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Mit Vollgas am Limit: MX-Star Torsten Wolff wird 60

Kolumne von Thoralf Abgarjan
Torsten Wolff entstammt einer bedeutenden deutschen Motocross-Dynastie, die sich bereits über 4 Generationen erstreckt und die MX-Szene bis heute prägt. Am 2. Februar feiert Torsten seinen 60. Geburtstag.

Am heutigen 2. Februar 2023 feiert Torsten Wolff seinen 60. Geburtstag. Dem Drehnaer wurde der Motocross-Sport in die Wiege gelegt, denn Familie Wolff ist eine der ältesten deutschen Motocross-Dynastien. Seinen Vornamen Torsten erhielt er von seinen Eltern Ernst (jun.) und Brigitte in Anlehnung an die schwedische Crosslegende Torsten Hallmann, der 1962 und 1963 Motocross-Weltmeister der 250er Klasse wurde und gegen den sein Vater Ernst (jun.) selbst noch in der WM angetreten war.

Die Leidenschaft zum Motocross hat in der Familie Wolff aber bereits seit Opa Ernst (sen.) Tradition, der schon in den 1940er Jahren im Landkreis Dahme-Spreewald als Aktiver Geschicklichkeitsrennen organisierte. Sein Sohn Ernst (jun.) wurde in Ostdeutschland zur Legende. Er begann Mitte der 1950er Jahre mit dem Geländesport und war ein 'Hansdampf in allen Gassen'. Sein sportliches Repertoire reichte vom Offroadsport inklusive Grasbahn und Sandbahn bis zum Motorbootrennsport. Ernst Wolff holte 14 nationale Meistertitel, 9 davon im Motocross. Am 9. September 1962 holte Ernst Wolff beim WM-Lauf der 250er Klasse in Apolda seine ersten WM-Punkte und gewann 1977 den legendären Teterower Bergringpokal vor der gewaltigen Kulisse von 80.000 Zuschauern.

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Torsten wuchs in dieser Rennfahrer-Umgebung auf. 100 Meter neben seinem Elternhaus befand sich die bis heute bekannte Motocrossstrecke. Sein Talent wurde schnell offenkundig. Er wurde Jugend- und Juniorenmeister und konnte als Meister direkt in die A-Lizenzklasse aufsteigen, wo er nach kurzer Zeit erfolgreich war. Zu Beginn seiner Karriere wurde er von Journalisten und Streckensprechern stets als der 'Sohn von Altmeister Ernst Wolff' tituliert. Doch Torsten konnte sich durch seine eigenen Leistungen schnell aus dem Windschatten seines berühmten und beliebten Vaters befreien und wurde selbst zum gefeierten Publikumsliebling.

Mit seiner Karriere ging es steil bergauf, doch sie verlief nicht geradlinig. Sie war geprägt von vielen und teilweise schweren Verletzungen. 1984 Jahre fand auf dem Waldkurs von Westerhausen ein Wintertrainingslager zur Saisonvorbereitung statt. Der 'Eselstall' lag mitten im Wald, ähnlich wie die Strecke von Namur. Torsten erwischte einen Sprung nicht und krachte frontal gegen einen Baum. Damals kannte man im Motocross noch keine Integralhelme. Es wurden ausschließlich Jethelme getragen. Gut ausgestattete Fahrer besaßen die legendäre Scott-Brille mit Maske. Das sah zwar ziemlich cool aus, aber wehe dem, der damit einen Baum küsste.

Torsten erlitt bei diesem Trainings-Crash zahlreiche komplizierte Knochenbrüche im Gesichts- und Kieferbereich, die mit einer abenteuerlichen Drahtkonstruktion fixiert und stabilisiert werden mussten. Zum Saisonauftakt im Sand von Herzberg waren die Klammern im Gesicht noch nicht entfernt und überhaupt sah er noch ziemlich entstellt aus. Seine Gesichtsknochen waren nicht verheilt und das medizinische Personal an der Strecke erhielt eine Sondereinweisung. Nicht auszudenken, wenn der Drehnaer in seinem Zustand erneut gestürzt wäre. Torsten lieh sich von Olaf Frohn, dem Sohn von Gunter Frohn, einen Integralhelm, um überhaupt zum Rennen antreten zu können. Trotz seines Handicaps belegte er in diesem Rennen die Plätze 4 und 6.

