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Jack Miller (Honda): «Es ist wie in der Moto3-Klasse»

Von Günther Wiesinger
Jack Miller wundert sich über die knappen Zeitrückstände in der MotoGP-WM. «1,3 Sekunden trennen den Ersten vom 21.», hält er fest. Der Rookie spricht offen über seine schwierige Lernphase.

Man sollte die fahrerischen Darbietungen von MotoGP-Rookie Jack Miller (20) nicht unterschätzen. Es ist beachtlich, was der Aufsteiger in seiner ersten Saison auf der rund 260 PS starken 1000-ccm-Honda vollbringt, wenn man bedenkt, dass er bis vor fünf Monaten noch ausschliesslich mit der 55 PS starken 250er-Einzylinder-KTM unterwegs war.

Klar, «JackAss» schaffte im Katar-Qualifying auf der Open-Honda RC213V-RS des CWM-LCR-Teams nur den 22. Startplatz unter 25 Teilnehmern. Und er stürzte im Rennen in der letzten Runde beim Versuch, den Tschechen Karel Abraham vom 18. Platz zu verdrängen.

Klar, Platz 18 ist einfach kein zufriedenstellendes Ergebnis, wenn man 2014 Vizeweltmeister in der Moto3-Klasse war und sechs WM-Rennen gewonnen hat.

Aber: Miller lag nach den drei freien Trainings nur 1,340 Sekunden hinter der Bestzeit und im Qualifying 1 büsste er 2,174 Sekunden ein.

Deshalb wirkt Jack Miller keinesfalls zerknirscht. Er weiss, er muss 2015 als Lernjahr betrachten, auch wenn Teambesitzer Lucio Cecchinello hohe Erwartungen an Miller hat. Er will, dass der Australier die Open-Class gewinnt und am Jahresende in der WM-Gesamtwertung unter den Top-Ten liegt.

Jack, du verbesserst ständig deine Rundenzeiten, du rückst näher zur Spitze ran, aber du bleibst immer am 21 oder 22. Platz sitzen. Wie ärgerlich ist das?

Ja, du weißt, es ist im Moment nicht einfach. Es ist erstaunlich für die Weltmeisterschaft. Ich denke, ich hätte mir kein schwierigeres, konkurrenzfähigeres Jahr für mein Debüt aussuchen können. Alle Bikes sind konkurrenzfähig, alle Motorräder sind auf einem wirklich guten Level. In den letzten sechs Jahren ist es nie so eng zugegangen wie jetzt. Es ist, als wäre ich wieder in der Moto3 gelandet...
Richtig, jedes Mal wenn ich das Bike bewege, gelingt mir eine bessere Rundenzeit. Ich fühle mich von Tag zu Tag wohler und komfortabler auf der Maschine. Ich ändere meinen Fahrstil, ich mache ständig Fortschritte, ich steigere mich sehr deutlich. Ich fühle mich körperlicher allmählich stärker.
Aber an meiner Position ändert sich nichts. Katar war mein erstes MotoGP-Rennen. Ich habe nur 1,3 Sekunden verloren. Ich kann mich nicht erinnern, dass in der MotoGP-WM der 21. oder 22. nur 1,3 Sekunden hinten lag. Viel mehr kann man von einem Rookie nicht erwarten, das ist sicher.

Du hast noch Mühe, den Grip des weichen Hinterreifens richtig auszunützen?

Ja, da nützen wir das volle Potenzial noch nicht aus. Ich muss noch rausfinden, wie ich ihn zu meinen Gunsten nützen kann. Bisher fahre ich mit dem harten Hinterreifen die gleichen Zeiten wie mit dem weichen. Ich möchte die Vorteile des weichen Gummis demnächst zu meinem Vorteil nützen.

Du ärgerst dich über deine Platzierungen. Aber gleichzeitig musst du Geduld zeigen, denn die Fahrer vor dir sind keine Nasenbohrer. Wir reden da zum Beispiel von Bautista, Abraham, Laverty, Bradly, Hayden, di Meglio, Barbera, Redding und Vinales. Lauter Piloten mit viel Erfahrung, auch in der Moto2, die du übersprungen hast.

Genau, genau. Jetzt sagst du es. Das sind erfahrene Gegner. In der MotoGP-WM sind viele starke Fahrer versammelt.

