Brad Binder: «Titelanwärter? Daran denke ich nicht»

Von Günther Wiesinger
Vor sechs Jahren verkündete KTM-Firmenchef Stefan Pierer den MotoGP-Einstieg. Heute versetzte der grandiose Brad Binder das ganze Werk in Jubelstimmung.

Im Juni 2014 fiel SPEEDWEEK.com beim Mugello-GP auf, dass KTM-Motorsport-Direktor Pit Beirer auffällig in seinem engeren Umfeld viele Fragen zum Thema MotoGP stellte und sich mit etlichen MotoGP-Teammanagern wie Francesco Guidotti unterhielt, auch mit dem ehemaligen Aprilia-MotoGP-Renndirektor Jan Witteveen. Am 31. Juli 2014 verkündete KTM-Firmenchef Stefan Pierer auf SPEEDWEEK.com exklusiv den Einstieg von KTM in die Königsklasse 2017.

Ein paar Monate danach engagierte KTM den langjährigen Honda-Dani-Pedrosa-Crew-Chief Mike Leitner als neuen Projektleiter, der zuerst einmal das Fachpersonal für das Testteam um sich scharte, das 2016 mit Kallio, Lüthi, Abraham und de Puniet auftrat und sich beim Spielberg-Test Ende Juli 2016 erstmals der Konkurrenz mit allen Teams stellte. Es war bei der Generalprobe für die Österreich-GP-Rückkehr nach Spielberg.

Etwas mehr als sechs Jahre nach den ersten Gedankenspielen bejubelt Red Bull-KTM den ersten MotoGP-Sieg, und zwar ausgerechnet an einem Tag, an dem Max Verstappen für Red Bull Racing (mit einem Honda-Motor!) den ersten Formel-1-Saisonsieg der Saison feierte. Und noch etwas ist kurios: Verstappen und Binder fahren beide mit der Startnummer 33.

Red Bull-KTM debütierte 2016 beim Finale in Valencia mit Wildcard-Fahrer Mika Kallio und dann mit dem echten Factory-Team im März 2017 mit Pol Espargaró und Bradley Smith in Doha/Katar. Viele technische Details wurden an der RC16 seither verbessert, nur eines hat sich nicht verändert – das Konzept mit dem Gitterrohrstahlrahmen und der firmeneigenen WP Suspension, was den Österreichern anfangs viel Hohn und Spott einbrachte.

Heute macht sich niemand mehr lustig. Und die Gegner dürfen sich fragen, ob sie sich mit den Alu-Chassis und den Öhlins-Federelementen 2020 immer noch auf dem richtigen Weg befinden.

Binder kam 2014 nach dem Rookies-Cup zu Red Bull KTM zurück – und er kennt seither nichts anderes als Stahlrahmen und WP, und er hat an der Schlagkraft dieses Konzepts nie gezweifelt. Auch Pit Beirer nicht. «Die ersten Exemplare unserer Moto3-Prototypen für 2021 hatten Öhlins-Elemente eingebaut. Ich habe sie sofort durch WP-Produkte ersetzen lassen», erinnert er sich.

KTM erntete auch viel Kritik als der leichtgewichtige Dani Pedrosa als Testfahrer für 20219 engagiert wurde. «He is out of the range», meinte ein gegnerischen Teamchef.

Die namhaften Werksteams schauten ein bisschen von oben herab auf die Neuliung aus Oberösterreich, deren Erfolge sich grossteils auf Dakar und die Cross-WM beschränkten, dazu kamen WM-Titel in der Moto3, die aber keine besondere technische Challenge darstellt. Es geht um 250-ccm-Einzylinder mit maximal 13.500/min.
Aber Pedrosa trug viel zum Turnaround bei KTM bei. «Ganz sicher», meint auch Brad Binder. «Aber es ist ein riesiger ‚team effort‘. Die riesige Anzahl von Techniker, die in unserer Box arbeiten, ist furchterregend. Das hört sich wahnwitzig an. Es ist immer noch etwas, an das ich mich nicht gewöhnen kann. Es helfen so viele Jungs an diesem Projekt mit. Sie drehen jeden Stein um, es wird nicht einmal das kleinste Detail vernachlässigt. Du kannst dir das nicht vorstellen. Ich muss jetzt ein riesiges ‚Dankeschön‘ an jede einzelne Person in meiner Box richten, an KTM, an Red Bull, an alle Bosse. was für ein unglaublicher Tag.»

