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Zum 80. Geburtstag von Paul Friedrichs

Kolumne von Thoralf Abgarjan
Paul Friedrichs ist der erfolgreichste Motocrosspilot Deutschlands. Der 2012 viel zu früh verstorbene Champion leitete jene Zweitakt-Ära ein, die fast 3 Jahrzehnte andauern sollte und erst von Jacky Martens beendet wurde

Paul Friedrichs ist bis zum heutigen Tage der erfolgreichste deutsche Motocross-Pilot. Heute, am 21. März 2020, wäre er 80 Jahre alt geworden. Der dreifache Weltmeister der 500ccm-Klasse verstarb leider viel zu früh am 30. August 2012.

In den Jahren 1966, 1967 und 1968 holte er den WM-Titel in der 500ccm-Königsklasse. Er leitete mit seinem Erfolg 1966 die Zweitakt-Ära ein, welche die folgenden drei Jahrzehnte dominieren sollten. Erst Jacky Martens beendete mit seiner hubraummäßig auf 610 ccm aufgebohrten Viertakt-Husqvarna im Jahre 1993 die Ära der Zweitakter. 1965 wurde der Brite Jeff Smith noch auf der Viertakt-BSA Champion.

Friedrichs war Werksfahrer der tschechoslowakischen Marke CZ, die auf dem Gebiet der Zweitakt-Motorentechnik Pionierarbeit leistete. Die Zweitakter waren viel leichter und damit wendiger als die Viertaktmotorräder jener Zeit.

Weitere Gegner, gegen die sich Friedrichs behaupten musste, waren Legenden wie der Belgier Roger DeCoster, der Brite John Banks und der Schwede Ake Jonsson, um nur einige Persönlichkeiten zu nennen.

Der gelernte Traktorenschlosser aus Mecklenburg-Vorpommern begann seine Karriere beim MC Dynamo Rostock, wechselte aber nach Erfurt, wo er unter der Leitung seines Trainers und späteren Schwiegervaters Heinz Ramsch beim staatlich geförderten Polizeisportclub gute Trainings- und Technikbedingungen vorfand.

Die Linie des Erfurter Motorsportclubs lässt sich übrigens bis heute nachziehen. Im Schlepptau von Paul Friedrichs wuchsen Sportlerpersönlichkeiten wie Heinz Hoppe (erfolgreichster Motocrossfahrer der DDR) oder auch Heiko Klepka heran. Heiko Klepka ist der Vater von Ken Roczen, der aus Mattstedt in der unmittelbarer Nähe stammt. Auch Fahrer wie Henry Jacobi oder die Koch-Brüder sind in einer Tradition aufgewachsen, deren Basis durch die Erfolge eines Paul Friedrichs gelegt wurden.

Während seiner WM-Zeit sah sich Friedrichs einer zunehmenden politischen Instrumentalisierung ausgesetzt. Einerseits vereinnahmte die DDR jeden sportlichen Erfolg für sich, um daraus eine 'systemische Überlegenheit' gegenüber dem 'imperialistischen Westen' abzuleiten. Aber auch jener 'freiheitlich-demokratische Westen' warf DDR-Sportlern ebenfalls gerne aus politischen Gründen Knüppel zwischen die Beine! Es war die Zeit des kalten Krieges. Eine Auseinandersetzung auf allen Ebenen, auch im Sport, geführt mit unfairen Mitteln. Leidtragende waren allerdings stets die Sportler.

Friedrichs Trainer Heinz Ramsch erinnert sich an das Jahr 1968, an den 7. von damals 13 WM-Läufen in Farleigh Castle/England. Für jeden WM-Lauf, besonders für das westeuropäische Ausland, mussten im Vorfeld aufwändig Visadokumente beantragt werden. Flüge nach England gab es von Ostberlin aus nur einmal pro Woche, donnerstags. Obwohl die Visaanträge vom Team rechtzeitig eingereicht wurden, verzögerte die britische Botschaft die Erteilung der Reisedokumente bis Freitagmorgen. Das Flugzeug von Berlin-Schönefeld nach London war ohne Friedrichs abgehoben. Der Versuch, über Paris und Madrid in letzter Minute nach England zu kommen, scheiterte.

