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MotoGP: Live-Übertragung nach wie vor das Wichtigste

Von Adam Wheeler
Fast 200 Fachleute für die Live-Übertragung entsendet die Dorna für jedes Rennen

Fast 200 Fachleute für die Live-Übertragung entsendet die Dorna für jedes Rennen

In Teil 2 unserer Reihe über die TV-Produktion für die MotoGP erläutert Regisseur Sierra, warum die Live-Übertragung nach wie vor entscheidend ist, was wann gezeigt wird und wie im Falle eines Unfalls gehandelt wird.

Dorna Sports entsendet fast 200 Fachleute zu jedem Rennen der MotoGP, um mehr als 36.000 Stunden Live-Fernsehübertragung zu liefern und Verträge mit 117 Medienpartnern in 200 Ländern zu erfüllen. Das ist eine der Haupteinnahmequellen für das Unternehmen und die Meisterschaft, aber die Erstellung eines «Live-Feeds», der Aufnahmen aus verschiedenen Blickwinkeln, Berichte und die Filterung in OTT-Inhalte (Over-the-top content; Inhalte, die direkt übers Internet an den Kunden gehen) umfasst, ist auch mit erheblichen Kosten verbunden.

Es gibt ein Netzwerk an der Strecke mit mehr als 20 und manchmal fast 30 Einheiten, sowie Onboards, Remote-RFs (Radiofrequenzkameras), Drohnen, eine Helikamera und sogar autonome Technologie – also Kameras, die das Geschehen ohne menschliches Zutun filmen. Der Feed kann während eines Grand-Prix-Wochenendes auf Beiträge von über 150 Kanälen zurückgreifen, und dahinter steht eine ganze Armee von «Technikern, Regisseuren, Grafikern, Replay-Operatoren und Journalisten», erklärt Dorna-Live-Direktor Enrique Sierra im exklusiven Gespräch mit SPEEDWEEK.com-Autor Adam Wheeler.

Live-Sport ist nach wie vor ein Publikumsmagnet für Fernseh- und Streaming-Anbieter und für Veranstalter unverzichtbar. In einem Artikel aus dem Februar zitierte Forbes.com eine Studie von Ampere Analytics, wonach Streaming-Dienste im Jahr 2025 «ein Fünftel der weltweiten Ausgaben für Sportrechte ausmachen und über 12 Milliarden US-Dollar erreichen werden». Man könnte argumentieren, dass Fans und Zuschauer Sport auf unterschiedliche Weise konsumieren: zeitversetzte Übertragungen, Clips in sozialen Medien, Highlights auf YouTube und anderen Medien, aber Sierra sagt, dass die Wurzel aller bewegten Inhalte der Live-Feed ist: «Die Live-Übertragung ist nach wie vor das Wichtigste», erklärt er. «Ich denke, sie ist die Grundlage. Ohne Live-Übertragung hätten wir keine Social-Media-Inhalte, aber das ändert sich gerade ... und deshalb müssen wir weiter daran arbeiten, dass wir die Technologie haben, die wir wollen und brauchen. Die Live-Übertragung muss weiterhin erstklassig sein, und die Übertragungspartner bezahlen für dieses Produkt. Es handelt sich um einen Premium-Service in der Berichterstattung.»

«Es gibt immer Budgetdiskussionen», verrät Sierra hinsichtlich der Aufteilung zwischen Investitionen für die Strecke und mehr Ressourcen für soziale Medien. «Derzeit haben wir unser Budget für ein paar Jahre bestätigt, aber wenn wir uns verbessern wollen, müssen wir weiter investieren. Wir befinden uns jetzt (mit den Anforderungen der sozialen Medien, Anm.) in einer anderen Situation als noch vor fünf Jahren.»

Der 51-jährige Spanier steht an der Spitze der umfangreichen TV-Struktur von Dorna Sports und einer Abteilung, die dank des Elans von Menschen wie Sergi Sendra und Manel Arroyo, die eine große visuelle und kommerzielle Basis für die Serie geschaffen haben, stets nach neuen und innovativen Wegen gesucht hat, um die Grands Prix im Fernsehen zu übertragen. Die TV-Einnahmen tragen dazu bei, große Teile des Fahrerlagers zu finanzieren. Sierra ist für das Signal der MotoGP-Klasse verantwortlich, während er für andere Kategorien andere Regisseure hat. Die Produktion am Renntag gleicht der Koordination eines großen Symphonieorchesters.

«Es ist wichtig, dass das Team zufrieden und motiviert ist», beschreibt er. «Man möchte die ‹Geräusche› um sich herum reduzieren. Es ist, als wäre man zwei Stunden lang in einer anderen Welt. Man konzentriert sich nur auf das Rennen und das Team. Das Geheimnis ist, ruhig, aber schnell zu sein. Außerdem muss man die Geschwindigkeit oder den Rhythmus der Arbeit ändern, da es viele Regisseure gibt, die immer ‹aufgedreht› sind und nach den richtigen Kamerawinkeln rufen, wenn das Rennen gerade ruhig ist.»

