Teamchef Marcel Dornhöfer: Wird Ken Roczen starten?

Teamchef Marcel Dornhöfer
Am 4.-5. Oktober findet auf dem Ironman Raceway von Crawfordsville (USA) das Motocross der Nationen Ausgabe 2025 statt. Die Doppelspitze mit Karsten Schneider und Marcel Dornhöfer wird Deutschland in den USA als Teamchef vertreten. Die Nominierungen wurden noch nicht bekanntgegeben. Diese hängen stark von Ken Roczen ab.
Fix scheint im Moment nur die Besetzung von Simon Längenfelder in der MX2 zu sein. Als erweiterter Kader wurden Tom Koch, Maximilian Spies, Noah Ludwig und Max Nagl genannt.
SPEEDWEEK.com sprach mit Marcel Dornhöfer über den Stand der Vorbereitungen und vor allem über die Situation von Ken Roczen, der seit diesem Jahr amerikanischer Staatsbürger ist.
Ken Roczen hat in diesem Jahr die US-Staatsbürgerschaft angenommen. Könnte er mit einem US-Pass trotzdem für die deutsche Nationalmannschaft starten?
Selbstverständlich könnte er mit einem amerikanischen Pass nicht am MXoN für Deutschland starten, aber er kann natürlich starten, wenn er zusätzlich noch seinen deutschen Pass hat. Nachdem die Geschichte, dass Ken jetzt eine US-Staatsbürgerschaft hat, laut geworden ist, haben wir Kontakt mit ihm aufgenommen und er hat mir versichert, dass er eine doppelte Staatsbürgerschaft hat und seinen deutschen Pass weiterhin besitzt. Von daher könnte er ohne Probleme für unser Team starten.
Wie ist der Stand der Dinge? Wird Ken Roczen am MXoN 2025 teilnehmen?
Wir sind zurzeit in regem Austausch. Im Moment ist noch nicht ganz klar, ob er starten wird oder nicht. Er hat sich von uns noch ein paar Tage Bedenkzeit erbeten, weil er auch lange kein Motorrad gefahren ist. Er sitzt erst seit ein paar Tagen wieder auf seinem Bike.
Wir würden die Option natürlich gerne nutzen, wobei sich auch für unsere Planungen irgendwann das Fenster schließt, denn wir müssen ja auch die Luftfracht in die USA planen. Aber wir hoffen, dass Ken fit genug ist und dass er seinen Ansprüchen dann auch gerecht wird.
Muss der DMSB Roczens Einsatz und den seines Teams HEP Suzuki finanzieren?
Nachdem wir Ken wieder motivieren konnten, die Nations zu fahren, war sein Team sofort wieder Feuer und Flamme. Sie haben direkt gesagt, dass sie die Kosten dafür übernehmen. Das wäre auch ein Kostenapparat, was er sich so vorstellt, was für ihn vor Ort sein muss, den wir so gar nicht abdecken könnten. Das wäre auch mit vielen Sponsoren sicherlich eine schwierige Geschichte. Wir haben uns kurz darüber ausgetauscht und er hat direkt gesagt, "das ist alles unser Bier, wir wollen da teilnehmen und übernehmen auch die Kosten dafür."
Wer ist neben Ken Roczen und Simon Längenfelder der dritte Kandidat für die deutsche Nationalmannschaft?
Das ist gar nicht so einfach. Es wird viel spekuliert, wen wir da wohl noch mitnehmen. Wir sind im Moment in der schwierigen oder glücklichen Lage, dass wir ein paar Kandidaten haben, die ungefähr auf gleichem Level sind. Ob es Noah Ludwig ist oder Maximilian Spies, Max Nagl oder ein Tom Koch, der ja auch permanent MXGP fährt.
Ganz so viel kann ich heute noch nicht verraten. Aber einer von diesen Kandidaten wird es sein und wird hoffentlich die anderen beiden so gut unterstützen, dass wir Top-Ergebnisse einfahren können.
Beta hat kürzlich in den USA ein neues und modernes Headquarter errichtet. Falls Beta-Werksfahrer Tom Koch für Deutschland startet: Wird Beta USA das deutsche Team unterstützen?
