KTM: Im Werk gingen die Lichter aus

MXoN 2014: Hubert Nagl: Das große Interview, Teil 1

Von Thoralf Abgarjan
Hubert Nagl ist der Team-Manager der deutschen Nationalmannschaft

Hubert Nagl ist der Team-Manager der deutschen Nationalmannschaft

«Ken ist körperlich platt»: Durch die Absage von Ken Roczen hat das DMSB-Team keine reale Chance auf den Titel, die es mit Roczen gehabt hätte. Team-Manager Hubert Nagl spricht nun über seinen Plan B und die Hintergründe
Herr Nagl, Sie haben 2012 mit der deutschen Mannschaft Geschichte geschrieben und als Team-Manager im belgischen Lommel die Nationentrophäe erstmals für Deutschland gewonnen. 2013 hatten Sie vor heimischer Kulisse mit dem Ausfall von Dennis Ullrich Pech und beendeten das Finale dennoch respektabel auf Rang 7. Nach dem Rennen ist aber bekanntlich vor dem Rennen. Spüren Sie bereits den Druck, der auf der deutschen Mannschaft liegt?

«Der Druck wird bereits geringer. Der meiste Druck ist im Vorfeld mit der Organisation von dem Ganzen und vor Allem mit der Nominierung der Fahrer entstanden, was mit Sicherheit für uns in diesem Jahr der schwierigste Punkt war. Das heißt: Seitdem das Team einfach feststeht ist der Druck insofern da, ein gutes Ergebnis zu bringen, wobei ich mir sicher bin, dass auch ohne Ken Roczen eine Top-5-Platzierung definitiv möglich ist.»

Das ist das Stichwort, wir können es nicht aussparen, das Motocross der Nationen ist das wichtigste Rennen des Jahres. Ken Roczen ist einer der besten Fahrer der Welt und er ist Deutscher. War Ken Roczen gut beraten, das bedeutendste Rennen des Jahres abzusagen?

«Für diese Frage muss man mehrere Kriterien und Fakten beleuchten. Eines ist klar: Immer, wenn Kenny dabei war, hat er eine Top-Leistung gebracht. Das heißt, er hat jedes mal seine «Schuldigkeit» für Deutschland in höchster Vollendung gebracht. Jetzt haben wir die Situation, dass Ken in den USA ist. Ken ist 20 Jahre alt, er fährt in den USA momentan alles in Grund und Boden. Er hat jetzt wieder Geschichte geschrieben, weil er die Nationals gewonnen hat. Ich denke, man muss seine Entscheidung, nicht zu fahren, einfach einmal respektieren. Das ist das Allererste. Alle Gründe aufzuzeigen, warum das so ist, das wird schwierig werden, weil der Ken mittlerweile in einem komplett anderen Umfeld zu Hause ist, als wir es in unserem europäischen Umfeld gewohnt sind. Ken ist in den USA definitiv ein absoluter Superstar. Ich denke, er wird für die kommenden Jahre der teuerste Fahrer überhaupt werden, da bin ich mir ganz sicher. Hinzu kommt der Markenwechsel von KTM zu Suzuki und natürlich auch eine knochenharte Saison mit Supercross und Outdoors. Das zehrt natürlich ungemein an den Kräften und ich kenne den Ken gut genug zu wissen: Der Ken ist körperlich platt. Er hat bis zur letzten Sekunde alles aus seinem Körper herausgeholt. Sicher kann man jetzt darüber streiten: Ich bin überzeugt, wenn der Ken rüberfährt, ist er für Top-Platzierungen gut, egal mit welchem Motorrad und auch nach einer dreiwöchigen Pause. Darüber brauchen wir gar nicht zu diskutieren. Aber wir, alle die an der Geschichte beteiligt sind, müssen jetzt seine Entscheidung respektieren. Das haben wir getan. Es hat lange genug gedauert! Bis zum letzten Drücker haben wir abgewartet, bis wir definitiv nominieren mussten. Es ist mit Sicherheit schade aber ich denke, das bedeutet nicht, dass uns der Ken für alle Zeiten verloren ist. Vielleicht sind nächstes Jahr die Rahmenbedingungen wieder andere und vielleicht fährt er nächstes Jahr wieder. Wir schließen das definitiv nicht aus. Die Türen für Ken stehen offen und mehr können wir von unserer Seite nicht machen.» 

Sie sprechen das Thema «Geld» an: Das Motocross der Nationen gilt als «Olympia des Motocross» oder -um eine andere Metapher zu bemühen- als das «Endspiel» der Weltmeisterschaft. Darf es -bei aller Professionalität- bei einem solchen Ereignis überhaupt ums Geld gehen?

