Yamaha steht vor Einigung mit neuem Kundenteam

Yamaha zu mild bestraft? Dovizioso um Sieg gebracht?

Von Günther Wiesinger
Andrea Dovizioso (04) vor Petrucci und Bradl: Hätte er den Jerez-Sieg verdient?

Andrea Dovizioso (04) vor Petrucci und Bradl: Hätte er den Jerez-Sieg verdient?

Dass die FIM-Stewards die Yamaha-Fahrer beim Jerez-GP trotz illegaler Ventile nicht bestraft haben, stößt auf Unverständnis. Auch das Stillhalten von Ducati ist unerklärlich.

Yamaha hat beim Saisonauftakt in Jerez (17. bis 19. Juli) alle vier MotoGP-Fahrer (Rossi, Viñales, Quartararo und Morbidelli) mit illegalen Ventilen auf die Rennstrecke geschickt. Es handelte sich um Ventile eines unterschiedlichen Lieferanten. Sie waren also in ihrer Machart nicht mit jenen Ventilen identisch, die bei der Abnahme der «2020 engine specification» im März homologiert wurden. Das Design war identisch, das Material offenbar nicht. Sonst wären keine Sanktionen verhängt worden.

Yamaha erreichte in Jerez-1 beim Spanien-GP die Plätze 1 (Quartararo), 2 (Viñales) und 5 (Morbidelli). Rossi fiel mit Motorschaden aus. Am vergangenen Donnerstag wurde Yamaha dieser Schwindel nachgewiesen. Deshalb wurden Yamaha 50 Punkte in der Marken-WM abgezogen. Und die beiden Teams verlieren die in Jerez erworbenen Punkte in der Team-WM, die sowie so nicht sonderlich relevant ist.

Seither stellen sich viele aufmerksame Beobachter die Frage: Warum hat der MotoGP Stewards Panel (mit Ex-Weltmeister Freddie Spencer) den Stand in der Fahrer-WM nicht angetastet und den Yamaha-Fahrern keinen Punkt abgezogen?

Man kann das nur als faulen Kompromiss bezeichnen.

Wir glauben gerne, dass die Fahrer in die Machenschaften von  Yamaha nicht eingeweiht waren. Aber Unwissenheit schützt vor Strafe nicht.

Warum wurden illegale Ventile verwendet? Ganz gewiss nicht aus Versehen, wie Yamaha glaubhaft machen will. Man hat sich wohl eine unerlaubte Performance-Steigerung ausgerechnet, die den Fahrern zugute kommen sollte.

Ob dieser Verdacht stimmt, kann niemand beweisen.

Verwunderlich ist jedenfalls, warum sich die anderen Werksteams diese merkwürdige Rechtsprechung gefallen lassen.

Fakt ist: Das Hersteller-Bündnis MSMA war 2019 nach dem Hinterradflügel-Skandal von Ducati in Katar heillos zerstritten.

Ducati hatte damals behauptet, der Flügel diene zur Kühlung des Hinterreifens. Doch jedes halbwegs aufgeweckte Kleinkind konnte sich ausmalen: Er erzeugt Downforce (Abtrieb), und das widerspricht dem Sinn des Reglements, das aerodynamische Hilfsmittel verbietet.

Aus Ärger und Enttäuschung über diese obskuren Erklärungen hat nach dem abgeschmetterten Protest von Honda, KTM, Suzuki und Aprilia gegen den Dovizoso-Sieg in Katar und dem folgenden Gerichtsverfahren das ganze Jahr 2019 keine MSMA-Sitzung mehr stattgefunden. Erst im Frühjahr 2020 fanden die Werke wegen der Coronakrise allmählich wieder eine Gesprächsbasis.

Jetzt verhalten sich die anderen Werke verdächtig still. Vielleicht will man wegen des neuen Technik-Skandals die Zusammenarbeit in der MSMA nicht wieder aufs Spiel setzen oder eskalieren lassen

KTM nahm nicht Stellung, auch die Fahrer bekamen einen Maulkorb. Suzuki-Manager Davide Brivio wollte keine Kritik üben. Klar, seine Fahrer waren in Jerez nicht betroffen. Es kam keiner ins Ziel. Auch Honda war nicht betroffen, das Werk kämpft 2020 nicht um den Titel. Nakagami wäre nur von Platz 10 auf Platz 7 vorgerückt.

