MX Jahresrückblick 2022-3: Roczen wird SX-Champion

Von Thoralf Abgarjan
Nachdem Tim Gajser seinen 5. WM-Titel in Skandinavien holt, fällt die Titelentscheidung der MX2 erst im letzten Rennen. Max Nagl holt seinen 3. Masters-Titel und Ken Roczen wird Supercross-Weltmeister

Tim Gajser wird in Finnland vorzeitig MXGP-Weltmeister des Jahres 2022. Bei den letzten beiden Grands-Prix in Saint Jean d’Angely (Frankreich) geht es in der Königsklasse des Motocross nur noch um die Platzierungen. Gajser hatte in diesem Jahr kaum gleichwertige Gegner. Herlings katapultierte sich schon vor Saisonstart aus dem Rennen, Romain Febvre war die erste Hälfte der Saison verletzt und Maxime Renaux, der bis zum Deutschland-Grand-Prix «best of the rest» war, verletzte sich im Talkessel schwer und fiel für 2 Grands-Prix aus. In der zweiten Saisonhälfte kann der Schweizer Jeremy Seewer deutlich aufholen und wurde am Saisonende verdient Zweiter. Renaux war rückblickend eine der Überraschungen der Saison 2022. Er stieg als MX2-Weltmeister in die MXGP auf und zeigte sich auf Anhieb konkurrenzfähig.

Das MX2-WM-Finale in der Türkei wird zum Showdown zwischen Tom Vialle und Jago Geerts. Wieder einmal spielen die Nerven von Geerts nicht mit. Es kommt zur Kollision und die beiden WM-Anwärter stürzen. Vialle sitzt schneller wieder auf seinem Bike, gewinnt das Saisonfinale und ist damit MX2-Champion. Dritter wird der deutsche GASGAS-Werksfahrer Simon Längenfelder, der in diesem Jahr vor Allem durch Konstanz brilliert. Der Deutsche gewann den Saisonauftakt in Matterley Basin und leistet sich über die Saison als einziger der Top-Piloten keinen einzigen Nuller. Einmal – in Lommel – wird es aber auch für ihn knapp. Längenfelder fällt bei der brutalen Hitze einfach um und ist völlig erschöpft. In der letzten Runde ist er am Ende und augenscheinlich nicht mehr Herr seiner Sinne. Er touchiert die Streckenbegrenzung und eiert nur noch auf der Strecke umher. Irgendwie rettet er sich mit letzten Kräften auf Rang 9 ins Ziel und verfehlt das Grand-Prix-Podium trotzdem nur knapp.

Die Leistungen von Simon Längenfelder sind zweifellos eines der Highlights des zu Ende gehenden Jahres. In der MXGP erreicht Tom Koch inzwischen regelmäßig die Punkteränge. Der einzige deutsche MXGP-Dauerstarter, Henry Jacobi, geht in Ernée nach dem Fahrerstreik von der Pole-Position in die Rennen und kommt im ersten Lauf sensationell auf P4 ins Ziel. Insgesamt schaffte es der Thüringer in diesem Jahr in der höchsten Motocross-Klasse aber nur viermal in die Top-10. Das ist zu wenig. Am Ende reichte es damit für ihn für Gesamtrang 16, aber sein Ziel waren die Top10. Das ambitionierte JM Honda Team von Exweltmeister Jacky Martens beendet zum Saisonfinale die Zusammenarbeit mit dem Deutschen. Jacobi findet im Sarholz-Team zwar sofort wieder eine neue Team-Heimat, aber die Zeit der WM-Dauereinsätze ist damit vorbei. Bei Sarholz wird sich Jacobi auf die ADAC MX Masters konzentrieren und nur noch an den europäischen WM-Läufen teilnehmen.

Max Nagl holt beim Saisonfinale der ADAC MX Masters in Fürstlich Drehna seinen dritten Masters-Titel. Sein letzter Titelgewinn in dieser Serie war 2008 und lag damit schon 14 Jahre zurück. Aber dazwischen lagen eben auch viele seiner erfolgreichen WM-Jahre.