Das würden wir uns natürlich wünschen, wobei ich sagen muss, dass wir schon kurz Kontakt zu Beta in Europa hatten. Aber von dieser Seite ist noch kein USA-Kontakt entstanden. Wenn Tom fahren würde, dann würden wir uns das natürlich wünschen. Aber im Moment gibt es da noch keine konkreten Gespräche.
Crawfordsville ist bekannt für den gewaltigen Bergabsprung Godzilla Jump. In Europa oder in der WM gibt es nichts Vergleichbares. Ken Roczen kennt diese Passage aus den US Nationals, die anderen Fahrer nicht. Kann man so etwas üben?
Schwierig. Aber ich bin davon überzeugt, dass die Jungs so professionell sind, dass sie das hinkriegen werden. Sie haben ja auch einiges an Trainingszeit. Als wir das letzte Mal in RedBud waren, haben sich alle über den großen Sprung dort unterhalten [Anm.: LaRocco's Leap] und haben gesagt, er sei nicht springbar. Jeffrey Herlings ist dann rausgefahren und hat ihn in der zweiten Runde im Schlamm voll genommen. Von daher denke ich, dass die Europäer auch bei Sachen, die sie nicht gewohnt sind, ganz gut aufgestellt sind.
Haben die neuen Zollbestimmungen zwischen den USA und Europa Auswirkungen auf den Transport des Materials in die USA?
Gott sei Dank im Moment nicht. Wir haben keine Einschränkungen oder Probleme, weil wir auch sehr gut von Infront unterstützt werden, auf welche Sachen wir bei den Zollpapieren achten müssen. Da wir ja nur Waren ein- und wieder ausführen und nichts zum Verkaufen mitführen, ist das im Moment für uns Gott sei Dank kein großes Thema.
Wird es in Crawfordsville einen eigenen DMSB-Truck geben?
Natürlich werden wir da eine Homebase haben, aber da es mit Kenny im Moment noch fraglich ist, ob er teilnehmen wird, können wir noch nicht genau sagen, wie diese aussieht. Aber wir werden definitiv einen Truck haben, wo DMSB- Fahnen wehen werden, sodass man erkennen kann, wo unsere Homebase ist. Die Fahrer werden ja größtenteils von den Werksteams betreut. Von daher stehen die Motorräder bei den jeweiligen Werksteams und wir haben die Teambase für einen kleinen Kreis. Die Motorräder stehen bei den Teams.
Wie sehen die konkreten Vorbereitungen für das Motocross der Nationen aus? Wie groß wird der gesamte DMSB-Stab sein, der nach Amerika reist?
Die Vorbereitungen sind schon viel intensiver als das, was man von außen so mitbekommt. Wir sind seit Wochen schon dabei, Unterkünfte zu finden. Das ist nicht ganz so einfach in dem Bereich, wo wir dieses Jahr sind. Es geht auch darum, Mietwagen zu finden, Unterkünfte zu finden und die Reisevorbereitungen mit den Teams abzusprechen, wer welches Material wie wann wohin transportiert, ob man die Möglichkeit nutzt, in den USA Motorräder zu mieten, was ebenfalls angeboten wird oder ob man eigene Luftfracht-Kisten packt. Das ist logistisch schon ein ganz schöner Aufwand. Von daher gehen diese Planungen eigentlich immer nahtlos weiter. Wir haben uns schon in England letztes Jahr Gedanken gemacht, wie es mit dem Thema USA weitergeht. Es bedarf vieler Vorbereitungen.
Wie groß ist der Stab, der in die USA fliegt?
Da Carsten Schneider und ich ja Teamchefs sind, aber Carsten Schneider ja einen festen FIM-Job hat, ist er nur in die Planungssachen eingebunden. Aktuell gehen wir mit fünf Mann rüber, die sehr viel mit Presse und Social Media zu tun haben. Ich habe immer noch eine Person, die mich unterstützt, da auf dem Teamchef sehr viel Arbeit lastet. Gerade am Donnerstag und Freitag braucht man Unterstützung.