Seit seiner Jugend war er Teil der Nationalmannschaft, die in den osteuropäischen Ländern um den Pokal für Frieden und Freundschaft kämpfte. Wie allen ostdeutschen Sportlern war auch ihm zu jener Zeit die Teilnahme an EM- und WM-Läufen im westlichen Ausland untersagt. Doch bei den Pokalrennen konnte er sich mit Teilen der Welt-Elite messen. Das war sein Metier. Dort gehörte er hin. Besonders hier stach sein Talent hervor, denn er wuchs mit seinen Aufgaben. Seine Gegner waren renommierte Sportler wie der Bulgare Dimitar Rangelov (WM-Dritter 1980) oder der Tscheche Petr Kovar, der die WM 1987 auf P8 beendete und beim Grand-Prix von Holice auf dem WM-Podium stand. Sein Weggefährte Petr Kovar feierte übrigens 2022 ebenfalls seinen 60. Geburtstag. Torsten Wolff war bei den Pokalläufen ein ebenbürtiger Gegner, stand häufig auf dem Podium und gewann 1985 mit der Nationalmannschaft (Torsten Wolff, Jens-Uwe Jahnke, Harald Pfeil) im Talkessel den deutschen Pokallauf, was damals so etwas Ähnliches wie ein Sieg beim Motocross der Nationen war, denn diese Pokalläufe wurden als Mannschaftswettbewerbe ausgetragen. Außerdem gewann er 1988 erneut im Talkessel die internationale Soloklasse der 250er, weshalb sein Name heute auch auf der 'Wall of Fame' im Talkessel verewigt ist.

Als Torsten Wolff Mitte der 1980er Jahre richtig durchstartete, beendete der bis dahin erfolgreiche Heinz Hoppe gerade seine Solo-Karriere. Hoppe markierte die Fahrergeneration nach Paul Friedrichs. Nun rückten die 'Jungen Wilden' mit Torsten Wolff, Falk Rudoph, Norbert Müller, Uwe Martin und Klaus Hünecke sowie anderen Heißspornen nach. In jener Zeit entwickelte sich aber auch die Technik rasant: Wassergekühlte Motoren und progressiv wirkende Zentralfederung waren die Innovationen der Stunde. Doch sie waren, sofern sie aus Japan, Österreich oder Westdeutschland kamen, in der DDR per Reglement verboten. Trotzdem war die Entwicklung nicht aufzuhalten und so wurden 1987 neben den eigentlichen Hubraumklassen auch die Klassen der so genannten 'Spezialtechnik' eingeführt. Die Motorräder westlicher Bauart, Suzuki, Honda, Yamaha, Kawasaki, Husqvarna, KTM und Maico, mussten erstens unkenntlich gemacht werden und die Zylinder sollten auf ein CZ-Kurbelgehäuse montiert werden. Dieses Kurbelgehäuse, das eine Entwicklung aus den 1970er Jahren, namentlich aus der Zeit von Jaroslav Falta, Zdenek Velky und Jiri Churavy war, passte natürlich in keinen modernen Rahmen mehr. Außerdem war das Kurbelgehäuse für luftgekühlte Zylinder konzipiert und verfügte weder über einen Membraneinlass, noch über Wasserpumpe oder Auslasssteuerung. Über welche Umwege sich die DDR-Sportler zu jener Zeit die Technik aus dem Westen beschafften, erfahren Sie in diesem Artikel über Gunter Frohn. Nachdem die Technik aber durch die Einführung der Spezialtechnik-Klasse formal legalisiert war, mussten die Motorräder entsprechend modifiziert werden: Der Rahmen wurde aufgesägt und verlängert, wodurch sich der Radstand vergrößerte und das CZ-Kurbelgehäuse musste mit einer Wasserpumpe für die wassergekühlen Zylinder modifiziert werden.

Ernst Wolf (jun.), den man eigentlich nur in Renn- oder in Arbeitskluft kannte, hatte sich schnell einen Namen als Motorentuner gemacht. Die Zweitaktmotoren, die er veredelte, waren in der Szene sehr gefragt. Nachdem die Spezialtechnik-Klasse eingeführt wurde, war es wieder Ernst Wolff, der die Modifikationen so gut hinbekam, dass die Suzukis, Hondas, Kawas und co. im CZ-Gehäuse trotzdem sehr gute Leistungswerte hatten und sogar standfest waren.