Das Motocross der Nationen bildet den traditionellen Saisonhöhepunkt. 2022 findet das Olympia des Motocross wieder auf dem legendären Kurs von RedBud (USA) statt. Wie 2018 droht die Veranstaltung aber wieder im Schlamm zu versinken, doch Tomac, Sexton und Cooper leisten sich keine Fehler und holen die Chamberlain Trophy nach 11 Jahren wieder in die USA vor Team Frankreich und Australien. Team Deutschland startet ohne Roczen und Jacobi. Roczen hadert mit der ungeklärten Teamsituation bei HRC und Jacobi äußert sich über seine Nicht-Nominierung sichtlich enttäuscht. Simon Längenfelder, Max Nagl und Tom Koch machen aus der Situation das Beste und beenden das MXoN 2022 auf Gesamtrang 8.

Vor einem Jahr meinte Rick Elzinga: «Entweder schaffe ich es in ein Werksteam, wo ich bezahlt werde, oder ich höre auf.» Der Niederländer trainierte bei Max Nagl und wurde erfolgreich. Elzinga gewann den prestigeträchtigsten EM-Titel und wurde EMX250 Champion. Sein Landsmann Cas Valk gewann die EMX125.

Die Niederländer haben bekanntlich besonders viele gute Nachwuchsfahrer. Nahezu alle werden von Sponsor Jumbo unterstützt, doch der Supermarktkette sitzen die Finanzbehörden im Nacken. Es ist von Geldwäsche und Steuerbetrug die Rede und davon ist unter anderem auch der niederländische Junioren Weltmeister Gyan Doensen betroffen, der im Herbst plötzlich ohne Team dasteht. Erst im Dezember gibt es für das Talent Entwarnung, nachdem er bei WZ Racing KTM unterkommt.

Die vom Weltverband FIM neu ausgeschriebene Supercross-WM geht 2022 in ihre Pilot-Saison. Nicht nur in den USA wird die als WSX bezeichnete WM als Konkurrenz angesehen und deshalb abgelehnt. Auch die Industrie hält sich auffällig zurück. Teilweise wird die Serie sogar offen boykottiert. Der HRC-Werksvertrag von Ken Roczen läuft zum Saisonende aus. Der Deutsche ist weltweit ein Star und wird vom Serienvermarkter SX Global direkt engagiert. Noch wenige Wochen vor Saisonstart ist völlig unklar, in welchem Team der Deutsche starten wird. HRC versucht bis zuletzt, Roczens Teilnahme an der WSX zu verhindern und bietet ihm sogar einen neuen Werksvertrag an, falls er seine Teilnahme an der WSX absagt. Aber der Deutsche bleibt standhaft und hält Wort. Er startet mit einem Standard-Bike des australischen Teams Honda Genuine und wirkt plötzlich wie ausgewechselt. Seine Vorbereitungszeit ist extrem kurz, doch der Genuine Crew gelingt es, ihm ein Motorrad hinzustellen, das perfekt zu seinem Fahrstil passt. So leichtfüßig und elegant hatte man den Deutschen im ganzen Jahr 2022 nicht gesehen. Ausgerechnet die Whoops, die während der Supercross-Saison die große Schwachstelle waren, werden auf dem Stock-Bike plötzlich zu seiner Glanzdisziplin.

Beim Saisonauftakt in Cardiff steht noch US-Champion Eli Tomac mit am Start. Er gewinnt das WSX-Debüt, doch auch er kann nicht über seinen Schatten springen und darf nicht am Saisonfinale in Australien teilnehmen. In Down Under wird Roczen dann trotz eines Ausfalls durch Reifendefekt seiner Favoritenrolle gerecht und wird Supercross-Weltmeister des Jahres 2022. Doch diesen Erfolg will er noch vor sich selbst und vor den selbsternannten Experten, die sich permanent über die sportliche Qualität der WSX auslassen, legitimieren. Das tut er, indem er erstmals in seiner Karriere am Supercross Paris teilnimmt. Hier sind nämlich genau jene Fahrer und Teams am Start, die zuvor die WSX sanktioniert haben: Eli Tomac, Cooper Webb und Marvin Musquin. Roczen dominiert und gewinnt in Paris beinahe alles, was es dort zu gewinnen gibt. Von den 6 Final-Läufen gewinnt er 4. Am Samstag begeht er einen folgenschweren taktischen Fehler und verzichtet auf den besten Startplatz, der ihm nach dem Gewinn der Super-Pole zugestanden hätte. Dieser Fehler kostet ihm zwar zwei Laufsiege, ändert aber nichts an der Sache, denn Roczen ist in Paris eine Klasse für sich. Alle Zweifel in Sachen Supercross-WM sind damit unmissverständlich ausgeräumt und klargestellt.

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