KTM: Im Werk gingen die Lichter aus

Herbert Linge ist 95: Ein Leben für Porsche

Kolumne von Rainer Braun
​Der Name Herbert Linge ist untrennbar mit Porsche verbunden. Am 11. Juni feiert der frühere Test- und Rennfahrer sowie Gründer der ONS/DMSB-Rettungsstaffel seinen 95. Geburtstag.

Rund 120 Siege, GT-Rundstreckenmeister, WM-Titelgewinne und die erfolgreiche Teilnahme an nahezu allen Langstrecken-Klassikern – und alles mit Porsche oder im Team mit der Stuttgarter Werksmannschaft: Herbert Linge ist mit der Marke Porsche eng verwoben.

Sogar das Bundesverdienstkreuz hat Herbert für sein Lebenswerk bekommen. Und zwar für die Existenz der ONS/DMSB-Rettungsstaffel, deren Gründung und Aufbau auf seine Initiative zurückgeht. Durch sein Engagement wurde so mancher Rennfahrer in den 1970er- und 1980er-Jahren vor dem Feuertod gerettet. Jetzt feiert Herbert seinen 95. Geburtstag und genauso lange lebt er auch im Örtchen Weissach, gleich bei Porsche um die Ecke.

Zuverlässig, schnell, souverän, unauffällig, technisch hochbegabt und durch nichts aus der Ruhe zu bringen – so beschreiben ihn Konkurrenten und Kollegen von damals. Der Urschwabe war für Porsche eine Art Allzweckwaffe und fuhr seine Rennen nach dem Motto «In der Ruhe liegt die Kraft».

Ob Rallye oder Rundstrecke, ob GT oder Sportwagen, Linge war mit jedem Porsche schnell und erfolgreich. Und dazu auch noch ein exzellenter Analyst und Techniker.

Die Verbindung mit dem Stuttgarter Unternehmen hat nicht nur seine sportliche Laufbahn, sondern auch sein ganzes Leben geprägt. So arbeitete er seit seinem 15. Lebensjahr ausschließlich bei und für Porsche und steuerte im Laufe seiner Rennfahrerkarriere nur Porsche-Rennautos. Bis zu seiner Pensionierung war Herbert Linge Betriebsleiter im berühmten Weissacher Porsche-Technik-Tempel.

Einen richtigen Werksfahrer-Vertrag mit Gage hat er übrigens nie bekommen, was ihn noch heute ärgert. «Der Huschke hat damals den Standpunkt vertreten, dass der Linge so was nicht braucht, weil er als Porsche-Mitarbeiter schon ein gutes Gehalt bekommt und sowieso immer am Ort der Handlung sein muss.»

Huschke von Hanstein war zu Linges aktiven Zeiten Porsche-Sportchef und hielt alle seine Werksfahrer finanziell gesehen an der kurzen Leine.

Von allen Porsche-Rennautos, die Linge im Laufe der Zeit fuhr, wurde der 904 GTS zu seinem ganz persönlichen Liebling. Damit holte er sich auch seine wertvollsten Erfolge wie die GT-Rundstrecken-Meisterschaft oder die Tour de France für Automobile, die er zusammen mit dem Franzosen Robert Buchet gewann.

Auf den Sieg bei der damals berühmt-berüchtigten Frankreich-Rundfahrt ist er besonders stolz, «weil das damals so ziemlich das Härteste überhaupt war. Da gab es allein zehn Bergprüfungen und ein Dutzend Rundstreckensprints.»

Genauso wie der 904 GTS ist Linge auch die Nordschleife des Nürburgrings ans Herz gewachsen.

Mit dem schon mehrere Jahre zurückliegenden Tod seiner Frau traf Linge ein schwerer Schicksalsschlag. Die beiden waren über 50 Jahre verheiratet. Danach zeigte sich er sich immer seltener in der Öffentlichkeit. Bis dahin war er ein stets gern gesehener Gast bei Oldtimer-Events oder im Porsche-Museum, wo er oft noch Gästen die Exponate und deren Geschichte erklärte.

Heute hat Herbert Linge zwar noch immer Kontakt zur alten Porsche-Rennclique aus dem Großraum Stuttgart, aber er geht kaum noch aus dem Haus. Gelegentlich besucht er den Stuttgarter Motorsport-Stammtisch, wo er seine alten Porsche-Weggefährten Hans Herrmann (95), Peter Falk (90) oder Valentin Schäffer (91) trifft.

An den Rennstrecken sieht man Linge inzwischen fast gar nicht mehr. Denn zunehmende gesundheitliche Probleme erfordern eine häusliche Pflege. Ohne die sehr engagierte und warmherzige Fürsorge der Pflegekraft könnte Herbert Linge schon lange nicht mehr sein gewohntes häusliches Umfeld in Weissach genießen.

«Sie ist eine so treue Seele und für mich so wichtig in schwerer Zeit», sagt Linge und meint damit Susanna aus der Slowakei, die ihn seit mittlerweile zehn Jahren umsorgt. Egal ob Telefonate, Einkäufe, Kochen oder die Überwachung der täglichen Medikamenten-Einnahme – sie managt einfach alles im Umfeld ihres Patienten. Und wenn Herbert mal zu einer Ehrung oder Veranstaltung eingeladen ist, wie beispielsweise in diesen Tagen zu den Festlichkeiten «75 Jahre Porsche», dann passt Susanna auf ihn auf.

Den ihr anvertrauten Porsche-Pensionär lobt die Pflegerin in höchsten Tönen: «Herbert ist so ein lieber Mensch, es macht große Freude, ihn zu betreuen. Ich bin dankbar dafür, dass ich für ihn da sein darf.»

Mit den Geburtstags-Gästen will es Herbert Linge wie schon in den Vorjahren so halten, dass er keine persönlichen Einladungen aussprechen möchte, um ja niemand aus seinem großen Bekanntenkreis zu verprellen. «Wer kommt, der kommt halt.» Erfahrungsgemäß findet sich dann doch jedes Mal eine stattliche Kaffeetafel mit alten Porsche-Kumpels in Weissach ein..

Dabei dürften sich die Geburtstagsgäste am Sonntag gemeinsam mit dem Jubilar zumindest bis zur Zieldurchfahrt um 16.00 Uhr mehr der TV-Übertragung aus Le Mans widmen als Kaffee und Kuchen. Denn wie schon so oft fällt auch diesmal Linges Geburtstag wieder mal in die Le Mans-Woche beziehungsweise genau auf einen der beiden Renntage.

Herbert hat mir dazu mal gesagt: «Das war mein ganz persönliches Schicksal, dass ich an meinen Geburtstagen fast immer für Porsche Rennen fahren musste oder Boxendienst hatte. Zum Feiern blieb da keine Zeit.»

Große Gratulation und die besten Wünsche, lieber Herbert Linge.

Der internationale Motorsport verdankt dir so unendlich viel.


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