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Traurige Nachricht: Abschied von Erich Bitter

Kolumne von Rainer Braun
​Vier Wochen vor seinem 90. Geburtstag ist der frühere Rennfahrer und Autobauer Erich Bitter am 10. Juli 2023 gestorben.

Eigentlich war die SPEEDWEEK.com-Geschichte zu seinem 90. Geburtstag schon fertig – jetzt wird daraus leider ein Nachruf. Der Tod von Erich Bitter schmerzt mich sehr, er war ein langjähriger Racing-Weggefährte. Noch im März dieses Jahres habe ich ihn zu Hause in Ennepetal besucht, um seine anstehende Geburtstags-Story auf den aktuellen Stand zu bringen.

Wir haben viele Stunden über gemeinsame Erinnerungen geplaudert. Erich machte einen guten Eindruck, mal abgesehen von dramatisch schwindender Sehkraft. Geistig hellwach erinnerte er sich mit einem verschmitzten Lächeln an seine wilde Zeit als Werkspilot bei Abarth, das herrliche Jahr im Porsche 906 bei Joest und natürlich an all die von ihm gebauten Autos. So geht mit Erich Bitter auch ein kleines Stück deutscher Automobil-Geschichte.

Mit den kleinen aber feinen Abarth-Modellen 850 und 1000 TC empfahl sich der Privatfahrer Bitter Mitte der 1960er-Jahre einst bei Abarth in Turin schnell als Werks-Pilot. Bald erkannte Firmenpatron Carlo Abarth die Popularität seines Werksfahrers in Deutschland und überließ dem Rheinländer auch den Alleinvertrieb seiner Rennautos für die Bundesrepublik.

Mit dem Abarth 1300 OT wurde er in den GT-Wettbewerben und dem offenen Zweiliter-Sportwagen bei den großen Rundenstrecken und Marken-WM-Läufen eingesetzt. Zwischendurch ging er mit einem Porsche 906 und Reinhold Joest als Partner ein bisschen fremd.

Weil sich Bitter in der einschlägigen Presse begeistert über die Porsche-Starts äußerte, fiel er beim ebenso eitlen wie schwierigen Patron Carlo Abarth kurzzeitig in Ungnade. Trotzdem beließ ihn Abarth weiter im Team und vertraute ihm verstärkt den offenen Zweiliter-Sportwagen an. Immerhin gewann die Paarung Bitter/Kelleners bei der Targa Florio die Sportwagen-Wertung bis 2 Liter Hubraum und erreicht überdies Gesamtrang 8. Für Bitter übrigens «einer meiner wertvollsten Siege».

Neben der Rennerei hatte er mit seiner Firma «Rallye Bitter» in Deutschland eine Art Monopolstellung für die damals noch in den kläglichen Anfängen steckende feuerabweisende Rennbekleidung aufgebaut. Er vertrieb die Kollektion des britischen Herstellers «Les Leston». So gab es in den 1960er-Jahren hierzulande kaum einen Rennfahrer, der nicht mit Bitters Rennklamotten an den Start gerollt ist.

Das Sortiment war ausgesprochen preiswert. Für 110 D-Mark (ca. 56 Euro) gab es den schlichten, hellblauen Overall («zweiteilig, feuerabweisend»). 99 D-Mark (50 Euro) kostete der offene Helm («robust, silbergrau, mit Blendschirm»). Stulpen-Handschuhe («strapazierfähig, griffig») kosteten 25 D-Mark (12 Euro). Ich weiß, wovon ich rede, weil ich selbst als junger Formel V-Pilot einer der vielen hundert Bitter-Kunden war.

Noch während seiner Vertragslaufzeit bei Abarth ergab sich 1968 ein erster Kontakt mit Opel. Niemand ahnte damals, dass aus ein paar Rennstarts mit der sogenannten «Schwarzen Witwe» (einem schwarz lackierten Opel Rekord 1900 im Renntrimm, den eine Opel-Untergrundtruppe gebaut und auf die Rennstrecke gebracht hatte) schon ein paar Jahre später eine gedeihliche Zusammenarbeit im Bereich Sondermodelle werden sollte. Der damalige Opel-Vorstand Bob Lutz hielt nämlich große Stücke auf den technisch höchst belesenen Rennfahrer Bitter.