Auch im Fahrwerksbereich tüftelte Ernst Wolff Tag und Nacht. Wir schreiben das Jahr 1981. Suzuki hatte gerade das Full Floater Monoshock Zentralfederbein eingeführt. Ernst baute es nach Fotovorlage inklusive der Umlenkwippe aus Stahl nach und nutzte als Zentralfederbein einen Dämpfer des Bugrades von MIG-Kampfflugzeugen, was man durchaus als die sportliche Auslegung des damals populären Slogans 'Schwerter zu Pflugscharen' auslegen kann. Alternativ kamen auch LKW-Stoßdämpfer als Zentralfederbein zum Einsatz.

Im Talkessel fand 1981 der deutsche Lauf zum Pokal für Frieden und Freundschaft statt und Torsten tauchte mit dem Full-Floater/MIG-Kampfflugzeug-Eigenbau auf. Während des Samstagstraining brach jedoch die obenliegende Achse der Umlenkwippe und verklemmte sich. Torsten musste für das Rennen am Sonntag wieder auf das Twinshock-Chassis des Ersatzmotorrades wechseln, fuhr dann später in der Saison aber trotzdem dieses Eigenbau-Chassis aus Stahl.

Innovationen gab es im Hause Wolff zuhauf, auch jenseits der Rennstrecken: Irgendwann wollte Torsten mit seinem eigenen PKW zu den Rennstrecken fahren. Damals fanden die Veranstaltungen im Wochentakt statt – ähnlich wie heute in den USA. PKWs waren in der DDR aber knapp und der Trabi war – zumal mit Anhänger samt Motorrädern – mit 26 PS nicht gerade üppig motorisiert. Also bauten Ernst und Torsten in den 601er Trabi ganz pragmatisch einen Wartburg-Motor ein, der natürlich auch vom Zweitaktspezialisten Ernst für seinen Einsatz vorbereitet wurde. Der 'Wabbi' im Trabi-Look erreichte Höchstgeschwindigkeiten von bis zu 160 km/h. Wer auf der Autobahn also von einem seltsam klingenden Trabi mit Speed überholt wurde, staunte nicht schlecht.

In der früheren DDR war nicht nur die Motorradtechnik ein Problem, sondern auch die Ausrüstung. Stiefel, Hosen und Helme waren Mangelware und deshalb teuer. Von Knieschützern und Orthesen konnten die Motocrosser bestenfalls träumen. Diese Ausrüstung musste aus dem Westen beschafft werden und die Besuche der WM-Läufe in der ČSSR (Holice, Dalecin, Sverepec) waren eine gute Gelegenheit, dem einen oder anderen Fahrer diese Sachen meist mit Tauschgeschäften, z.B. gegen Reifen, abzuluchsen. Torsten ergatterte eine Rennhose mit der Aufschrift 'KTM'. Das gefiel den Offiziellen natürlich gar nicht. Torsten trennte den Buchstaben M ab und drehte ihn zum W um. So wurde aus KTM das Kürzel KTW, was man zudem bei Nachfrage politisch korrekt mit den Initialen von Torsten Wolff erklären konnte.

Seine Motorräder konnten nicht genug Leistung haben. Die größten Erfolge feierte er deshalb auch in der 500er Klasse, wo die CZ-Motoren für den Normalsterblichen einfach nur brutale, unfahrbare Bestien darstellten. Torsten konnte mit dieser Leistung aber gut umgehen und hatte dazu noch einen sehr eleganten und runden Fahrstil.

Ab 1987 konnte sich Torsten auch in der Halle beweisen, wo man damals noch auf Holz bretterte. In Budapest erreichte er P2 und avancierte zum Publikumsliebling. Mit dem Fall der innerdeutschen Mauer 1989 gingen auch dramatische Veränderungen im Sport einher. Viele Fahrer hörten auf, weil sie sich um den Beruf oder den Aufbau einer eigenen Firma kümmern mussten. 1990 trat Torsten in der Deutschlandhalle von Westberlin erneut zum Hallenmotocross an und traf dort auf Gegner wie den Amerikaner Bobby Moore. Die Fans in der Halle feierten die Fahrer aus dem Osten, die nun endlich auch im Westen antreten durften.

