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Valentino Rossi: Gehen die Psychotricks wieder los?

Kolumne von Michael Scott
Das Brünn-Podest: Márquez, Sieger Lorenzo und Rossi als Dritter

Das Brünn-Podest: Márquez, Sieger Lorenzo und Rossi als Dritter

Valentino Rossi musste sich im Brünn-Qualifyng von Marc Márquez in die Karten schauen lassen. «Marc war sehr clever», sagte Rossi danach. Den Ärger schluckte er runter.

Beim Brünn-GP ?kam es zu einem interessanten Meinungsaustausch, als der grosse Meister Rossi und der junge Möchtegern Márquez bei der Pressekonferenz nach dem Qualifying nebeneinander sassen.

Im kurzen Qualifying-Zeitfenster von 15 Minuten hatte Marc Márquez seinen Blitz schon abgefeuert und kehrte bereits zu den Boxen zurück, als Rossi vorbeirauschte und dabei seine einzige Chance wahrnahm, eine wirklich gute Runde zu fahren.

Er schaffte es und wurde im Qualifying Dritter, hinter Lorenzo und Márquez.

Aber Márquez hatte Rossi eine Runde lang verfolgt und beobachtet und gesehen, wo die Stärken und Schwächen des Italieners und seiner Yamaha lagen.

Normalerweise wäre Rossi langsamer geworden, um diese Enthüllungen zu verhindern. Das konnte er sich aber nicht leisten, weil der dritte Platz im Qualifying immens wichtig für ihn war. Wie hat er sich gefühlt, als er Márquez im Qualifying in Brünn widerwillig gezeigt hat, wie man ihn möglicherweise besiegen kann?
Er lachte, wie üblich. «Marc war sehr clever», sagte Rossi in seiner unbeschwerten Art und Weise.

Seine Lippen lächelten, aber seine Augen waren todernst. Ich erkenne das, da ich diesen Blick selbst schon einmal kassiert habe, als ich ihn gefragt habe, ob er seinem langjährigen Crew-Chief Jeremy Burgess ein nettes Abschiedsgeschenk gemacht hat, nachdem er ihn hinausgeworfen hatte.

Márquez hatte diesen wissenden Ausdruck im Gesicht, den ein Fahrer hat, der weiss, dass er etwas Wertvolles in Bezug zu den psychologischen Spielchen gelernt hat, um die es im Grand-Prix-Sport geht. Für Rossi ist es zur Abwechslung eine ungewöhnliche Erfahrung derjenige zu sein, der diese Blicke einfängt.

Psychospiele gab es immer

Eine meiner liebsten GP-Abenteuer-Geschichten stammt von Jon Ekerold, dem 350-ccm-Weltmeister von 1980, dem letzten wahren Freibeuter, der einen WM-Titel gewann.

Um eine lange Geschichte kurz zu fassen: Der Südafrikaner hatte beim Rennen in Le Castellet/Frankreich zwei Rivalen und musste einen von ihnen ausstechen, damit er sich auf einen Zweikampf konzentrieren konnte. Er hat sich Patrick Fernandez ausgesucht, der im Qualifying auf Pole-Position gefahren war.

«Ich bin auf dem Grid zu ihm hingegangen», erzählte mir Ekerold mit einem dieser leicht unheimlichen südafrikanischen Akzente, «habe meinen Arm um seine Schultern gelegt und gesagt: 'Patrick. Dein Heimrennen. Der Druck muss schrecklich sein.' Ich merkte, wie er zitterte.»

Psychologische Spielchen sind gleich alt wie der Rennsport selbst, aber es gab nur wenige, die solche Experten darin sind wie Rossi. Ausser man bedenkt den Vorgänger, den er am meisten bewundert: Barry Sheene – der eine Kunstform daraus machte. Er gab seinen Teamkollegen und Rivalen falsche Informationen oder überlistete sie geschäftlich, romantisch oder verbal. Oft einfach nur zum Spass.

Die Prügelei mit Max Biaggi

Die Liste von Rossis Opfern ist eine Ehrenliste. Man musste eine ernsthafte Bedrohung darstellen, um darauf zu landen. Aber wenn du einmal drauf warst, kamst du nie mehr hinunter.