«Es geht nicht um Geld. Es geht überhaupt nicht um die Finanzierung von den Fahrern - diese ist gesichert. Das war auch nie das Thema. Ich weiß nicht, wo solche Informationen oder so genannte Informationen herkommen. Über so ein Thema ist noch nicht einmal ansatzweise diskutiert worden, weil das auch überhaupt nicht zur Debatte steht. Das heißt: Wenn Ken fahren will oder fahren hätte wollen, dann wäre für ihn für alles gesorgt worden, genau so, wie das für die anderen Fahrer der Fall ist. Ob der Fahrer nun aus den USA kommt oder aus Buxtehude, das spielt dabei keine Rolle. Ich weiß nicht, wo diese Leute diese Informationen her haben. Das sind keine Informationen, weil dort so viel Schwachsinn verzapft wird und keiner weiß eigentlich wirklich, wie die Geschichte wirklich läuft. Das ärgert mich schon, dass da so viel Schwachsinn in Umlauf ist und verbreitet wird, ohne, dass die Beteiligte oder Diejenigen, die das von sich geben, sich wirklich einmal hingesetzt haben und genau wissen, wie das ganze System funktioniert. Wir sind doch nicht beim Fußball, sondern wir sind beim Motocross. Wir haben leider nicht das Paradies, dass wenn der «Jogi» schreit , alle «Hallo» rufen, sondern bei uns ist es einfach so, dass wir auch keinen Einfluss haben, ob der Fahrer fährt, oder nicht, sondern das ist einzig und allein die Entscheidung des jeweiligen Fahrers. Und darum eben auch der Respekt dem Kenny gegenüber: Wir müssen das einfach akzeptieren, das Nein von ihm, warum auch immer. Aber wie gesagt: Wir sind nicht beim Fußball.» 

Bei allem Respekt für die Absage. Dennoch ist die Begründung für die Absage des Top-Athleten wichtig. Eine Begründung war ganz am Anfang das Visum oder die Green Card. Das kursierte auch nicht ganz offiziell, unter der Hand. Meine Frage an Sie wäre: Das Visum P-1 ermöglicht es Sportlern mit internationalem Ansehen, in den USA zu leben und zu arbeiten. Man kann also davon ausgehen, dass Ken Roczen nach dem Gewinn der Weltmeisterschaft und dem Gewinn der US-Meisterschaft auch in den USA als «international anerkannt» angesehen wird. Konnten Sie die Begründung «Green-Card-Probleme» nachvollziehen?

«Ich muss jetzt einmal vorausschicken, dass weder ich, noch irgend jemand anderer von offizieller Stelle, also Diejenigen, die für das Team Deutschland zuständig sind: DMSB, ADAC, egal wer, auch nur ein persönliches Wort mit dem Kenny hätte sprechen können. Das heißt: Jede Information die gekommen ist, ist über Dritte gekommen. Das entscheidende «Nein» habe ich von seinem Vater Heiko, zu dem ich auch privat ein sehr gutes Verhältnis habe, bekommen. Das heißt, es war weder von seinem Management, noch sonst jemand bereit. Wir haben mehr als einmal versucht, Kontakt aufzunehmen, egal auf welche Art und Weise. Es ist einfach nichts zurück gekommen. Und zwar gar nichts. Und darum ärgert mich das eben auch, wenn da irgendwelche Dinge in den Raum gestellt werden. Sicher war die Green Card ein Thema. Ich selber muss ganz ehrlich gestehen, habe mich auch nicht mit dieser Materie auseinandergesetzt oder mit Fragen: Kann er jetzt raus, kann er rechtzeitig wieder zurück und so weiter. 
Für mich ist ganz klar: Einer der vorsätzlichen Gründe ist sein Trainer Aldon Baker. Dem passt der Termin einfach nicht, warum auch immer. Aber das ist Kennys «Guru» und Ken arbeitet mit ihm. Der Mann kostet mit Sicherheit sehr, sehr viel Geld. Ich denke, Kenny wäre schlecht beraten, wenn er gleich mit dem ersten Atemzug etwas macht, was dem nicht passt, warum auch immer. Ich meine, die anderen Amis fahren auch. Das sei alles immer dahingestellt. Aber für uns zählt nur das, was den Kenny betrifft, nicht, was den Tomac oder den Dungey betrifft. Uns interessiert der Kenny. Da ist a) das Thema mit der Greencard vorgeschoben worden, b) der für amerikanische Verhältnisse «schlechte» Termin, aber der ist auch erst schlecht, seitdem sie nicht mehr gewinnen, vorher ist darüber nie diskutiert worden; weil sie schon drei Wochen Pause haben und die europäischen Fahrer ja noch im vollen Grand-Prix- und Renn-Rythmus sind usw.. Da kommen jetzt Dinge in den Raum, auch von amerikanischer Seite: So lange die Amerikaner uns um die Ohren gefahren sind, ist darüber nicht einmal diskutiert worden und jetzt wird das auf einmal zum Thema. Die USA sind 2012 von uns geschlagen worden, letztes Jahr von den Belgiern und ich bin überzeugt, dass sie in diesem Jahr ebenfalls nicht gewinnen werden.»

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