KTM: Im Werk gingen die Lichter aus

Ingenieur Kurt Trieb (KTM): «Man lernt halt dazu»

Von Günther Wiesinger
Ingenieur Kurt Trieb ist das Motorengenie von KTM. Der PS-Zauberer hat mit dem neuen RC16-Motor offenbar sein Meisterstück geliefert. Der sonst recht schweigsame Konstrukteur stand SPEEDWEEK.com Rede und Antwort.

Ing. Kurt Trieb wird von Experten wie Suzuki-Crew-Chief Tom O’Kane als «best single race engine designer» bezeichnet, also als bester Rennmotorenkonstrukteur als Einzelperson, wie O'Kane ausdrücklich betont, er kennt Kurt Trieb schon seit dem Jahr 2005, als er beim Team Robets tätig war und die KTM-990-ccm-V4-Motoren verwendet wurden. O'Kane bezeichnet Trieb ganz klar und ohne Umschweife als den besten Rennmotorenkonstrukteur als Einzelperson.

Trieb hat dieses Können bei KTM bei etlichen Motocross-Werksmotoren unter Beweis gestellt, auch beim Moto3-Rennmotor, der in fünf Jahren viermal die Konstrukteurs-WM gewann und dreimal die Fahrer-WM.

Aber der von BMW aus der Formel 1 kommende Kurt Trieb bleibt gerne im Hintergrund, er kam nicht einmal zum Renndebüt der KTM RC16 in Valencia und auch nicht zu den folgenden Tests in Valencia und Jerez.

Er kreuzte aber 2015 in Mugello auf, wurde dann beim Roll-out im Oktober 2015 in Spielberg gesehen und beim ersten Kräftemessen von Mika Kallio und Tom Lüthi beim Spielberg-Test Mitte Juli 2016.

Inzwischen hat Ing. Kurt Trieb beim Red Bull KTM Factory Racing- Projekt die technische Leitung übernommen, denn dazu wird ein Fachmann gebraucht, der sich nicht 100 Tage im Jahr an den Rennstrecken herumtreibt.

Jens Hainbach wurde statt Mike Leitner die Aufgabe des Vice President Road Racing übertragen, Leitner ist zum MotoGP-Teammanager aufgestiegen, Sebastian Risse ist jetzt MotoGP Technical Director. Als Teamprinzipal agiert Pit Beirer, der Motorsport Director von KTM.

Im Exklusiv-Interview mit SPEEDWEEK.com spricht Ing. Kurt Trieb recht offen über das neue Prestigeobjekt der KTM Group.

Kurt, wie beurteilst du die Fortschritte von KTM in der MotoGP-Klasse bisher?

Es war kein schlechter Start. Es hat mechanisch schon von Anfang an alles gut ausgeschaut.
Die Probleme, die wir hatten, waren nicht so, dass wir deswegen in Panik verfallen mussten.
Diese Situation hat sich durch die ganze Testperiode durchgezogen.

In welchen Bereichen gab es am Beginn die größten Probleme? Die Umstellung auf die Einheits-Elektronik hat ja im Frühjahr 2016 sogar Honda vor starke Probleme gestellt. Wie war es bei euch?

Die Elektronik ist immer eine Baustelle. Beim Motor gab es im ersten Halbjahr 2016 ein paar kleine Probleme mit Kühlung und Pneumatik, aber das war nichts Dramatisches.

Den pneumatischen Ventiltrieb hast du schon bei den 990-ccm-Motoren eingesetzt, die 2005 bis zum Brünn-GP vom Team Roberts verwendet wurden?

Ja.

Wie viel vom alten V4 steckt im neuen Motor drinnen? Oder hast du mit einem weißen Blatt Papier begonnen?

Beim RC16-Projekt ist mit einem weißen Blatt Papier begonnen worden. Vom Konzept her, wie man ein Kurbelgehäuse verschraubt oder so, das ist sicher ähnlich. Sonst ist alles anders und neu.

Bohrung und Hub sind in der MotoGP-WM vorgegeben?

Wir hatten vor zwölf Jahren beim 990er-Motor 84 mm Bohrung, jetzt liegt die maximale Bohrung laut Reglement bei 81 mm.
Wir hatten damals einen Zylinderwinkel von 75 Grad, dazu eine Ausgleichswelle. Unser neuer V4-Motor hat keine Ausgleichswelle, dafür einen entsprechend größeren Zylinderwinkel.

