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Vor 50 Jahren: Eine präsidiale Ring-Runde

Kolumne von Rainer Braun
​Am 3. April 1973 passierte am Nürburgring etwas Einmaliges – der amtierende Bundespräsident ließ sich im knapp 1000 PS starken Porsche 917 um die Nordschleife chauffieren.

Kurz vor Ende seiner Amtszeit nutzte Bundespräsident Dr. Gustav Heinemann das Jahr 1973 zu einer Abschieds-Tour durch alle Bundesländer. Für die Visite in Rheinland-Pfalz stand der Nürburgring ganz oben auf dem Reiseplan des 74-jährigen Staatsoberhaupts.

Eine flotte Runde als Beifahrer in einem «richtig starken und schnellen Rennauto» hatte er sich gewünscht. Nicht in irgendeinem Rennauto, sondern der Porsche 917 Turbo in der stärksten Ausführung sollte es sein.

Von dem 1000 PS-Ungetüm hatte der oberste Repräsentant der Bundesrepublik schon viel gehört. Jetzt wollte er endlich auch mal die schiere Kraft des stärksten Sportwagens der Welt persönlich erleben.

Nach eingehender Sicherheitsüberprüfung wurde Porsche-Versuchspilot und Interserie-Leader Willi Kauhsen (33) für die heikle Mission auserkoren. Auch das Kontingent an Journalisten blieb eng begrenzt – so ließ das Präsidialamt nur je drei ebenfalls streng durchgecheckte Fotografen und Wort-Journalisten zu. Als Auflage galt, dass Heinemann nur am, aber nicht im Cockpit abgelichtet werden durfte. Auch Fahraufnahmen waren nicht erlaubt.

Gegen 10.00 Uhr trafen Dr. Heinemann und seine Frau Hilda bei Start und Ziel ein, eskortiert von einem riesigen Begleitkonvoi aus Bundespolizei, Sicherheitsleuten und Personenschützern. Es war kalt, über Nacht hatte es sogar etwas geschneit. Zumindest im Start-Ziel-Bereich war die Fahrbahn angezuckert.

Nürburgring-Direktor Dr. Everhard Ludemann begrüßte den hohen Staatsbesuch und führte das Präsidentenpaar zum bereitstehenden Porsche.

Die knapp 1000 PS waren schon vorgewärmt, Profilreifen aufgezogen. «Guten Tag, Herr Bundespräsident», sagte Kauhsen artig und machte bei der Begrüßung der Präsidenten-Gattin den wohl tiefsten Bückling seines Lebens.

Dann erklärte er seinem Fahrgast seelenruhig, «dass der Schnee zwar unangenehm ist, aber die Runde deshalb nicht ausfallen muss. Wenn Sie trotzdem mitfahren möchten, können wir starten.»

Heinemann vermittelte nicht gerade den Eindruck, verzichten zu wollen.

Die Sicherheitsleute zeigten sich entsetzt, der Nürburgring-Direktor zuckte erschrocken zusammen und Hilda Heinemann schlug die Hände vors Gesicht.

Porsche-Werksmechaniker Klaus Bischof wandte sich mit ernster Miene an den Chauffeur: «Willi, das kannst du nicht machen, das ist viel zu gefährlich.»

Der Präsident wirkte derweil ungeduldig und sprach ein Machtwort: «Ende der Diskussion, wir sollten jetzt endlich losfahren.»

Zielstrebig steuerte er die Beifahrerseite an und ließ sich so festgurten, wie er angekommen war – im Straßenanzug und Mantel. Er stülpte sich Kauhsens zweiten Vollvisierhelm über den Kopf.

Inzwischen hatten sich die Verhältnisse gebessert, aber es gab noch Schneematsch in den höher liegenden Streckenteilen. Personenschützer und Bundespolizei bezogen an exponierten Stellen des Rings Position.

Nach endlosen Sicherheitsdiskussionen verständigte man sich darauf, die präsidiale Runde mit aller gebotenen Vorsicht durchzuziehen. Kauhsen wurde nochmals ermahnt, unterwegs keinerlei Risiken einzugehen. Ab dem Zeitpunkt, wo der Bundespräsident im Porsche saß, galt das Fotoverbot.

Was dann passierte, schilderte Kauhsen (heute 83) damals so: «Wir sind vorsichtig losgefahren, ab der Hatzenbach war der Schnee weg. Danach hab’ ich ordentlich durchbeschleunigt, so um 70 Prozent von dem, was mit dem Auto geht. Auf den schnelleren Stücken wurde Heinemanns Kopf vom Fahrtwind nach hinten gedrückt. Ich hab’ immer wieder zu ihm rüber geguckt, ob’s ihm noch gut geht. Mit hochgestrecktem Daumen hat er signalisiert: Alles okay.»

«Die Hohe Acht war noch mal kritisch, etwa auf 500 Meter gab es Schneematsch. Wir haben uns dort elegant um 360 Grad gedreht, ohne anzuschlagen oder stehen zu bleiben. Es ging gleich in Fahrtrichtung weiter und ich glaube, er hat das gar nicht so richtig gemerkt.«

«Ab Galgenkopf ging’s mit Vollgas die lange Gerade runter – mit 270, 280 km/h, 350 wären möglich gewesen. Heinemanns Daumen zeigte wieder nach oben, er schien sich immer noch wohl zu fühlen. Langsam rollten wir bei Start und Ziel aus, ich blickte in die erleichterten Gesichter der Wartenden. Die Runde hat ungefähr zwölfeinhalb Minuten gedauert, normal liegen wir da bei um 8.20 Minuten bei Nässe und 7.30 Minuten im Trockenen.»

«Hilda Heinemann eilte ans Cockpit und bedankte sich überschwänglich, dass ich ihren Mann wieder heil abgeliefert habe. Sie war wohl in großer Sorge. Der Bundespräsident war derweil noch immer hin und weg. Nachdem er den Helm abgenommen hatte, sagte er völlig verklärt zu mir: ‚Herr Kauhsen, das war das Größte, was ich bisher erlebt habe, tausend Dank dafür.’ Mein Job war damit gemacht, ich stieg aus und ließ mein Auto verladen. Mein Fahrgast verabschiedete sich und wurde wieder vom Protokoll vereinnahmt.»

So weit Kauhsens Schilderung.

Die Begleiter drängten zum raschen Aufbruch, es standen noch andere Tagestermine an. Schon wenig später setzte sich die Kolonne des Staatsoberhauptes zügig in Bewegung und verließ mit Blaulicht und Tatütata die Eifelrennstrecke.

Am Abend kehrte der Konvoi dann noch mal zurück zum Ring. Die Verbandsgemeinde Adenau gab für den Bundespräsidenten und seine Frau sowie handverlesene Ehrengäste aus der Region ein Essen im Christophorus-Saal des Sporthotels «Tribüne».

Zwischen Pökelzunge und Rehrücken schwärmte Gustav Heinemann immer wieder von seiner Nürburgring-Runde im 1000 PS-Porsche und suchte nach seinem Piloten. Der war längst daheim in Aachen und beschloss den Tag mit dieser Vermutung: «Wenn ich die Geschichte in 20 oder 30 Jahren erzähle, glaubt mir das kein Mensch.»

Das gilt allerdings auch noch nach 50 Jahren.

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