Jetzt folgen am 16. und 23. August die WM-Läufe von Österreich und der Steiermark in Spielberg. Die Strecke wäre ausverkauft – wie üblich. Aber es werden keine Zuschauer zugelassen.

KTM hätte auch Pol Espargaró gerne bis zu seinem Karriere-Ende behalten, aber er geht zur Repsol-Honda. Man kann sich ausmalen, dass Brad jetzt bald einen neuen KTM-Vertrag bekommt, der für 2021 ist bereits unterschrieben.

«Spielberg ist eine Piste, die mir gefällt, ich bin dort immer gut gefahren», sagt Binder, der dort 2019 den Moto2-WM-Lauuf gewann. «Und es ist der Heim-GP für Red Bull und KTM. Es wird fantastisch. Aber es wird nicht gleicht sein, den Brünn-Erfolg zu übertrumpfen», lachte der Südafrikaner, der im Mai noch den ersten Spielberg-Test von KTM verpasste, weil er in seiner Heimat festsaß. «Aber jetzt feiern wir erst einmal den Brünn-Sieg, und wenn der Freitag näher rückt, machen wir uns Gedanken über Spielberg…»

Brad Binder zeigte schon bei den Jerez-Events eindrucksvollen Speed. Traut er sich jetzt zu, noch ein Titelkandidat für 2020 zu werden? Er hätte von der Rennpace her in beiden Rennen aufs Podest kommen können.

Binder: «Ich war heute in der Früh schon schockiert, als ich im Warm-up Fünfter war. Jetzt muss mir erst klar werden, dass wir heute den WM-Lauf gewonnen haben. Das wird eine Weile dauernd. Ich nehme die Dinge jetzt, wie sie kommen. So habe ich es immer gehandhabt. Ich schaue von Rennen zu Rennen und von Tag zu Tag. So will ich es beibehalten.»

Ergebnis Brünn-GP, MotoGP, 9. August:

1. Binder, KTM, 41:38,764 min
2. Morbidelli, Yamaha, + 5,266 sec
3. Zarco, Ducati, + 6,470
4. Rins, Suzuki, + 6,609
5. Rossi, Yamaha, + 7,517
6. Oliveira, KTM, + 7,969
7. Quartararo, Yamaha, + 11,827
8. Nakagami, Honda, + 12,862
9. Miller, Ducati, + 15,013
10. Aleix Espargaró, Aprilia, + 15,087
11. Dovizioso, Ducati, + 16,455
12. Petrucci, Ducati, + 18,506
13. Crutchlow, Honda, + 18,736
14. Viñales, Yamaha, + 19,720
15. Alex Márquez, Honda, + 24,597
16. Rabat, Ducati, + 29,004
17. Smith, Aprilia, + 32,290
18. Bradl, Honda, + 55,977

WM-Stand nach 3 von 14 Rennen:

1. Quartararo, 59 Punkte. 2. Viñales 42. 3. Morbidelli 31. 4. Dovizioso 31. 5. Binder 28. 6. Zarco 28. 7. Rossi 27. 8. Nakagami 27. 9. Miller 20. 10. Rins 19. 11. Pol Espargaró 19. 12. Oliveira 18. 13. Alex Márquez 13. 14. Mir 11. 15. Petrucci 11. 16. Bagnaia 9. 17. Rabat 7. 18. Aleix Espargaró 6. 19. Crutchlow 6. 20. Smith 5.

Konstrukteurs-WM nach 3 von 14 Rennen:

1. Yamaha 70. 2. KTM 44. 3. Ducati 42. 4. Honda 27. 5. Suzuki 24. 6. Aprilia 11.

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