Dann rate ich mal: Du wirst beim Konzept von Honda und Ducati landen, die einen Zylinderwinkel von 90 Grad haben. Ducati hat seit 2015 eine gegenläufige Kurbelwelle, die sich wie beim Yamaha-Reihenmotor gegen die Fahrrichtung dreht. Honda und Aprilia haben das 2016 nachgeahmt. Ist das ein Rezept, das auch im Innviertel Anklang findet?

Das mit der gegenläufigen Kurbelwelle bei Ducati habe ich gehört. Ein interessantes Konzept. Aber so weit sind wir noch nicht fortgeschritten.
Wir haben das bisher nicht eingeplant. Meiner Meinung wäre dazu ein neuer Motor nötig. Oder eine Weiterentwicklung.
Wenn bei Ducati, wo es in den letzten Jahren viel Verunsicherung gab, so ein Schritt gemacht wurde, dann finde ich, ist das eine starke Entscheidung.

Wie kam die Entscheidung für den V-Motor zustande? Suzuki ist mit dem Reihenmotor jetzt erfolgreicher als mit dem alten V4-Konzept. Was spricht für den V4? Die Kompaktheit in erster Linie?

Er ist kompakter, auch der Massenausgleich spricht meiner Meinung nach für den V4.
Ich halte V4 schon für das richtige Konzept, ja.

Konntest du vom Moto3-Triebwerk irgendwas übernehmen, obwohl dieses nur 13.500/min dreht und das MotoGP-Triebwerk wohl mehr als 16.000/min?

Nein, nichts.

Die Elektronikfrage ist für 2017 geklärt, denn seit 2016 ist die Einheits-Motorensteuerung von Magneti Marelli vorgeschrieben. Und ohne Seamless-Getriebe geht es auch nicht mehr, das war klar?

Ja, Stefan Pierer hat schon früh kommuniziert, dass wir unser Seamless-Getriebe bei X-trac in England beziehen.

Dort bedient sich auch Ducati. Werden die Getriebe identisch sein?

Diese Frage kann ich jetzt noch nicht beantworten.

Was hat sich in der MotoGP-Technik bei der Kühlung seit 2004 getan?

Wir haben ein konventionelles Kühlsystem. Wir haben auch an der Wasserpumpe ein paar Modifikationen gemacht, wir haben seit dem Sommer auch neue Kühler entwickelt, die noch mal ein bisschen besser funktionieren. Aber insgesamt sind wir bei der Kühlung stabil.

Mit welcher Wassertemperatur fährt man heute in der MotoGP-WM? Zum Beispiel in Malaysia?

Wir fahren bei normaler Witterung mit rund 90 Grad. In Malaysia geht’s dann so Richtung 103 und 105 Grad.

Was hast du seit der Konstruktion des ersten MotoGP-Motors 2004 dazu gelernt? Dieses Triebwerk war zwar extrem leistungsstark, aber die Leistungsentfaltung ließ zu wünschen übrig. Man hat dir damals vorgeworden, es sei zu viel Formel-1-Technik in diesem MotoGP-Motor.

(Er lacht). Ja, dieser GP1-Motor war damals eigentlich mein erster Motorradmotor. Man lernt halt dazu. Das ganze Package ist extrem wichtig. Dazu muss die Fahrbarkeit beachtet werden, wobei ich sagen muss, vom ganzen Layout her sind wir nicht so weit weg von dem, was wir damals hatten.

Igor Akrapovic hat damals gesagt, der 990-ccm-KTM-Motor sei der stärkste MotoGP-Motor gewesen, den er jemals auf dem Prüfstand gehabt hat. Das war schon mal eine gute Basis für die Gegenwart. Und Mika Kallio sagte im November beim Valencia-GP, der Motor sei der größte Pluspunkt der KTM RC16. KTM-Firmenchef Stefan Pierer hat schon beim Valencia-GP 2015 von 270 PS gesprochen. Darf man dem Chef da widersprechen?

(Er lacht). Nein, überhaupt nicht... Ich glaube, wir haben bei der Motorleistung keinen schlechten Stand. Es kommt auch noch mal was. Wir haben seit dem Spielberg-Test etwas zugelegt. Das passt so.
Aber es kommt immer drauf an, wo man die Leistung misst.

Wo misst man sie am besten?

Wir bei KTM, wir rechnen zurück auf die Kurbelwellenwerte. Und wir messen ohne Staudruck, also ohne Überdruck in der Airbox. Da sind wir nicht weit weg von den 270 PS.

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