Hervé Poncharal (Tech3): Hat er einen Fehler gemacht?

Von Günther Wiesinger
Jonas Folger

Jonas Folger

Tech3-Yamaha-Teambesitzer Hervé Poncharal hat im Oktober alles auf eine vollständige Genesung von Jonas Folger gesetzt. Macht er sich jetzt Vorwürfe?

Der französische Tech3-Yamaha-Teambesitzer Hervé Poncharal schloss die MotoGP-WM 2017 mit seinen Rookies Zarco und Folger auf den Rängen 6 und 10 ab, er freute sich über insgesamt vier Podestplätze (3x Zarco, 1x Folger) und den Gewinn der Rookie-of-the-Year-Wertung, dazu ließ er sich als Besitzer des erfolgreichsten MotoGP-Privattteams ehren.

Im Herbst begann der Kummer mit dem erkrankten Jonas Folger, das deutsche Intact-Team schnappte ihm den talentierten Moto2-Fahrer Xavi Vierge weg, außerdem bangt Poncharal um die Verlängerung des Yamaha-Vertrags, der Ende 2018 ausläuft und dem ihm vielleicht Valentino Rossi streitig machen wird, wenn der Italiener Ende 2018 aufhört und ein eigenes MotoGP-Team gründet.

Und am Dienstag um 22 Uhr wurde Poncharal von Folger-Manager Bob Moore, dem ehemaligen 125-ccm-Motocross-Weltmeister, über den WM-Rückzug von Jonas Folger informiert.

Der Teamchef musste sich eine Woche vor dem ersten Test in Sepang (28. bis 30. Januar 2018) auf die Suche nach einem Ersatzfahrer machen. Doch die Qualität der verfügbaren Lückenbüsser ist überschaubar, um es vorsichtig auszudrücken.

«Wir werden vielleicht einen Fahrer finden, der 50 Prozent von dem leistet, was wir von Jonas erwartet hätten», ist sich der Franzose bewusst, der in seine 20. Saison mit Yamaha geht.

Poncharal weiß, dass Marc VDS-Teamprinzipal Michael Bartholemy sofort um seinen Moto2-Weltmeister Franco Morbidelli bangte, als die komplizierte und langwierige Erkrankung von Folger im Oktober ans Tageslicht kam.

Folger reiste vor dem Motegi-GP aus Japan ab. Sieben Tage später wurde beim Australien-GP bereits diskutiert, ob Morbidelli von der VR46-Riders Academy eventuell zu Tech3-Yamaha transferiert werden könnte, trotz eines MotoGP-Vertrags mit Marc VDS für 2018. Stefan Bradl wurde gleichzeitig mit Marc VDS in Zusammenhang gebracht, er war dort schon vor als Ersatz für Jack Miller (ging zu Pramac-Ducati) ein Thema gewesen.

Denn die Dorna wollte gerne wieder einen Deutschen in der MotoGP-WM sehen, die Zukunft von Jonas Folger erschien schon damals ungewiss.

Aber Rossi machte keine Anstalten zu einem Morbidelli-Transfer, denn Poncharal hielt den zweiten Teamplatz anständigerweise für Jonas frei und wollte keinen Plan B aushecken.

Poncharal bekam die Diskussionen um Morbidelli trotzdem mit. Aber er will jetzt nicht mehr darüber nachdenken, ob er im Oktober anders planen hätte sollen.

«Wir können ewig über die Vergangenheit reden», sagt er im Exklusiv-Gespräch mit SPEEDWEEK.com. «Doch ich hatte einen Vertrag mit Jonas und glaube immer noch, dass Jonas besser ist als Morbidelli. Vielleicht werden wir das nie mehr endgültig klären können. Aber wenn du dir die Daten von Jonas anschaust, seine Fahrweise ist unglaublich eindrucksvoll, das haben auch die Yamaha-Manager erkannt. Jonas war also mein Fahrer für 2018, wir hatten einen gültigen Vertrag. Ich wollte ihm 2018 eine neue Chance geben. Okay, er hat ein mächtiges Burnout erlitten. Es kam zu einem Versagen. Vielleicht habe ich einen Fehler gemacht? Aber was sollen wir tun? Ich kann es nicht mehr ändern; Morbidelli ist leider bei Marc VDS unter Vertrag, ich muss also eine andere Lösung finden. Ich stimme dir zu, man hätte im Oktober Vorkehrungen treffen können; wir können jetzt lange über die Vergangenheit fachsimpeln. Aber das bringt mich nicht weiter. Dadurch wird meine Situation nicht besser.»