«Man kann schnell umschalten und schnelle Sequenzen erstellen, die dem Zuschauer das Gefühl geben: ‹Wow, schau mal, was da passiert!› Das gilt besonders für Überholmanöver», fügt er hinzu. «Man hat eine Methode für die Sequenzierung, und dann kommt es darauf an, was im Rennen passiert. Wir haben 60 Onboard-Kameras und 16 Kanäle, und man kann zwischen Vorder- und Rückseite schneiden. Das ist wichtig, denn wenn man im falschen Moment zur Strecke schneidet, kann man das Gefühl für die Action verlieren. Das ist entscheidend, und es passiert auch in Hundertstelsekunden.»

Die Berichterstattung über Unfälle ist ein kontroverses und heikles Thema. Der letzte tödliche Unfall im Grand-Prix-Bereich ereignete sich bei der Qualifikation zum GP von Italien 2021 in Mugello, als Jason Dupasquier verunglückte. Aber auch die Unfälle von Pol Espargaro (Portimao), Pecco Bagnaia (Katalonien) und Jorge Martin (Katar) in den letzten Saisons sowie Aufnahmen von Teams und Familienmitgliedern in der Boxengasse haben zu Diskussionen darüber geführt, was die Dorna im Fernsehen zeigen sollte und wen.

Sierra ist sich der schwierigen Balance zwischen Sensibilität und informativer Berichterstattung bewusst. «Man muss schnelle Entscheidungen treffen. Man sieht das Bild und muss dann entscheiden, ob man zu einer anderen Einstellung schneidet, weil es dramatisch ist», erklärt er. «Man muss vorsichtig sein ... und diese kritischen Momente sind sehr schwierig. Die menschliche Seite zu zeigen, ist Teil des Rennsports, Teil der Geschichte. Es kommt in diesem Moment auf das Gefühl und den Instinkt an. Hinter mir stehen Journalisten und andere Verantwortliche, die helfen können und vielleicht sagen: ‹Das ist ein schlimmer Sturz...›. Wir überprüfen die Wiederholungen (abseits der Live-Übertragung, Anm.) und wenn sich der Fahrer nicht bewegt oder in einer schlechten Verfassung ist, achten wir darauf, was wir zeigen. Es ist seit dem Unfall von Simoncelli (Malaysia 2011, Anm.) so, dass wir keine Wiederholungen zeigen, bis sich der Fahrer zu bewegen scheint und in Ordnung ist.»

Die MotoGP ist ein Sport- und Unterhaltungsprodukt, doch der Verantwortliche für die TV-Übertragung ist sich seiner Verpflichtung bewusst. «Es ist ein spektakulärer Sport, aber natürlich wissen wir, dass die Fahrer mit ihrem Leben spielen», sagt er.

Die MotoGP umfasst mittlerweile 22 Grands Prix und 8 Überseerennen, und die globale Expansion der Dorna könnte einer Überprüfung unterzogen werden. Dank schneller Glasfaserleitungen könnten immer mehr Grands Prix von der Einsatzzentrale des Unternehmens außerhalb von Barcelona aus geleitet werden. Die Formel 1 verfügt bereits über eine geteilte Struktur mit einem Event Technical Centre an jeder Rennstrecke und dem Media & Technology Centre in Biggin Hill im Süden Englands, wo die Produktionen zusammengestellt werden. Sierra möchte jedoch weiterhin, dass sich die Leitstelle der Dorna vor Ort an den Strecken befindet. «Aus vielen Gründen», sagt er. «Zum einen wegen der Atmosphäre und der Spannung des Rennens und der Verbindung zu den Teams. Zum anderen wegen der Möglichkeit, schnell zur Strecke zu gelangen, um eine neue Kameraposition zu testen.»

Sierra ist selbst begeisterter Motorradfahrer und fährt am Tag vor dem Grand Prix sogar mit einer offiziellen BMW die Runden, um ein optimales Gefühl für die Strecke und den Veranstaltungsort zu bekommen. «Für die Fernsehregie ist es wichtig, den Sport und die Disziplin zu verstehen. In meinem Fall verschafft mir das Fahren ein Gefühl für die Strecke, das ich dann ins Fernsehen übertragen kann. Das ist ein Vorteil. Wir tun alles, um zur Elite der Fernsehsportproduktion zu gehören.»

Er räumt jedoch ein, dass die Zeiten, in denen man eine komplette Ausrüstung zu 22 Grands Prix transportieren muss, bald vorbei sein könnten, sobald dies finanziell sinnvoll ist. «Die Zukunft scheint in der Fernproduktion zu liegen», räumt er ein. «Das ist eine technologische Frage. Es gibt einen Kostenfaktor, und das Budget für die Reisen und die gesamte Crew vor Ort ist mehr oder weniger dasselbe (wie bei der Verwendung von Glasfaser, Anm.). Ich denke jedoch, dass sich dies in Zukunft ändern wird und es günstiger sein wird, in Barcelona zu sein als an der Rennstrecke.»

Die Frage, wie die Dorna ihre Live-TV-Übertragung in Zukunft verbessern könnte, gibt Anlass zum Nachdenken. «Das ist eine gute Frage. Vielleicht sind wir jetzt auf einem Niveau, auf dem wir mehr verlieren als gewinnen können. Es ist sehr befriedigend, eine gute Berichterstattung über ein gutes Rennen zu erstellen. Man hat viele Werkzeuge, viele Kameras. Wie können wir uns verbessern? Natürlich haben wir neue Kameras und neue Onboard-Kameras. Die Dinge ändern sich immer.»

Teil 1 des Gesprächs mit Enrique Sierra finden Sie hier.

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