Yamaha steht vor Einigung mit neuem Kundenteam

Freddie Spencer: Wie er King Kenny entzaubert hat

Von Günther Wiesinger
Freddie Spencer beendete die 500er-WM von 1982 bis 1985 auf den Rängen 3, 1, 4 und 1. Steve McLaughlin war in den USA einer seiner Entdecker und vergleicht ihn mit anderen Stars von Hailwood über Roberts bis zu Márquez.

Honda-Werkspilot «Fast Freddie» Spencer lieferte seinem Landsmann «King Kenny» Roberts (Yamaha) in der Saison 1983 einen erbitterten Kampf um den 500-ccm-WM-Titel. Am Ende entschieden zwei WM-Punkte zugunsten des 21-jährigen Newcomers aus Shreveport (Louisiana), der am vergangenen Montag 60 Jahre alt wurde. Wir nehmen das zum Anlass, um heute und in den nächsten Tagen etwas Rückschau auf die erstaunliche Karriere des hoch begabten Amerikaners zu halten, seinen raketenhaften Aufstieg zu beleuchten und an die zahlreichen Rückschläge zu erinnern, die seine Motorrad-Karriere und sein Privatleben geprägt haben.

Inzwischen ist im Privatleben von Freddie Ruhe eingekehrt. Der 27-malige GP-Sieger (20x 500 ccm, 7x 250 ccm) lebt mit seiner dritten Frau Alexandra in Los Angeles und agiert seit 2019 bei allen Grands Prix als fixes Mitglied des dreiköpfigen «FIM MotoGP Steward Panels».

Der heute 73-jährige Steve McLaughlin, zweifacher Sieger des Daytona 200 (auf BMW 1976, auf Suzuki 1978), wurde für die Saison 1980 mit der Bildung eines Honda-Teams für die US Superbike-Meisterschaft beauftragt. Geld spielte kein Rolle, das Budget betrug 1 Million US-Dollar, also engagierte er vier Fahrer – Freddie Spencer, Ron Pierce, Roberto Pietri – und sich selbst, als rennfahrenden Teamchef.

Honda hatte sich nach der GP-Saison 1967 wie alle japanischen Hersteller aus dem Motorrad-Straßenrennsport zurückgezogen und kehrte dann Ende der 1970er-Jahre zaghaft wieder auf die Rennpisten zurück. Denn die Doktrin des genialen Firmengründers Soichiro Honda lautete: «Without racing, there is no Honda.»

Das American-Honda-Team hatte rund elf Jahre Bestand. Aber der Beginn war holprig, denn die Honda-Ingenieure in Japan mussten das CB 750F-Modell auf 1024 ccm aufbohren, um gegen die überlegenen Bikes der Konkurrenz (Suzuki GS1000 und Kawasaki Z 1000S) mithalten zu können.

Im ersten Jahr stand dem Honda-US-Team 1 Million US-Dollar zur Verfügung, am Ende belief sich das Jahresbudget auf 10 Millionen! So wuchsen die Kosten den Japanern über den Kopf, das Projekt wurde beendet.

Steve McLaughlin hat den Südstaatler Freddie Spencer als respektvollen Fahrer in Erinnerung, der seine drei Teamkollegen trotz seines jungen Alters von 18 Jahren in der US-Saison 1980 vom ersten Tag an mühelos in den Schatten stellte.

Nur drei Jahre später gewann Spencer 1983 mit der neuen NS500-Dreizylinder-Zweitakt-Honda sechs von elf Grands Prix nachdem er die 500er-WM mit 72 Punkten bereits 1982 als Dritter hinter Franco Uncini (Suzuki/103 Punkte) und Graeme Crosby (Yamaha/76 Punkte) beendet hatte.

Übrigens: NS stand für New Stroke, nachdem Honda die Viertakt-Ära endgültig beendet hatte. Die Bezeichnung NSR bedeutete später New Stroke Racing.

«Es hat mir gefallen, wie Freddie dann in der 500er-WM Kenny Roberts in den Arsch getreten hat, zum Beispiel beim Anderstorp-GP 1983, als er in der Zielkurve innen ins Gras und frech an der Werks-Yamaha vorbei gedonnert ist», erinnert sich der redselige «The Mouth» McLaughlin, der in Hollywood aufgewachsen ist und von dem Konkurrent Gene Romero einst sagte: «Wenn Steve sein Hinterrad mit der Zunge antreiben könnte, hätte er 300 PS.»