Poncharal betont noch einmal, dass er keinen Fahrer kontaktieren und engagieren werde, der einen gültigen Vertrag für 2018 hat.

«Wir müssen die Menschen und Teams respektieren. Marc VDS hat sich sehr bemüht, Morbidelli zu bekommen, sie haben viel Geld in Morbidelli investiert. Er ist der aktuelle Moto2-Weltmeister, er ist ein vielversprechendes Talent. Ich habe kein Recht, die Marc VDS-Organisation zu beschädigen. Ich habe viel Respekt vor Marc van der Straten und seiner gesamten Organisation. Warum sollte ich sie verletzen? Morbidelli ist ein junger Bursche mit viel Talent, sie haben mit ihm viel Publicity. Ich werde ihnen diesen Fahrer nicht abspenstig machen. Denn Morbidelli ist ein Marc-VDS-Fahrer. Auch Dorna-Chef Carmelo Ezpeleta respektiert die Menschen. Deshalb wertschätze ich ihn. Man kann nicht alles für Geld kaufen.»

«Ich verfolge eine gewisse Politik, die ich gerade beschrieben habe. Sie steckt tief in meinem Herzen. Ich habe im Oktober gepokert und gehofft, dass Jonas ganz gesund wird. Ich habe bei diesem Spiel verloren. Das ist klar. Aber weil ich verloren habe, habe ich kein Anrecht, ein anderes Team zu zerstören. Nein, nein», betont Poncharal. «Ich werde sicher jemanden finden, wir werden mit zwei Piloten antreten. Klar, unser neuer Fahrer wird weniger Talent haben als Morbidelli. Aber das lässt sich nicht ändern. Marc VDS und Honda haben auf Morbidelli gesetzt, sie haben ihn unter Vertrag genommen. Ich werde keinen Fahrer angreifen, der nicht frei verfügbar ist. Das ist eine arge Bescherung, Mist, ein großes Problem. Unsere 2018-Resultate werden darunter leiden. Aber wir haben Zarco, 2018 wird vorübergehen, dann kommen die Jahre 2019, 2020 und 2011… Es gibt viel zu tun und zu entscheiden, was die Zukunft betrifft.»

«Die Saison 2018 ist lang und kurz zugleich. Gut, wir haben 19 Rennen. Es können sich schon bei den ersten vier Rennen Entwicklungen ergeben, die uns glücklicher machen. Wir werden sehen», sagt Poncharal, der alle möglichen Moto2-Fahrer abgeklappert hat. «Ich habe in den letzten Tagen mit vielen Moto2-Piloten gesprochen. Aber keiner hat eine Ausstiegsklausel im Vertrag. Klar, so mancher junger Moto2-Pilot würde gerne auf eine M1-Yamaha steigen. Das wäre aufregend für jeden Kandidaten. Aber wir müssen die Verträge einhalten. Sonst müssen wir gar keine mehr abschliessen.»

Poncharal wird deshalb auch keinem MotoGP-Testfahrer von Suzuki (Guintoli), Honda (Bradl) oder KTM (Kallio) Avancen machen.

«Kallio ist sehr wertvoll für KTM. KTM hat sich ihm gegenüber sehr nett verhalten. Man weiß, dass Kallio ein wichtiger Bestandteil der KTM-Organisation ist. Und er hat einen klaren Vertrag», hält Poncharal fest.

Poncharal hat in all den Jahren immer wieder Rückschläge hinnehmen müssen, er hat einst besonders in der 250er-WM schwere Zeiten erlebt. «1994 haben wir mit Protat und Ferro in der 250er-WM ein komplettes Desaster erlebt. Wir haben das ganze Jahr keinen Punkt geholt», erinnert sich Hervé. «Meine Devise: Was dich nicht umbringt, macht dich nur stärker.»

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