KTM hingegen hätte von einer Disqualifiktion des Yamaha-Trios profitiert: Pol Espargaró wäre vom sechsten auf den dritten Platz befördert worden. Trotzdem ist aus Munderfing keine Stellungnahme zu hören. 

Das Ducati-Management hat sich in diesem Zusammenhang nicht mit Ruhm bekleckert. Denn Andrea Dovizioso wäre bei einer Disqualifikation von Quartararo und Viñales vom dritten auf den ersten Platz vorgerückt. Er hätte neun zusätzliche Punkte ergattert.

Trotzdem hatte Ducati an der Entscheidung der Stewards bisher nichts auszusetzen. Ein populärer Fahrer, der für die Roten dreimal WM-Zweiter wurde und ihnen in acht Jahren 14 MotoGP-Siege bescherte, hätte sich mehr Unterstützung verdient. Und wenn es nur um die entgangene Siegprämie geht!

Da fällt uns ein: Yamaha hat sich in Katar 2019 als einziges Werk dem Protest gegen Ducati nicht angeschlossen.

Vielleicht zeigte sich Ducati jetzt aus Dankbarkeit erkenntlich.
Aber Begriffe wie Dankbarkeit spielen im hart umkämpfen Motorsport auf höchster Ebene üblicherweise keine nennenswerte Rolle.

Vielleicht ist diese Vorgehensweise auch ein weiterer Hinweis darauf, dass Ducati keinen Weltmeister namens Dovizioso haben will, weil dieser mit der Nummer 1 sowieso Reißaus genommen hätte.

Jedenfalls hat die MotoGP-WM wieder einmal den Nachweis geliefert, dass bei der Rechtsprechung keine Beständigkeit und keine Gleichbehandlung existiert. Die Fahrer kritisieren das seit Jahren, zuletzt auch immer wieder bei der Auslegung der Vorschriften zur Nichteinhaltung der «track limits».

Man muss nicht viel Phantasie haben, um sich vorzustellen: Race Director Mike Webb und Technical Director Danny Aldridge hätten anders entschieden.

Denn als sie noch verantwortlich waren, verlor Domi Aegerter 2017 in Misano den Moto2-Sieg, weil unerlaubte Ölzusätze aufgespürt wurden. Und Fabio Quartararo wurde 2018 der Moto2-Sieg in Motegi aberkannt, weil er 0,05 bar zu wenig Luft Hinterreifen hatte.
Beide Fahrer hätten ihre Rennen auch ohne die Schlampigkeiten ihrer Teams gewonnen, zumal Aegerter ein Regenrennen fuhr, ein Ölzusatz sowieso keine zusätzliche Power liefert – und im Regen auch keine Extra-Motorleistung erwünscht wird.

Spencer und Co. sollten nur Vergehen der Fahrer auf der Rennstrecke beurteilen. Bei technischen Angelegenheiten fehlen ihm und den zwei FIM-Funktionären die sachliche Kompetenz. Es müssten in solchen unabhängige Richter entscheiden, die nicht von der Dorna oder FIM bezahlt werden.

Stand Fahrer-WM nach 11 von 14 Rennen:

1. Mir, 137 Punkte. 2. Quartararo 123. 3. Viñales 118. 4. Morbidelli 112. 5. Dovizioso 109. 6. Rins 105. 7. Nakagami 92. 8. Pol Espargaró 90. 9. Miller 82. 10. Oliveira 79. 11. Petrucci 71. 12. Binder 67. 13. Alex Márquez 67. 14. Zarco 64. 15. Rossi 58. 16. Bagnaia 42. 17. Lecuona 27. 18. Aleix Espargaró 27. 19. Crutchlow 26. 20. Bradl 12. 21. Smith 12. 22. Rabat 10. 23. Pirro 4.

Konstrukteurs-WM nach den Sanktionen:

1. Ducati 171 Punkte. 2. Suzuki 163. 3. Yamaha 158. 4. KTM 143. 5. Honda 117. 6. Aprilia 36.

Team-WM nach den Sanktionen:

1. Team Suzuki Ecstar, 242 Punkte. 2. Petronas Yamaha SRT 199. 3. Ducati Team 180. 4. Red Bull KTM Factory Racing 157. 5. Monster Energy Yamaha MotoGP 156. 6. Pramac Racing 128. 7. LCR Honda 118. 8. Red Bull KTM Tech3, 106. 9. Repsol Honda Team 79. 10. Esponsorama Racing 74. 11. Aprilia Racing Team Gresini 39.

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