Am 16. September 1990 stand zum Motocross der Nationen in Vimmerby (Schweden) mit Torsten Wolff, Hardy Schadenberg und Klaus-Jürgen Kuritz erstmals seit Jahrzehnten wieder eine DDR-Mannschaft am Start. In Vimmerby starteten also zwei deutsche Mannschaften: Die Mannschaft der BRD trat mit den WM-erfahrenen Pit Beirer, Jochen Jasinski und Werner Siegle an. Torsten konnte nun gegen die absolute Weltklasse antreten: Damon Bradshaw, Jeff Stanton, Jeff Ward, Jacky Martens oder Stefan Everts standen im Schweden am Start und P14 in der 250er Klasse war für seinen Einstand auf der Bühne des MXoN beachtlich.

Neben dem Sport musste Torsten Wolff in jener Zeit seine Meisterprüfungen ablegen. In dieser Periode startete er bei der Inter-DM, dem Vorläufer der heutigen MX Masters, beim OMK-Pokal und bei Deutsche Meisterschaften.

Im Talkessel, wo er einige seiner großen Erfolge feiern konnte, endete 2003 seine Karriere mit einer weiteren Tragödie. An der Auffahrt zum Todesberg blieb der Gasschieber hängen. Torsten raste unkontrolliert mit Vollgas den Hang hinauf und sprang gen Himmel. Bei der Landung im Flachen brach er sich beide Beine. Auch wenn er seinen Helm danach an den sprichwörtlichen Nagel hängen musste, blieb er dem Sport weiterhin verbunden, denn zwischenzeitlich war bereits sein Sohn Toni in die Fußstapfen des Vaters getreten und markierte damit schon die vierte Generation der Motocross-Dynastie Wolff. Sein Heimatclub MSC Fürstlich Drehna organisierte WM-Läufe der 500er Klasse und Masters-Rennen und Torsten war selbstverständlich immer mit dabei.

2013 wurde im Infield des nahe gelegenen Lausitzrings eine Motocrossstrecke für den Deutschland Grand-Prix errichtet. Im Talkessel sollte in jenem Jahr zum Saisonende das Motocross der Nationen stattfinden. Die Mitglieder des MSC Fürstlich Drehna engagierten sich ehrenamtlich beim Streckenbau. Torsten befand sich auf einem Container und half bei den Aufbauarbeiten. Ein falscher Tritt ins Leere und der Sturz aus 2 Metern Höhe führte zu einem offenen Beinbruch. Durch eine Verkettung unglücklicher Umstände, einschließlich der Vorverletzungen, gab es am Ende zur Amputation des rechten Unterschenkels keine Alternative.

Auch wenn für ihn nach diesem Rückschlag ans Motocrossfahren nicht mehr zu denken war, suchte er sich neue Ziele: Neben der Clubtätigkeit beim MSC Drehna hat er das Mountainbike für sich entdeckt. Mit der vom Motocross bekannten Mischung aus Kondition, Kraft und Fahrtechnik hält sich Torsten auch heute noch mit 60 weiterhin fit.

In diesem Sinne wünschen wir im Namen aller Leser von SPEEDWEEK.com auch nach 60 Lenzen viele gute und gesunde Jahre mit und ohne Bike. Danke für die vielen tollen Rennen und die spannenden Zweikämpfe. Du warst und bist das Vorbild einer ganzen Motocross-Generation der 1980er Jahre, die bis heute wirkt und auch die Generation Roczen hervorbrachte.

Die DDR-Meistertitel von Torsten Wolff:

1983 – P1 (500 ccm)
1983 – P3 (125 ccm)
1984 – P3 (125 ccm)
1985 – P2 (250 ccm)
1985 – P1 (500 ccm)
1986 – P1 (500 ccm)
1986 – P3 (250 ccm)
1987 – P2 (250 ccm Spezial)
1989 – P2 (250 ccm Spezial)
1990 – P1 (125 ccm Spezial)
1990 – P1 (250 ccm Spezial)

Mein besonderer Dank gilt Marcel Rentsch vom MSC Fürstlich Drehna sowie Stefan Genscher für die Unterstützung bei der Recherche.

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