KTM: Im Werk gingen die Lichter aus

Stefan Bradl: «Von einem Buben zum Mann geworden»

Von Günther Wiesinger
Stefan Bradl

Stefan Bradl

Stefan Bradl (27) zieht die Bilanz nach elf GP-Jahren und erinnert sich an die schönen und schwierigen Momente seiner GP-Karriere. Unvergesslich: Der Moto2-Ttelgewinn 2011.

Stefan Bradl hat am 13. November 2016 beim WM-Finale in Valencia seine GP-Karriere nach 173 Grand Prix beendet. Er hat 2005 mit 15 Jahren in Barcelona als Red Bull KTM Junior in der 125-ccm-Klasse als Wildcard-Fahrer debütiert. Der Bayer gewann im selben Jahr die IDM 125 ccm und bestritt dann für KTM die Achtelliter-WM 2006. Nach einem Schien- und Wadenbeinbruch wurde er frühzeitig nach drei Jahren aus dem Vier-Jahres-Vertrag entlassen.

In der Red Bull MotoGP Academy unter dem militärischen Regime von Alberto Puig nahm Bradl bereits im Februar 2007 wieder Reißaus. Er bekam dann einen Vertrag mit dem spanischen Blusens Aprilia 125-Team (Sponsor: Grizzly Gas) und gewann die internationale CEV-Moto3-Meisterschaft. Nach einem starken siebten Platz mit einer Wildcard in Barcelona 2007 bekam Bradl bei Blusens nicht nur einen WM-Stammplatz für die restliche WM-Saison 2007, sondern auch einen Vertrag bei Kiefer Racing für das Jahr 2008. Er gewann dann 2008 auf einer Aprilia RSA 125 in Brünn und Motegi bei Kiefer zwei Grand Prix, bereits das erste Rennen in Doha/Katar schloss Bradl mit seinem ersten GP-Podestplatz ab. Der talentierte Deutsche beendete die 125er-WM 2008 als Gesamtvierter.

2010 wechselte Bradl in die Moto2-WM, er fuhr im Viessmann-Kiefer-Racing-Team eine Suter MMX2. Er siegte im Oktober beim Portugal-GP und wurde in der WM Gesamtneunter.

Bradl triumphierte 2011 in der Moto2-WM auf Kalex gegen Marc Márquez und wechselte danach für fünf Jahre in die MotoGP-WM.

Stefan fuhr die ersten drei Jahre auf LCR-Honda, wurde im ersten Jahr mit dem «Rookie of the Year»-Award ausgezeichnet und beendete die WM dreimal hintereinander in den Top-Ten, was seit BMW-Werkspilot Walter Zeller (1955 bis 1957) kein Deutscher in der Königsklasse geschafft hat.

Das erste Halbjahr 2015 absolvierte Bradl für Forward-Yamaha, dann kämpfte er eineinhalb Jahre für das Aprilia-Werksteam. Bestes MotoGP-Ergebnis: Pole-Position und Platz 2 in Laguna Seca 2013. Er bekam danach als Lohn einen HRC-Vertrag für die Jahre 2014 und 2015.

Bradl hat im GP-Sport insgesamt 19 Podestplätze und sieben Siege erreicht. In der MotoGP-Klasse hat er bei 86 Starts immerhin 47 Top-Ten-Plätze erzielt, mehr als jeder andere deutsche Teilnehmer in der Motorrad-Geschichte seit 1949.

Als Stefan Bradl im Juni 2005 in Catalunya seinen ersten WM-Lauf bestritt, kündigte er bereits an. «Ich will in der Weltmeisterschaft eines Tages um einen Platz besser abscheiden als mein Papa.»
Zur Erinnerung: HB-Honda-Werkspilot Helmut Bradl gewann fünf 250-ccm-GP und verpasste 1991 den 250er-WM-Titel nur um 17 Punkte gegen Luca Cadalora.

Im Exklusiv-Interview mit SPEEDWEEK.com blickt Stefan Bradl auf seine GP-Laufbahn zurück.

Stefan, das Ziel, in der WM besser abzuschneiden als der Papa, hast du 2011 verwirklicht. Wie fällt deine Bilanz insgesamt aus? Überwiegt das Positive oder das Negative?

