Ein Hoffnungsschimmer bei der KTM AG

Indien-GP: Viel Bürokratie – Wirbel um Fahrerverträge

Von Günther Wiesinger
Die Motorrad-GP-Teams müssen sich vor dem Indien-GP mit gewaltigen bürokratischen Hürden herumschlagen. Aber die MotoGP-Werke werden ihre Fahrerverträge nicht offenlegen.

Im Vorjahr musste der KymiRing-GP als Juli-Termin kurzfristig abgesagt werden. 2023 wurde der Kasachstan-GP auf dem Sokol Circuit vom Spielplan gestrichen, weil die Piste zum festgelegten Zeitpunkt immer noch nicht homologiert werden konnte. Aber am GP von Indien auf dem Buddh Circuit bei Greater Noida (22. bis 24. September) wird die Dorna auf jeden Fall festhalten.

Wegen der Bürokratie hat sich die Formel 1 nach 2011 bald wieder aus Indien verabschiedet – nach dem dritten Event 2013. Die Superbike-WM, die damals noch von Paolo Flammini promotet wurde (seit elf Jahren ist die Dorna zuständig), trat trotz konkreter Absichten nie in Indien auf.

Übrigens: Formel-1-Chef Stefano Domenicali hat bereits im letzten Winter vor den immensen bürokratischen Hürden (Zoll, Einkommenssteuer, Offenlegung von Verträgen usw.) in Indien gewarnt.

Das für 17. November 2014 geplant gewesene Superbike-WM-Finale wurde damals im August kurzfristig abgesagt – ebenfalls wegen der Komplikationen mit den rigorosen Zollbestimmungen.

Offiziell wurden «logistische Probleme» 2014 für die Absage des indischen Superbike-WM-Laufs als Grund angeführt. Zudem war der Zeitpunkt wegen der Ausschreitungen und Massenproteste in Indien gegen Vergewaltigungen von Frauen extrem ungünstig.

Eigentlich sollte die SBK 2014 bereits nach dem Saisonauftakt in Australien (10. März) in Indien aufmarschieren. Doch die indische Motorrad-Föderation FMSCI, der Motorrad-Weltverband FIM sowie der neue Superbike-WM-Vermarkter Dorna konnten die Zollprobleme wie in den Jahren vorher schon SBK-Promoter Flammini nicht lösen. Auch eine erstmalige Austragung 2015 scheiterte wieder; dann wurde es still um die internationalen Rennen auf dem Buddh Circuit.

Auch die Dorna unternahm keine Anstrengungen mehr in Indien, bis sie 2022 von hochrangigen Politikern und Behördenvertretern kontaktiert wurde.

Eines ist klar: Wenn die Inder dem MotoGP-Tross nicht die weltweit üblichen Erleichterungen bei der Zollabfertigung, Steuern und so weiter zugestehen, wird nach 2023 womöglich nie mehr ein MotoGP-Rennen in Greater Noida ins Programm kommen.

Die Dorna entsendet jetzt schon eigenes Personal zur Unterstützung der heimischen Funktionäre nach Indien.

«Das Rennen wird in diesem Jahr über die Bühne gehen», ist ein namhafter MotoGP-Teamchef überzeugt. «Aber es gibt einige zusätzliche unerwartete Komplikationen, was den ganzen Haufen Dokumente betrifft, die in Indien für unseren Auftritt vorgelegt werden müssen. Wir werden diese Anforderungen erfüllen. Aber man hätte uns rechtzeitig auf diese Komplikationen hinweisen müssen, nicht erst Ende Juli 2023.»

Denn In Italien befinden sich die Werke im August zum Beispiel in den Betriebsferien – und haben nur zehn Prozent der üblichen Arbeitskräfte in den Büros.

Indien: Superbike-WM scheiterte schon 2011

Schon zu Flamminis Zeiten kam es 2011 zu einem Drei-Jahres-Vertrag mit den Indern für die Superbike-WM. Schon damals wurde eine Riesensumme als Zollkaution verlangt, um sicherzustellen, dass das SBK-Material von Flammini und den Teams auch wieder exportiert werden kann. Es wurde eine Ausnahmeregelung von den Behörden gefordert, aber der Sportminister wollte sich nicht herablassen, mit dem Finanzminister zu sprechen. Und da der lokale Promoter über unzureichende politische Kontakte verfügte, wurde der WM-Lauf abgesagt.

Die Teams wussten damals: Sie würden die saftige Zollkaution womöglich erst nach einem Jahr zurückbekommen – und 5 Prozent würden einbehalten.