Ganz oben auf der Liste steht Max Biaggi, der sich beschwerte, als Rossi noch in der 250-ccm-Klasse fuhr: «Wir fahren nicht einmal in derselben Klasse und er versucht mich trotzdem von der Strecke zu verdrängen.»

Rossi machte sich ohne Erbarmen über Biaggis Manieren und Kommentare lustig. Als Max sich über das hartnäckige Geschwätz beschwerte, war Rossis Antwort für die gierige italienische Presse: «Ich bin mit meiner Fahrerei nicht glücklich. Ich muss für Geschwätz sorgen.»

Auf der Strecke sind die beiden dann tatsächlich aneinandergeraten, und zwar in Valentinos erstem 500-ccm-Jahr 2000 in Suzuka. Max drängte Vale mit seinem Ellenbogen auf der Geraden von der Strecke. Rossi griff ihn bei der nächsten Gelegenheit wieder an und zeigte ihm den Stinkefinger, als er ihn überholte. Es gab auch nach den Rennen Streitereien, zum Beispiel in Katalonien. Max hatte einen Blutfleck an seiner Wange. «Eine Mücke hat mich gestochen», sagte er.

Aber man hatte sich auf der engen Treppe auf dem Weg zur Siegerehrung geprügelt, wie Augenzeugen berichteten.

Marco Melandri war der nächste auf Rossis Abschussliste. Der drängende Ex-250-ccm-Weltmeister, der eine Gefahr für Valentino darstellen konnte. Bis dahin waren sie Freunde, wie Melandri sagte: «Wir haben zusammen unsere Socken auf der Heizung getrocknet, nachdem wir zusammen Motocross gefahren sind.» Diese Freundschaft kam zu einem abrupten Ende, als Melandri Valentino in Assen beinahe den Sieg wegschnappte und 2005 Vizeweltmeister wurde.

Und dann der arme Sete Gibernau, dessen einziger Trost sein kann, dass Valentino ihn ernst genug nahm, um ihm einen beachtlichen Teil seiner Energie zu widmen. Nicht nur, um ihn auf der Strecke zu besiegen, sondern auch, um ihn mit Kommentaren verächtlich zu machen und somit alle anderen auf seine Seite zu ziehen.

Der Streit erreichte seinen Höhepunkt, als Rossi 2004 den Rivalen Sete Gibernau beim Katar-GP als Spion bezeichnete. Rossis Yamaha-Crew hatte den sandigen, rutschigen Startplatz am Samstagabend mit Besen geschrubbt und dort Burnouts mit einem Roller gemacht, was den Vorschriften widersprach. Gibernau und Honda legten Protest ein, Rossi wurde auf den letzten Startplatz verbannt – und stürzte bei der Aufholjagd im Rennen.

Rossi gab Gibernau die ganze Schuld an seiner Bestrafung und kündigte an: «Er wird niemals wieder ein Rennen gewinnen.»
Er sollte Recht behalten.

Scharmützel mit Lorenzo und Stoner

Valentino lieferte sich auch mit Casey Stoner viele Scharmützel, die den Australier gehörig nervten. Ein anderes Opfer war Jorge Lorenzo, dessen grösste Schuld es war, dass er schon als Rookie 2008 sehr schnell war. Rossi kritisierte Yamaha dafür, dass sie Lorenzo einen Platz in ihrem Team gaben und meinte, dass sie nur einen Spitzenfahrer im Team haben und diesen respektvoll behandeln sollten. Rossi bestand darauf, dass man in der Box eine Wand zwischen den beiden aufstellte und drohte dann, dass er Yamaha verlassen würde, wenn sie Lorenzo nicht hinausschmeissen.

Rossi ging 2011 für zwei Jahre zu Ducati und wir alle wissen, was dann geschah. Es war ein sehr gezügelter und dankbarer Valentino Rossi, der 2013 zu Yamaha zurückkehrte. Er musste akzeptieren, dass er nicht länger die Nummer 1 in seinem Team war.

Jetzt muss Rossi damit klarkommen, dass Marc Márquez ihn in der Öffentlichkeit ärgert und blossstellt.

Das bedeutet nur etwas: Er wird sich auf sein Fahrkönnen allein verlassen müssen. «The Doctor» muss versuchen, die Antwort auf der Piste zu geben.

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