Deine Gegner haben insgesamt 28 WM-Titel und 391 GP-Siege errungen.

Ja, das ist eine starke Gruppe von Leuten... Es ist nicht einfach. Nichts in diesem Spiel ist einfach.
Ich bin happy, bereits auf diesem Niveau zu sein, schliesslich komme ich aus der Moto3. Viele Leute haben bezweifelt, ob wir überhaupt konkurrenzfähig sein können.
Immerhin zeigen wir, dass wir nicht so weit weg sind. Und wir bemühen uns, weiter Fortschritte zu machen.

Vergleichst du deine Leistungen in erster Linie mit den andern Open-Class-Piloten?

Ich fahre in den Trainings fast immer allein, ich habe mich noch mit keinem richtig verglichen.
Sobald ich hinter einem Gegner fahre, fällt mir alles leichter. Aber bisher bin ich meine schnellsten Runden alle allein gefahren. Eigentlich auch bei den Wintertests.
Ich weiss, dass mein Motorrad sehr viel Potenzial hat. Wir haben sogar gegen die Werks-Suzuki eine gute Chance. Wir werden sehen.

Teamchef Lucio Cecchinello hat dich vor dem Katar-GP zu einer Art Nachhilfeunterricht eingeladen. Was hast du dort gelernt?

Es waren alle vom Team dort. Ich lerne dauernd mehr über die Daten, über die Elektronik, über alles. Ich bin immer noch ein Rookie, ich komme frisch aus der Moto3. Es ist alles neu für mich. Und ich lerne rascher, als wir erwartet haben.

Aber auf der Piste lernst du mehr als auf der Schulbank?

Ganz sicher. Wir verbringen nicht zu viel Zeit im Büro. Ich bemühe  mich, dort weg zu bleiben. Diese Einschulung hilft nicht so viel. Sie haben mir die Linie erklärt und so weiter. Das bringt mich nicht besonders weiter. Sie haben mich auf das aufmerksam gemacht, was wichtig ist. Es ging vorrangig um meinen Fahrstil. Davon habe ich Notiz genommen.

Was musst du an deinem Fahrstil noch ändern?

Ich fahre zu schnell in die Kurven rein, dann belaste ich den Vorderreifen zu stark. Sobald ich in einer Gruppe bin, muss ich früher bremsen, dann denke ich: Mann, das ist ja einfacher.
Ich meine, dass meine Stärke in den Rennen liegt.
Aber bisher habe ich noch keine echten Schreckmomente erlebt. Katar war etwas furchteinflössend, du hast dort d?ie Kurven 2 und 10, das sind zwei Linkskurven, aber die meiste Zeit fährst du auf der rechten Seite. In den zwei Linkskurven musste man also aufpassen.

LCR hat auch den Schweizer Serge bei den Rennen, der dauernd Videoaufzeichnungen an der Strecke macht und den Fahrern dann zeigt, wo sich ihre Linien von den Stars unterscheiden. Auf diese Informationen verzichtest du?

Ja, bei Honda... Wir halten es einfach und machen es nach der alten Methode, «old school». Vielleicht können wir in Zukunft einmal die Videoaufzeichnungen benützen.
Momentan liegt der Fokus auf mir und auf dem, was ich falsch mache. Später können wir einen Blick auf die andern werfen.

Momentan sind die Top-Ten weit weg. Es geht bei den Rennen in erster Linie darum, Punkte zu sammeln?

Ja, mein Ziel ist es, in der ersten Saison Rennen zu beenden und Punkte zu scoren. Das ist ein vernünftiges Ziel, denke ich.

Du bist vorläufig im Qualifying 1 und hast dort unter 15 Teilnehmern wenig Chancen, unter die ersten zwei zu kommen und dadurch ins Q2 aufzusteigen. Verwendest du das Quali vorläufig als zusätzliches Training?

Für mich ist das Qualifying in der MotoGP ein komplett neues Konzept. In diesen 15 Minuten musst du den weichen Hinterreifen wirklich perfekt ausquetschen. Das sollte der Vorteil von den Open-Class-Bikes sein. In Katar ist das nicht ideal gelungen. Du musst in 15 Minuten sehr rasch eine gute Zeit hinlegen, auf der 5,3 km langen Katar-Piste war das nicht einfach. In Texas wird es auch nicht leichter.

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