Es gibt von beidem einiges zu erzählen. Es sind immer die Momente, die im Gedächtnis hängen bleiben – die schönen und die weniger schönen.
Zum Beispiel 2011beim WM-Finale in Valencia, damals hat sich das kuriose Drama abgespielt: Fährt Marx Márquez beim Moto2-WM-Finale oder führ er nicht. Er hat seine Teilnahme von einem Training zum andern verschoben. Als e dann auch zum Qualifying nicht angetreten ist, war klar: Ich bin mit 274 zu 251 Punkten Weltmeister, auch wenn ich am Sonntag keinen Punkt kassiere.
das war ein nervenaufreibendes Wochenende. Aber irgendwie auch schön. Ich durfte nach dem Rennen, in dem ich gestürzt bin, als neuer Weltmeister auf das Podium steigen. Von da oben als Weltmeister runterzuschauen, das war natürlich auch ein besonderer Moment.
Ich erinnere mich aber auch ganz genau daran, dass dieser Erfolg genau zwei Wochen nach dem tödlichen Unfall von Marco Simoncelli passiert ist.
Das sind so die Momente, die im Gedächtnis hängen bleiben.
Ich kann mich auch an den tödlichen Unfall von Shoya Tomizawa 2010 in Misano noch gut erinnern. Ich war nicht weit hinter ihm, als er gestürzt ist.
Ja, aber im Großen und Ganzen erinnere ich mich auch gerne an meinen ersten Podiumsplatz in der Weltmeisterschaft, 2008 in Katar.
Jeder Erfolg hat seine Besonderheiten gehabt.

Die fünf MotoGP-Jahre haben dir viel abverlangt. Dagegen war die 125er-WM und Moto2-WM fast ein Kinderspiel?

Die Zeit in der MotoGP-WM war extrem hart, aber auch sehr lehrreich. ich glaube, Ich bin in den fünf MotoGP-Jahren auch von einem Buben zu einem Mann geworden.
Ich habe in dieser Zeit einiges gelernt, aber nicht nur ein sportlich, sondern auch privat, ich habe mich menschlich weiterentwickelt.
Aber in der Summe ist schon der Weltmeistertitel das, war immer mein angepeiltes Ziel war. Als ich so ein kleiner Fratz war, habe ich immer einen Papa gefragt und gereizt, indem ich ihn gesagt habe, warum er den Cadalora nicht gepackt hat.
Ich kann mich erinnern, dass er immer gesagt hat, er wünscht mir, dass ich es besser mache. Aber hat auch gesagt: «Mach es zuerst einmal so gut wie ich. Schau’, dass du erst einmal dort hinkommst, wo ich war.» Ich habe natürlich entgegnet: «Ja, kein Problem.»
Vorlaut war ich auch ein bisschen.
Inzwischen ist mir bewusst geworden, dass ich mir damals kein so einfaches Ziel gesetzt habe.
Aber jetzt kann mit diesen Weltmeistertitel keiner mehr nehmen. Ich habe ihn in der mittleren Klasse genau 20 Jahre gewonnen, nachdem mein Papa 250-ccm-WM-Zweiter geworden ist. Das ist schon etwas Besonderes.
Das wird man nie vergessen.

Das GP-Business ist schonungslos und unbarmherzig. Ohne den tödlichen Unfall von Marco Simoncelli wäre bei Honda 2012 vielleicht kein MotoGP-Platz für dich frei geworden? Dann hättest du bei Kiefer eine weitere Moto2-Saison fahren müssen.

Ja, das war eine Situation, die die Feierlaune damals getrübt hat.
Das waren sehr intensive zwei Wochen. Ich bin den Moto2-WM-Lauf in Malaysia gefahren und auf Platz 2 hinter Tom Lüthi gelandet. Ich habe gegen Lüthi gefightet und ihn mir ein bisschen zurechtgelegt. Ich wollte Tom in der letzten Runde austricksen, dann wurde das Rennen abgebrochen... Marc Márquez konnte nach dem Trainingssturz vom Freitag in Sepang nicht starten. Als Sieger in Sepang wäre ich frühzeitig Weltmeister gewesen... Aber eine Stunde später ist Simoncelli tödlich verunglückt. An diesem Abend hätte niemand von uns Interesse gehabt, einen Titelgewinn zu feiern...
Schon vorher in Australien habe ich ein bisschen Nerven gezeigt, als ich auf Phillip Island in der letzten Runde den Fight um Platz 1 gegen De Angelis verloren habe. Ich habe ja vorher noch nie einen WM-Titelkampf geführt und in dieser Hinsicht keine Erfahrung gehabt.
Im Endeffekt war es wichtig, dass ich nach der Saison 2011 die meisten Punkte auf dem Konto hatte.
Wenn ich heute höre, ich sei nur wegen der Verletzung von Márquez Weltmeister geworden, kann ich nur entgegnen: Ich kann nichts dafür, das er an den letzten zwei Rennen nicht teilnehmen konnte. Und ich habe damals 274 Punkte kassiert, Johann Zarco ist zum Beispiel in diesem Jahr mit 276 Punkten Weltmeister geworden, er hatte ein Rennen mehr als ich damals.

(Wird fortgesetzt)

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