Wird es einen Ersatz- oder Reservefahrer geben?
Ja, natürlich. Nur ist es bei Überseerennen etwas schwieriger, weil es ja dabei auch um die Luftfracht geht. Die letzten beiden Wochen vor dem Rennen sind natürlich ein bisschen kritisch, weil man danach kein Material mehr rüber kriegt. Aber natürlich haben wir dann auch immer einen Ersatzmann in petto. In Europa ist das natürlich ein bisschen einfacher, da braucht man dem Fahrer nur zu sagen, pack deine Sachen und es geht los. In Übersee ist das ein bisschen schwieriger, aber natürlich werden wir da auch einen in petto haben, falls jemand ausfällt.
Aber eben eine Woche vorher und nicht einen Tag vorher....
Das ist richtig. Also die letzten zwei Wochen sind sehr kritisch. Da kann man nur hoffen, dass in Australien mit Simon nichts passiert, dass er fit bleibt und dass die anderen auch fit bleiben. Ansonsten wird es schwierig.
Ken Roczen hat das Motocross der Nationen im Jahre 2012 mit der deutschen Mannschaft gewonnen. 2024 erreichte das DMSB-Team den 6. Platz. Was sind die Ziele für dieses Jahr?
Das hängt natürlich stark davon ab, wie fit Ken ist. Das geht aber vielen Nationen so, denen der dritte WM-Topfahrer fehlt. Ein Fahrer, der in die Top-3 fahren kann. In England habe ich mich dazu verleiten lassen, das Podium als Ziel zu erklären. Im Jahr vorher in Frankreich lagen wir ja vor dem letzten Lauf noch auf Platz 3 und sind doch noch auf den vierten Platz gerutscht. Letztes Jahr war Ken nicht so gut drauf und wir haben das auch analysiert. Es gibt 10 Fahrer, die die MXGP-Klasse gewinnen können und es gibt weitere 10, die Zweiter werden können. Man ist ruckzuck von Platz 3 drei auf Platz 10 und tummelt sich mit einem super Fahrer, der Weltmeister war oder Weltmeister ist. Klar, Top-10 ist immer das Minimum und der Rest ist bei den Nations immer so ein bisschen speziell. Wenn man Glück hat, kann man da ganz vorne landen.
Der Schwachpunkt einer jeden Mannschaft ist ja der MX2-Fahrer. An dieser Stelle hat das deutsche Team in diesem Jahr mit Simon Längenfelder gute Karten, aber am Ende zählt die geschlossene Mannschaftsleistung.
Das ist richtig. Und man sieht auch, dass die Leistungsdichte so extrem geworden ist, dass die Starts für eine Top-Platzierung maßgeblich sind. Man hat mit dem MX2-Motorrad manchmal ein bisschen Schwierigkeiten. In Matterley Basin letztes Jahr war es relativ verrückt. Nachdem wir die letzte Startposition gezogen hatten, hatten wir gar nicht damit gerechnet, irgendwo einen vernünftigen Start hinzukriegen und dann fuhr Simon von ganz außen nach vorne. Aber das sind die Nations mit ihren eigenen Gesetzen. Man kann Glück oder Pech haben. Man kann ein bisschen spielen, wem man welchen Startplatz gibt, aber letztendlich müssen es die Jungs richten.
Ein Start bei der Motocross Nationen ist immer ein enormer Aufwand. Wer sind die maßgeblichen Unterstützer in diesem Jahr?
Wir haben einen neuen Mann in unseren Reihen, der sich um unsere Sponsoren kümmert. Wir haben in diesem Jahr zwei neue Sponsoren gewinnen können, neben Ortema und LS2. Und natürlich haben wir auch ein DMSB-Budget, das einen großen Teil der Kosten abdeckt. Aber ohne unsere Sponsoren wäre das gar nicht machbar. Das kann man gar nicht oft genug erwähnen, was sie in den letzten Jahren geleistet haben. Es sind alles Enthusiasten, die Motocross-verrückt sind und denen wir nur über alles danken können, dass wir so eine USA-Geschichte hinbekommen.
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