KTM: Im Werk gingen die Lichter aus

Pit Beirer: So hat KTM entwickelt

Von Werner Jessner
2023 war KTM erster Verfolger von Meisterschafts-Dominator Ducati. Diese Saison will man die Lücke schließen. KTMs Motosport-Direktor gewährt exklusiven Einblick in die Arbeit am Bike für Jack Miller, Brad Binder & Co.
Wo lag der Fokus bei der Entwicklung?

Im totalen Detail. MotoGP ist so eng da vorn an der Spitze, es wurde so extrem entwickelt die letzten Jahre, dass es schwierig ist, das Rad neu zu erfinden. Ein großer Entwicklungsschritt würde das Risiko in sich bergen, nicht mehr nur drei oder vier Zehntelsekunden zurückzuliegen wie letzte Saison, sondern möglicherweise noch weiter. Unsere Fahrer sind mit der RC16 in ihren Grundzügen happy. Was wir alle wollen: Ein bisschen mehr Grip. Ein bisschen besseres Turning. Ein bisschen mehr Stabilität auf der Bremse. In diesen Bereichen haben wir an den Feinheiten gefeilt.

 

Wie sieht das in der Praxis aus?

Jede Abteilung war angehalten, eine Kleinigkeit mit auf den Tisch zu bringen: Elektronik, Motor, Chassis, Suspension. Bei der Motor-Performance haben wir ganz klar zugelegt. Aber das musst du mit der Elektronik verknüpfen. Wenn es ums «Turning» geht, brauchst auch das Chassis und das Fahrwerk dafür, die das zulassen. Letztere müssen wieder perfekt mit den Reifen zusammenarbeiten. In Summe haben wir viele kleine Veränderungen vorgenommen, die einander beeinflussen und sich überlagern.

 

Welchem Fahrer habt ihr bei der Entwicklung wie genau zugehört?

Jack Miller hat unser Motorrad schon maßgeblich beeinflusst mit seinem Wissen von Ducati, gerade letztes Frühjahr. Auch bei der Elektronik-Entwicklung hat er uns einige Tipps gegeben, was er sich wünscht. Einiges konnten wir sofort umsetzen, anderes waren Langzeit-Projekte. Obwohl wir letzte Saison bezüglich Ergebnisse schwierige Tage miteinander hatten, trägt das Bike in vielen Bereichen schon seine Handschrift. Jack weiß, was er will. Er war eine Bereicherung und hat uns besser gemacht. Auf der anderen Seite haben wir mit Brad Binder eine stabile Größe in unserem Team. Es ist unsere Pflicht, ihm das Werkzeug so in die Hand zu geben, dass er sich damit wohl fühlt. Pedro Acosta muss sich jetzt mal eingrooven. Bei Augusto Fernández kommen langsam die Wünsche und Vorstellungen, was er braucht.

 

Viele Experten sehen euch als größten Verfolger von Ducati, manche sogar auf Augenhöhe. Wie sieht es der Chef?

Das Ziel ist natürlich, erster Herausforderer zu sein. Ducati macht einen gewaltigen Job. Unter ihren acht Fahrern Francesco Bagnaia, Enea Bastianini, Fabio di Giannantonio, Jorge Martín, Franky Morbidelli und den beiden Márquez-Brüdern Marc und Alex schlummern einige Hochkaräter. Sie sind sicher, die, die es zu schlagen gilt. Aber wir sind schon auch gut aufgestellt. Letztes Jahr haben wir uns als ihr härtester Widersacher positioniert. Jetzt müssen wir schauen, wie Honda und Yamaha mit ihren concessions aus der Winterpause kommen. Aprilia macht seine Sache sehr gut. Die Position des ersten Herausforderers musst du dir erst verdienen. Du musst fleißig weiterarbeiten. Ganz klar: Wir wollen Ducati herausfordern. Nicht: Schauen wir mal, was passiert. Wir haben uns vorbereitet und weitere Schritte gemacht. Ob es reicht? Auch wir werden das erst in den kommenden Wochen sehen. Aber dass wir hart gearbeitet haben, das kann ich versprechen.

 

Die Japaner werden schon ein paar Rennen brauchen, bis die concessions greifen, oder?

Es kann ganz schnell gehen. Es war ja nicht so, dass sie von den Rundenzeiten ganz weit weg gewesen wären. Es gab ein paar Podien, es gab den Honda-Sieg beim Austin-GP. Es wird nicht ewig dauern, bis sie zurückschlagen. Ihr größter Vorteil: Dass sie mit den Rennfahrern testen können, so oft sie wollen und wo sie wollen. Aber wir wollen auf das concessions-Thema keine Energie mehr verschwenden. Die Regeln sind jetzt klar und für alle gleich. Wir haben kein Interesse daran, unsere concessions zurückzubekommen. Das würde nämlich bedeuten, dass wir eine verdammt schlechte Saison abgeliefert haben. Wir sind so knapp dran, und ich habe das Gefühl, dass unsere Mannschaft noch nie so stark war. Wir mussten einfach gewisse Dinge lernen, von denen wir keine Ahnung hatten. Das Puzzle wird immer kompletter und es macht immer mehr Spaß, an unserem Projekt zu arbeiten.

 

Ist über den Winter neues Schlüsselpersonal dazugekommen?

Wir konnten uns auf der Elektronik-Seite noch mal verstärken. Aber schon letztes Jahr waren wir stabil aufgestellt. Mit dieser Mannschaft kann man weiterziehen.

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