Tatsächlich wurde Roberts von Spencer so entzaubert, wie der Yamaha-Star 1978 den Suzuki-Star Barry Sheene als 500-ccm-Weltmeister von 1976 und 1977 schwungvoll entthront hatte.

Steve McLaughlin über Sheene: «Barry war immer clever und schlagfertig. Er war auf den britischen Rennstrecken schwer zu schlagen, weil er dort überall 1000 Runden gedreht hatte. Aber insgesamt befand er sich als Fahrer nicht in derselben Liga wie Kenny.»

Allerdings kriegt auch US-Star Roberts sein Fett weg. «Es gab nie ein größeres ‚cry baby‘, als Kenny Roberts. Er war eine Heulsuse und hat ständig gejammert», sagt McLaughlin heute über seinen erfolgreichen Landsmann, der vor seiner ersten WM-Saison 1978 schon drei US-Meistertitel errang, die damals in 27 Wettbewerben und in fünf Disziplinen (Road Race, Short Track, TT Steeple Chase, Dirt Track Mile und Half Mile) ausgetragen wurde.

Kaum jemand traute «King Kenny» damals zu, auch den GP-Sport im Sturm zu erobern. Kenny marschierte 1978 in aller Bescheidenheit gleich in drei WM-Klassen auf: 250 ccm, 500 ccm und 750 ccm.

Vor der ersten kompletten GP-Saison des Kaliforniers Roberts ätzte sogar Jon Ekerold: «Kenny sollte lieber in den USA bleiben. In Europa kann er höchstens seine Legende zerstören.»

«Kenny hat nie einen Fehler eingeräumt. Wenn er versagt hat, war es entweder der Fehler von Crew-Chief Kel Carruthers oder es lag am Bike oder an den Reifen», meint Steve McLaughlin. «Trotzdem, Kenny war schlauer als viele Leute vermutet haben. Er hatte nur ein limitiertes Vokabular...»

Aber Roberts spürte 1983 beim erbitterten Fight gegen «Fast Freddie», dass seine besten Tage vorbei waren.

Als sich der zu allem entschlossene Spencer mit seinen 21 Jahren damals beim Jarama-GP nach 122,5 km mit einem Vorsprung von 0,55 sec knapp durchsetzte, seufzte der entgeisterte 31-jährige Kenny Roberts ehrlich: «Freddie hat 125 Prozent riskiert, ich nur 110.»

«Freddie war zu seiner besten Zeit ein unverdorbenes Genie», lobt Steve McLaughlin seinen ehemaligen US-Superbike-Schützling, von dem er sagt: «Beim zweiten gemeinsamen Rennen habe ich kapiert, dass meine Zeit zum Aufhören gekommen ist.»

«Freddie hat in der 500er-WM von 1982 bis 1985 das verkörpert, was Marc Márquez von 2013 bis 2019 in der MotoGP dargestellt hat», lautet das Resümee von McLaughlin, der noch nie ein Blatt vor den Mund genommen hat. «Márquez war lange Zeit speziell, Freddie ebenfalls. Kenny war sicher der höchsttalentierte ‘allround rider‘, den ich je in meinem Leben gesehen habe. Er hatte auch beim Dirt Track einen besonders Fahrstil und ein außergewöhnliches Talent. Freddie und Márquez waren ebenfalls mit extrem viel Talent gesegnet. Auch Lorenzo hat mir gut gefallen. Aber im Vergleich zu Márquez war er eine kleine Nummer. Wir können uns glücklich schätzen, denn die Menschen in unserem Alter haben großartige Rennfahrer bewundern dürfen.»

«Ich habe Hailwood als bodenständigen Ausnahmekönner bewundert, er hat es zu enormer Beliebtheit und Publicity gebracht. Mike hat Geschichte geschrieben, weil er auf zwei und vier Rädern erfolgreich war. Barry Sheene hat in den ersten Jahren durch seine Rivalität mit Phil Read viel Aufmerksamkeit erregt. Und ich muss voll Hochachtung sagen: Barry war die schillerndste Persönlichkeit im Motorradsport, bis Valentino aufgekreuzt ist.»


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