1969 beendete Erich Bitter seine Rennfahrer-Karriere nach exakt zehn Jahren ziemlich abrupt und konsequent. Auslöser dafür war ein Unfall am Nürburgring, der ihn fast das Leben gekostet hätte. Bei der Anfahrt zum Brünnchen hob sein Abarth 2000-Sportwagen an einer Bodenwelle kurz ab und krachte nach rechts in den Wald. Sofort brach Feuer aus, Retter waren nicht in Sicht.

Verzweifelt bemühte er sich, die Gurte zu lösen und das brennende Auto zu verlassen. Das gelang ihm gerade noch rechtzeitig. «Wenn ich mich nicht in letzter Sekunde selbst befreit hätte, wäre ich unweigerlich verbrannt.» Schon zwei Jahre zuvor hatte Bitter am Ring bereits einen ähnlich schweren Unfall überlebt, bei dem er ebenfalls viel lange auf Rettung warten musste.

Nach dem Ende seiner Automobilsport-Zeit startete Erich Bitter als Konstrukteur und Autobauer durch. Er gründete seine eigene Firma, intensivierte die bestehenden Kontakte zu Opel und trug die Idee eines Luxusautos in Kleinserie vor. Stolz präsentierte er auf der IAA 1973 den «Bitter CD» auf der technischen Basis des Opel Diplomat V8.

Das bildschöne Coupé wurde schnell zum Status-Symbol vieler Promis, Ski- und Fußballstars sowie Motorsportlern. Insgesamt fanden 395 Exemplare des rund 60.000 D-Mark (30.000 Euro) teuren Bitter CD ihre stolzen Besitzer.

Zur erlesenen Kundschaft gehörten Showstars wie Howard Carpendale, Ireen Sheer oder Heino, die Fußballgrößen Breitner, Rummenigge und Grabowski, Ski-Helden wie Bernhard Russi oder Christian Neureuther. Auch Walter Röhrl und Stefan Bellof legten sich im weiteren Verlauf einen Bitter zu.

Eine seiner letzten Kreationen war der «Bitter Opel Insignia», der als kleine Sonderserie mit Anbauteilen aus Carbon aufgelegt wurde. Ein Exemplar in weißer Lackierung diente ihm noch bis zu seinem Tod als Fortbewegungsmittel, wobei er sich wegen fehlender Sehkraft von seiner Lebensgefährtin Gisela chauffieren lassen musste.

Bis zum Ende seines Lebens konnte Erich Bitter auf die Treue und die Verehrung seiner Fans sowie vieler Opel-Freunde zählen. So versammeln sich jedes Jahr die Mitglieder des «Bitter Clubs» zu einem Treffen mit wechselnden Orten. Und der Erbauer ihrer Autos war nach Möglichkeit auch meistens persönlich anwesend. Das diesjährige Treffen war für den 11. August in Paderborn geplant. An diesem Tag hätte der Namensgeber des Clubs sein 90. Lebensjahr vollendet. Stolz hatte mir Erich noch gesagt, dass er seinen 90. im Kreise seiner Fans verbringen wird. «Ich will damit auch zeigen, wie sehr ich das Engagement des Clubs zu würdigen weiß.»

Seine letzten Jahre verbrachte Erich Bitter meist zu Hause. Mindestens einmal im Jahr zog es ihn aber für ein paar Tage in den Schwarzwald auf einen Bauernhof aus dem 16. Jahrhundert. «Da erfreue mich an den Tieren, der Ruhe und der Landschaft. Das Alter hat mich ruhiger und gelassener gemacht und den inzwischen leider getrübten Blick für diese schönen Dinge des Lebens geöffnet.»

Mach’s gut, Erich, dein alter Chef Carlo Abarth wird sich freuen, dich da oben wiederzusehen. Und ein paar andere Racing-Kumpels auch.

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