Ein Hoffnungsschimmer bei der KTM AG

Portimão: Ist die Strecke sicher genug?

Von Werner Jessner
Dank Airbags und generell verbesserter Sicherheitsausrüstung verlaufen viele Stürze in der MotoGP glimpflich. Wenn trotzdem etwas passiert, dann sehr oft in Portugal. Warum ist das so?

Die Statistik lügt nicht: Seit Portimão 2020 in den WM-Kalender aufgenommen wurde, gehört die aufregende Strecke an der Algarve zu den sturzträchtigsten im Kalender. Allein im letzten Jahr verzeichnete man am GP-Wochenende 57 Crashes. Gravierender war jedoch jener Sturz, den Franky Morbidelli vor Saisonstart 2024 bei einem Privattest mit anderen MotoGP- und Superbike-Stars fabrizierte. Es gibt keine Fotos, Morbido selbst fehlt jegliche Erinnerung, darum ist es kaum möglich, den Unfall zu rekapitulieren. Fest steht nur: Nach Kurve 12 musste er sich von seiner privaten Ducati Panigale trennen und schlug mit dem Helm voran auf dem Asphalt auf. «Ein seltsamer Crash,» sinnierte er Wochen später, denn: «Ich habe den Kies nie berührt.» Das spricht gegen einen Lowsider, bei dem er einfach weggerutscht wäre.

Wegen seiner Gehirnerschütterung versäumte er beide Pre-Season-Tests in Sepang und Doha, und das war noch ein Glück: Wären die beiden Márquez-Brüder Marc und Alex nicht des Weges gekommen und hätten erste Hilfe geleistet, bis der Notarzt eineinhalb Minuten später eintraf – wer weiß, was geschehen wäre.

Oder Jorge Martín im FP3 des Jahres 2021. Da verließ er sein Motorrad am Ausgang der schnellen Kurve 7 ungeplant. Um ein Gefühl für die Energie zu bekommen: Die Airbag-Sensoren von Alpinestars maßen unfassbare 5,2 Sekunden vom Zeitpunkt des Auslösens bis zum vollständigen Stillstand. Das ist in etwa so lang, wie Sie gebraucht haben, um den letzten Absatz zu lesen. Maximale Verzögerung: 26G. Martín wiegt 63 Kilo, mit Ausrüstung locker 70 kg. Beim heftigsten Aufprall wog er mit mehr als 1.800 kg so viel wie ein Mittelklasse-Kombi, bei 7 (!) weiteren Bodenberührungen in der Gegend von 20G jeweils so viel wie ein Kompaktwagen, bevor er endlich zur Ruhe kam. Die Folge: multiple Knochenbrüche und Operationen, Saison und Selbstvertrauen schwer beschädigt.

Fahrer nicht gebremst

Nicht viel besser war jener Unfall in der letzten Saison, der Pól Espargaro vom hoffnungsvollen Rennfahrer zum Edel-Tester gemacht hat, wie sich herausstellen sollte: Diesmal passierte es in Kurve 10. Dort verlor er das Heck seiner RC16 und ging wüst ab. Auslöser war diesmal eine zu kalte Reifenflanke gewesen. Die dramatische Folge eines Crashes, der an der Streckenbegrenzung endete, weil auch er vom Kies kaum gebremst wurde: drei gebrochene Wirbel, Unterkiefer entzwei, Handbruch, Lungenquetschung plus ein paar – vergleichsweise – Kleinigkeiten.

Aber auch auf vier Rädern ist Portimão immer wieder für ungute Schlagzeilen gut. Letztes Jahr gingen Fotos um die Welt, die einen Porsche zeigten, der auf den Sitzen der Tribüne lag. Nachdem das Gaspedal stecken geblieben war, wurde der 911 GT3 über einen Kerb ausgehoben und kam erst im Publikumsbereich zur Ruhe. Auch hier bremste das Kiesbett die kinetische Energie nicht stark genug ab.

Der Grund dafür ist die Art des Materials, mit der die Auslaufzonen der Stecke gefüllt ist. Während auf den meisten Strecken runder Schotter liegt, ist es in Portugal gebrochener. Den Unterschied kann jedermann selbst herausfinden, indem er versucht, auf Rollschotter zu gehen, etwa in einem ausgetrockneten Flussbett – oder im Vergleich auf gebrochenem Fels ähnlicher Größe, wie er in Schottergruben vorkommt. Das Gehen auf rundem Schotter ist weitaus anstrengender, die Energie gleitet förmlich ab. Und das ist genau das, was man von einem sicheren Kiesbett will – insbesondere auf einer so schnellen Strecke wie Portimão mit ihren blinden Ecken und Höhenunterschieden.

Für 2024 hat man wieder einmal versprochen, sich der Kiesbetten anzunehmen. Wir werden berichten.

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