Yamaha steht vor Einigung mit neuem Kundenteam

MotoGP-Neustart: Wer macht 2023 den Unterschied?

Kolumne von Michael Scott
Die Unterschiede sind gering, das Überholen schwierig, die Herausforderung für die MotoGP-Ingenieure groß: Eine Bestandsaufnahme von SPEEDWEEK.com-Kolumnist Michael Scott.

Probleme mit dem Laptop? Smartphone? Tablet? Jeder kennt doch die erste Maßnahme: Ausschalten, dreimal im Kreis gehen und wieder einschalten. In 99 von 100 Fällen ist das Problem damit gelöst. Neustart erfolgreich.

Motorräder sind für dieses Vorgehen leider weniger empfänglich. Auch nicht die mit Elektronik vollgepackten MotoGP-Bikes.

Einige Ingenieure in Japan und Europa, die ihre drei Runden im Design-Studio bereits gedreht haben, werden sich mit etwas Ernsterem beschäftigen müssen. In der heutigen MotoGP ist es schwieriger denn je, eine auch noch so kleine Verbesserung zu erzielen.

Die Auswirkungen der Vereinheitlichung

Wenn man die Vorgaben bedenkt, dann ist es wenig überraschend, dass sich die Motorräder immer ähnlicher sind und dadurch kleinen Unterschieden eine immer größere Bedeutung zukommt. Alle verfolgen dasselbe Ziel, aber wenn sich die Wege immer weiter annähern, haben die kleinen Dinge eine immer größere Wirkung.

In den längst vergangenen Zeiten, in denen die Freiheiten im technischen Bereich noch größer waren, konnte jemand (sagen wir Honda) ein Motorrad hinstellen, dessen schwieriges Handling durch den leistungsstarken Motor mehr als nur ausgeglichen wurde. Die Yamaha (als Beispiel) punktete mit ihrem sanften Fahrverhalten und dem hohen Kurvenspeed. Suzuki (wieder als Beispiel) war in Sachen Bremsstabilität und Kurveneingang herausragend.

Und so wurde auf der Strecke gekämpft, weil die Fahrer in unterschiedlichen Bereichen Vorteile hatten und ihre individuellen Stärken ausspielten.

Das ist lange her – dank Einheitsreifen, vorgeschriebener ECU und (fast) gleicher Aerodynamiklösungen.

Es gibt noch immer Unterschiede: Ducati hat den starken Motor und die Stabilität auf der Bremse; Yamaha den Kurvenspeed; Aprilia insgesamt die beste Balance; KTM, nun ja, hauptsächlich die Entschlossenheit. Honda dagegen bleibt noch die Hoffnung. Und Marc Márquez. Bei Suzuki sind es nur noch die Erinnerungen (selbst die gehen mit 31. Dezember offline).

Der Kampf um die Hundertstel

Die Klassements sind wunderbar eng, die Rekorde werden regelmäßig gebrochen. 2022 trennten die Top-10 in Silverstone zum Beispiel nur 6,646 Sekunden – zu diesem Zeitpunkt das zweitknappste Ergebnis in der Geschichte (nach dem Katar-GP im Vorjahr mit zehn Fahrern in 5,365 Sekunden). Inzwischen schob sich aber der diesjährige Phillip Island-GP mit 5,940 Sekunden auf Platz 2.

Das tatsächliche Racing dagegen tendiert Richtung Prozession. Auf gar einigen Strecken beklagten die Fahrer in dieser Saison (Jerez ist ein perfektes Beispiel), dass das Überholen beinahe unmöglich geworden sei.

Zu den geringen Unterschieden zwischen den einzelnen Herstellern kamen zwei weitere Faktoren erschwerend hinzu: Die Temperatur und der Luftdruck im Vorderreifen steigt im Pulk stark an, die von der Aerodynamik bedingte Downforce erschwert das Überholen auf der Bremse.

Darunter litt besonders Titelverteidiger Quartararo. Gelang es ihm nicht, von Anfang an in Führung zu gehen, mühte er sich in der Folge oft vergeblich ab.

Den Vorteil musste man also auf einer schnellen Qualifying-Runde suchen, wo die Zeitabstände einmal mehr äußert gering waren. Denn ein Bruchteil einer Sekunde und die damit verbundene schlechte Startposition würden das Rennen ruinieren (Brad Binder ausgenommen).

Wer hat was zu tun?

Die Anforderungen an die Ingenieure sind im Winter klar.

Honda und Yamaha haben am meisten zu tun. Sie müssen zu ihrer Autorität zurückfinden.

Für Honda besteht die Schwierigkeit darin zu verstehen, wo man ansetzen muss. Der größte Verlust war das Fehlen von Marc Márquez. Nicht nur, um für die Entwicklung eine entschiedene Richtung vorzugeben, sondern auch, um für Klarheit und Vertrauen zu sorgen. So bröckelte es unter mehreren Gesichtspunkten, während in keinem Bereich herausragende Leistungen erzielt wurden – obwohl die RC213V zu Beginn der Saison noch als eine bedeutende Verbesserung gefeiert worden war.

Beim 2023er-Prototyp ging es also vor allem darum, wieder neu anzufangen. Angesichts der eingeschränkten Testmöglichkeiten könnte es eine Herkulesaufgabe sein, rechtzeitig zum Start der Saison den richtigen Fokus zu finden.

Yamaha weiß zumindest genau, wo Nachholbedarf herrscht: Beschleunigung und Top-Speed. Das sollte eine lösbare Aufgabe sein, obwohl sich der Valencia-Prototyp nicht als die erhoffte magische Waffe erwies.

Zusätzlich dazu könnte der Schritt zurück zu jenem Chassis, das vor ein paar Jahren mehr Vertrauen vermittelte, dafür sorgen, dass nicht nur Quartararo den Kurvenspeed der M1 nutzen kann.

Die Aprilia RS-GP war 2022 schnell, gut ausgleichen und nicht zuletzt in Sachen Aerodynamik effizient. Ein Feinschliff und ein Jahr mehr Reife für das Motorrad und das Team werden guttun, auch dank der in der Zwischenzeit gesammelten Daten. Davon wird auch Maverick Viñales profitieren, der nun über mehr Erfahrung verfügt.

Eine neue Lackierung (GASGAS) ist bei KTM nicht gleichbedeutend mit einem Neustart, aber nach einer Saison der Konsolidierung erwarten die Rivalen einen erneuten Angriff der finanziell gut aufgestellten und professionellen Mannschaft aus Österreich – nicht zuletzt mit Red Bull-KTM-Neuzugang Jack Miller, der Binder dabei helfen kann, die manchmal übertrieben nüchterne Stimmung aufzuheitern.

Und Ducati? Sie müssen kaum etwas machen. Tatsächlich machen sie am besten nichts. Denn 2022 lag ihre größte Schwäche (abgesehen von den zu vielen schnellen Fahrer) ausgerechnet darin, dass sie im Winter beim Motor zu viel versucht hatten und die Factory-Fahrer in letzter Minute noch einen Schritt zurück machen mussten.

Und wenn dann alles gesagt und getan ist, kommt Michelin mit einem neuen Reifen um die Ecke und alle bisherigen Erkenntnisse sind womöglich schon nicht mehr brauchbar.

Keiner hat gesagt, dass 2023 einfach werden würde.

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