Die Teams sind überzeugt, die Dorna-Verantwortlichen hätten die Komplexität der bürokratischen Hürden in Indien unterschätzt. Deshalb versinken die Werke und Teams jetzt in Arbeit, um im August alle nötigen Dokumente vorlegen zu können.

Die Inder verlangen jetzt sogar eine Offenlegung der Fahrerverträge, denn sie möchten am liebsten durchsetzen, dass der 20. Teil der Fahrergagen als Einkommen in Neu Delhi abgeführt wird.

Doch die Rennfahrer zahlen üblicherweise dort Steuern, wo sich der Mittelpunkt ihrer Lebensinteressen befindet – also zum Beispiel in ihrem Heimatland, in Andorra, Monte Carlo, in der Schweiz oder auf der Isle of Man.

«Wir werden unsere Fahrerverträge nicht offenlegen», versicherte ein namhafter MotoGP-Teamprinzipal gegenüber SPEEDWEEK.com.

Die Werke klären jetzt bei ihren Niederlassungen in Indien ab, was wirklich Pflicht ist.

Pierer-Gruppe legt die Fahrerverträge nicht offen

Auch die Teams der Pierer Mobility AG mit den Marken KTM, GASGAS und Husqvarna sind mit logistischen Problemen im Zusammenhang mit dem Indien-GP konfrontiert.

«Der bürokratische Aufwand für dieses Rennen ist wirklich unglaublich», stellte Pierer-Mobility-Motorsport-Direktor Pit Beirer fest. «Wir haben sehr viele professionelle Leute in der Firma und beschäftigen mittlerweile eine gesamte Finanzabteilung mit diesem Grand Prix, damit wir steuerlich keine Fehler machen. Wir müssen gewisse Verträge splitten und ein Zwanzigstel aus den Verträgen herausrechnen. Der bürokratische Aufwand ist enorm.»

Auch die Pierer-Gruppe wird die Fahrerverträge gegenüber den indischen Behörden nicht offenlegen. «Das dürfen, werden und können wir rechtlich gar nicht. Es steht in jedem Vertrag drin, dass dritte Parteien über den Inhalt der Verträge nicht informieren dürfen. Das wird also nicht passieren.»

«Wenn jetzt alle Teams im Fahrerlager sämtliche Fahrerverträge offenlegen und irgendeine Person bei dieser indischen Event-Agentur, alle Einzelheiten und Zahlen auf den Tisch bekommt, kann er mit diesem exklusiven Wissen eine neue Fahrer-Management-Agentur gründen. Denn diese exklusiven Kenntnisse hat kein Mensch im Fahrerlager. Deshalb glaube ich nicht, dass irgendjemand die Fahrerverträge und Gagen offenlegen wird.»

Dorna-CEO Carmelo Ezpeleta ist überzeugt, die Zollprobleme rechtzeitig bis zum GP-Termin lösen zu können. «Für die Motorradwerke ist ein Grand Prix in Indien wegen des riesigen Markts sehr wichtig», erklärte der Spanier im Gespräch mit SPEEDWEEK.com.

Die Inder haben mit der Dorna einen GP-Vertrag für fünf Jahre mit einer Option auf fünf weitere Jahre vereinbart.

Und es zeichnet sich ab: Wenn sich der Grand Prix 2023 als unlösbaren Herausforderung entpuppt, wird nach der Formel 1 und der Superbike-WM künftig auch der MotoGP-Zirkus einen Bogen um das Land mit den 1,4 Milliarden Einwohnern machen.

Der MotoGP-Kalender 2023

26. März: Portimão/Portugal
02. April: Termas de Río Hondo/Argentinien (F1 Australien)
16.
April: Circuit of The Americas/Texas
30. April: Jerez/Spanien (F1 Aserbaidschan)
14.
Mai: Le Mans/Frankreich
11. Juni: Mugello/Italien
18. Juni: Sachsenring/Deutschland (F1 Kanada)
25. Juni: Assen/Niederlande
06. August: Silverstone/GB
20. August: Red Bull Ring/Österreich
03. September: Catalunya/Spanien (F1 Italien)
10. September: Misano/Italien
24. September: Buddh Circuit/Indien (F1 Japan)
01. Oktober: Motegi/Japan
15. Oktober: Mandalika/Indonesien
22. Oktober: Phillip Island/Australien (F1 Austin)
29. Oktober: Buriram/Thailand (F1 Mexiko)
12. November: Sepang/Malaysia
19. November: Losail Circuit/Katar (18.11. F1 Las Vegas)
26. November: Valencia/Spanien (F1 Abu Dhabi)

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