnlosen Teenager zum hundertsten Mal durch den Kies purzeln gesehen hast, weil er sich selbst einfach nicht davon abhalten kann, es zu hart zu versuchen, ist «Respekt» vielleicht nicht das letzte, aber sicher nicht das erste Wort, das einem einfällt.

So ziemlich alle Motorradfahrer, die ich je getroffen habe, sprachen gerne über ihre Stürze – vorausgesetzt sie waren in der Lage dazu. Jedem ist klar, dass es auch anders laufen kann. Rennfahrer sind dabei keine Ausnahme. Eines meiner Lieblingszitate für alle Zeiten kommt vom großartigen Tatsachen-Mensch Mick Doohan. Auf die Frage nach einem gewissen Sturz antwortete er: «Ich ging einen Weg und die Maschine einen anderen.»

Die meiste Zeit spricht man über ein paar Zentimeter neben der Linie, zu hart gebremst, Gang herausgesprungen, zu viel Schräglage, mit jemandem kollidiert oder man hört das verwirrte: «Die Daten zeigen, dass ich nichts anders gemacht habe.» Hinzukommen detaillierte Beschreibungen des Übergangs von Sattel zu Kies. Ich empfinde das regelmäßig als sehr amüsant.

Es schwingt also bei der Sturzstatistik am Ende der Saison etwas unvermeidlich Komisches mit, aber auch etwas potenziell Tragisches. Eine empfindliche Balance, wie der Sturzkönig der MotoGP-Klasse Alex De Angelis zeigte.

Der mehrfache GP-Sieger erholte sich glücklicherweise sehr schnell von seinen lebensbedrohlichen Verletzungen, die er sich bei seinem 19. Sturz des Jahres zuzog. Nach einiger Zeit voll intensiver Behandlungen in Japan konnte er bereits wieder das Saisonfinale in Valencia besuchen und plant bereits seine Rückkehr auf die Strecke im nächsten Jahr.

Der 31-jährige «D’Angerous», wie ihn manche Gegner nennen, war in der diesjährigen Statistik in guter Gesellschaft. Rookie Jack Miller hatte nur einen Sturz weniger, da er erst 20 Jahre alt ist, prallte das an ihm ab, wie auch beim 22-jährigen Marc Márquez. Er war in der Statistik mit 13 Stürzen Vierter hinter Mike di Meglio und teilte sich den Platz mit Pol Espargaró. Was ihm teuer zu stehen kam: Sechs der Stürze passierten in den Rennen und nicht wie bei ihm üblich bei der «Suche des Limits» in den Trainings.

Wir können eine einfache Schlussfolgerung ziehen. Die Fahrer, die am meisten stürzen, sind ambitionierte Rookies oder altgediente Piloten, die auf unterlegenen Bikes mithalten wollen. Oder Marc Márquez, immer nahe an der Spitze. Mehr? Jorge Lorenzo hatte drei Stürze, Rossi sogar nur zwei.

Je kleiner die Klasse, desto mehr Stürze: Die durchschnittliche Anzahl von Stürzen pro Rennwochenende liegt in der MotoGP-Klasse bei 12, in der Moto2-Klasse sind es 20 und 23 in der Moto3-Kategorie, der Heimat der Kopfüber-Helden. Daher ist es nicht verwunderlich, dass die meisten Stürze in einem Jahr ein Moto3-Pilot fabrizierte: Karel Hanika flog 24 Mal ab, doch auch Moto2-Pilot Axel Pons ging 23 Mal zu Boden. Glücklicherweise begann er auch, wirklich schnell zu werden.

Die Moto2-Klasse ist Sturz-freundlich, denn es braucht Superkräfte, um die Schwerfälligkeit der Bikes zu überwinden. Bedenkt, dass zwei der nun genannten drei Fahrer 2015 Rennen gewonnen haben: Sam Lowes hatte 19 Stürze, Rookie Alex Márquez flog ebenfalls 19 Mal ab und Xavier Simeon lag 18 Mal im Kies.

Der bemerkenswerteste Moto3-Pilot war Niccolò Antonelli, der mit 17 Stürzen Platz 4 belegte, denn er zeigte auch die positive Seite davon, wenn man wie ein Verrückter pusht. Im letzten Jahr war er mit 22 Stürzen Zweiter hinter Hanika mit 24. In diesem Jahr gewann er zwei Rennen.

Das ist das Positive: Stürze helfen dir, Dinge zu lernen. Es ist ein altes Sprichwort: Es ist einfacher, einem schnellen Fahrer beizubringen nicht zu stürzen, als einem langsamen Fahrer wie man schnell wird.

Das erklärt jedoch nicht, warum 2015 erneut ein Aufwärtstrend bei der Anzahl von Stürzen zu erkennen ist. In der MotoGP-Klasse stieg die Zahl der Stürze von 98 im Jahr 2006 auf 215 in diesem Jahr an.

Das bedeutet sicher nicht, dass die Fahrer nicht mehr so kompetent sind, die Reifen oder die Suspension schlechter sind oder die Strecken rutschiger sind.

2006 waren die gefährlicheren Strecken schon lange aus dem Kalender verschwunden und gefährliche Passagen auf den anderen Kursen wurden deutlich verbessert. Stürze waren bereits sicherer als in den längst vergangenen schlechten alten Tagen, als noch in jedem Jahr Todesfälle betrauert wurden.

Seit 2006 war der einzige bedeutende Schritt der in die Lederkombi integrierte Airbag. Er verwandelt einen potenziell schlimmen Sturz oft in einen abgedämpften Aufprall.

Wir sehen mehr Stürze, aber nicht, weil die Fahrer sorgloser sind oder sie es lustig finden. Das gilt nämlich nur für den Rückblick darauf. Es ist, weil sie es können. Das Ergebnis ist, dass sie es müssen.

Übrigens: Silverstone übertraf Le Mans mit 79 Stürzen um einen Abflug, die Kurve mit den meisten Stürzen war die Tramonto in Misano.

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