Die Werks-CZ wurde aus Strakonice direkt nach England transportiert. Sie stand verwaist im Paddock, Paul Friedrichs konnte an diesem Tage nicht starten und büßte wertvolle WM-Punkte ein.

Im westdeutschen Beuern wurde Friedrichs von einer Grippe heimgesucht. Trotzdem gewann er den ersten Lauf vor Bengt Aberg. Bei einem Crash im zweiten Lauf brach er sich das Schlüsselbein. Die Titelverteidigung rückte in weite Ferne. Er konnte zum nächsten WM-Lauf in Frankreich nicht antreten, aber nur 2 Wochen später stand er im niederländischen St. Anthonis wieder am Start. Doch die Schmerzen waren zu groß. Er musste aufgeben.

Beim nächsten Rennen im legendären Namur wich er im ersten Lauf nach dem Start einem Massencrash aus und kollidierte mit einer Eiche, die, wie sich Ramsch erinnerte, «schon einige Jahre unter der Borke hatte und die Pauls Aufprall gut überstand.» Friedrichs startete von ganz hinten eine Aufholjagd bis auf Rang 8. Vor dem zweiten Lauf dachte er wegen seiner Schmerzen in der Schulter kurz ans Aufgeben, doch er biss sich durch, gewann den zweiten Lauf und avancierte so zum Publikumsliebling von Namur. Friedrichs wurde am Ende des Jahres 1968 in einem dramatischen Sieg im Finale von Wohlen (Schweiz) mit einem Punkt Vorsprung zum dritten Mal Weltmeister.

Es belastete ihn zunehmend, immer tiefer zwischen die Fronten der Politik zu geraten. Wie alle seine Weggefährten berichten, war er ein äußerst freundlicher, hilfsbereiter und liebenswerter Mensch. Mit Politik hatte er nichts am Hut. Er war Sportler durch und durch, der Prototyp eines Motocrossers.

Die Jahre 1969 bis 1972 waren geprägt von zahlreichen technischen Ausfällen und einer Verstärkung des politischen Drucks. Die weitere WM-Teilnahme wurde an Bedingungen geknüpft. Das Politbüro beschloss, dass sich DDR-Sportler nicht mehr an Weltmeisterschaftsläufen beteiligen dürfen. Der Motocross-Sport wurde als nicht-olympische Disziplin wie eine heiße Kartoffel fallengelassen. Einzige Ausnahme stellten die Endurosportler dar, die als MZ- und Simson-Markenbotschafter noch bis zum Ende der DDR auf internationaler Ebene mitmischen durften, was sie auch mit Erfolg taten. 1972 nahm Friedrichs noch als Geländesportler an den Six-Days teil und holte mit der Silbervasen-Mannschaft Platz 3. Paul war aber Motocrosser. Enduro wurde seine Leidenschaft nicht.

Was danach im DDR-Motocrosssport passierte, ist eine lange Leidensgeschichte. Friedrichs führte nach seiner aktiven Zeit die MZ-Gebietsvertretung in Erfurt. Als Ken Roczen im Jahre 2011 in der MX2-Klasse Weltmeister wurde, war Friedrichs als einer der ersten Gratulanten zur Stelle. Friedrichs meinte, dass der junge Thüringer das Zeug hätte, es ihm gleichzutun. Roczen entschied sich allerdings anders. Er sah seine Zukunft im Supercross in Amerika. Was aus ihm geworden wäre, wenn er in der WM geblieben wäre, darüber kann heute nur noch spekuliert werden. Die Erfolge eines Paul Friedrichs werden damit noch sehr lange Bestand haben. Er ist und bleibt der Maßstab des deutschen Motocross.

Die Karriere von Paul Friedrichs auf einen Blick
1965 - Vizeweltmeister 500ccm
1966 - Weltmeister 500ccm
1967 - Weltmeister 500ccm
1968 - Weltmeister 500ccm
1969 - Motocross-WM Rang 3, 500ccm
1970 - Motocross-WM Rang 4, 500ccm
1971 - Motocross-WM Rang 4, 500ccm
1972 - Vizeweltmeister 500ccm


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