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Der Marathon-Mann: Dieter Quester wird 85

Kolumne von Uwe Mahla
Am heutigen 30. Mai feiert ein ganz Grosser des Motorsports seinen 85. Geburtstag: Wir blicken aus aktuellem Anlass auf die einzigartige und erfolgreiche Karriere von Dieter Quester zurück.

Herzlichen Glückwunsch an Dieter Quester zum 85. Geburtstag und zu einem schier unglaublichen Rekord! Er hat sich den obigen Titel nicht allein mit der sagenhaften Anzahl von fast 70 Jahren aktiven Motorsports verdient, sondern auch durch die Teilnahme an rund 60 24-Stunden-Rennen – viele davon hat er als Sieger beendet. Allein in Spa stehen drei Gesamtsiege und ein Sieg in der N-GT-Wertung für ihn zu Buche, letzterer in 2001 – da war Quester knapp 60!

In seinen besten Jahren hat Dieter seine Rennerei verdammt ernst genommen, auch seinen Speiseplan hat er allem anderen untergeordnet. Ich erinnere mich wie heute, dass er während meiner Zeit als Pressesprecher der BMW-Motorsport-GmbH einmal meiner damals einjährigen Tochter Anika mit verbissenem Blick zugeschaut hat, als diese sich an seinem geheiligte Körndl-Koffer zu schaffen machte. Da kannte er keinen Spaß, während sich sein Freund, der Schlager-Star Peter Alexander, königlich über die Szene amüsierte.

Quester war immer ehrgeizig, fast bis zur Selbstaufgabe, ein Asket für seine Renn-Besessenheit. Sauschnell, wie ihm Teamchefs und Konkurrenten neidlos zugestanden, und dabei einer mit viel Gefühl fürs Auto und für die Gunst der Stunde. Angefangen hat er mit Motorboot-Rennen, wo er 1962 mit einem Europameistertitel in den Statistiken steht. Aber bald ging es übers Motorrad ins Vierrad-Vollgasgeschäft, in dem er schnell zur internationalen Spitze vorstieß und dort jahrzehntelang für erstklassige Ergebnisse sorgte.

Eines von vielen Beispielen für das Gespür der günstigen Stunde des Wieners ereignete sich beim Training zum ersten Lauf für die TW-Europameisterschaft 1983 in Monza: «Ich bekam von BMW-Rennleiter Dieter Stappert den bis dahin völlig unbekannte Gerhard Berger als Copilot im 635 CSi zugewiesen.» Quester passte das nicht so recht und er bestand auf dem fidelen Carlo Rossi als Adjutant. «Ich sagte, ich bin doch ka Fahrschul». Er konnte ja nicht ahnen, welches große Kaliber er da verschmäht hatte. Quester: «Zum Glück hab´ ich dann mit dem Carlo gewonnen – sonst hätt’ mich der Stappler g´scheit zur Schnecke gemacht.»

Das war der Grundstein für Dieters sage und schreibe vierte Tourenwagen-EM. 1968 und 1969 gewann er seine Titel im Werks-BMW 2002, 1977 den dritten im ALPINA 3,5 CSL. Jahrelang gehörte Quester auch zur absoluten Creme der Sportwagen- und Formel 2-Piloten am Berg und auf der Rundstrecke. Mit einem ultraleichten BMW-Sportwagen hätte er es gegen die potente Konkurrenz von Porsche, Ferrari und Alfa 1968 fast zum Vize-Europa-Bergmeister gebracht.

Da er nach seinem vierten EM-Titel keine Ruhe gab (Titel seiner Biografie: Wie komm ich bloß vom Rennsport los), klingt seine Umtriebigkeit  so: «In über 1400 Rennen gab es 350 Stockerl-Plätze, davon so um die 150 Siege.»

Er, dem es immer das größte Vergnügen war, andere schon mal geschickt hereinzulegen, musste sich bisweilen auch mal etwas gefallen lassen. Lassen wir dazu einen alten Weggefährten, nämlich Hans Heyer, zu Wort kommen, es war bei einem gemeinsamen Einsatz beim Langstrecken-Klassiker in Spa. Heyer: «Ich wollte unbedingt den letzten Turn zum Sieg fahren. Also wurde beschlossen, den Dieter auf die Toilette zu schicken, das Auto eine Runde früher hereinzuholen, um ihm dann zu sagen, er sei ja zum Fahrerwechsel nicht da gewesen. Mich konnte er ja nicht kriegen, denn ich saß im Auto und war auf und davon. Es hat längere Zeit  gedauert, bis er wieder mit mir gesprochen hat.»

Es ist auch überliefert, wie der «Quastl» es dem Trickser heimgezahlt hat: Aus unerfindlichen Gründen war einst bei einem Lauf zur Europameisterschaft Heyers Helm verschwunden. Er tauchte zufällig unmittelbar vor dem Start wieder auf. Gefüllt mit einer stinkenden Forelle, sie hatte stundenlang im Helm in der Sonne geschmurgelt. Und mit dem Gestank in der Nase musste Heyer zwangsläufig den ersten Turn fahren.

Quester rennt bis heute: Geistig bin ich noch voll drin in der Rennerei, aber nicht mehr so tierisch ernst wie früher.» Am wohlsten hat er sich Ende der 60er- bis Mitte der 80er-Jahre als Werksfahrer bei BMW, bei Schnitzer und ALPINA gefühlt. «Aber», fügt er an, «bei Red Bull», für die er in den letzten 15 Jahren an den Start geht, «da geht es so familiär zu, dass man schier nicht aufhören will und etwas zurückgeben möchte.» Zum Beispiel die  Gesamtsiege bei den 24 h-Rennen in Dubai, Silverstone und Bahrain.

Zum zweiten Mal verheiratet (seine erste Frau Juliane war die Tochter des BMW-Motorenpapstes Alex v. Falkenhausen) mit Catrin und Vater dreier Söhne, lässt er es heute keineswegs ruhig angehen. Wie fit ist er – heute mit 85? «Ganz ehrlich, und nicht, weil es schön klingt: Es könnt’ nicht besser sein. Vor zehn Jahren habe ich ein neues Knie bekommen und das funktioniert erstklassig. Ich steig regelmäßig auf den Ergometer, nur das Joggen hab ich mir mittlerweile geschenkt.» Sagt ein Mann im Alter, in dem andere froh sind, wenn sie den Rollator noch gescheit manövrieren können.

Quester fährt, «wenn alles passt», nach wie vor historische Rennen. «In diesem Jahr», sprudelt es aus dem Jubilar, der so gesprächig und spritzig parliert wie zu seinen besten Zeiten, «stehen das Gaisberg-Rennen, die Ennstal Classic und» – man höre und staune – «die Mille Miglia in Dubai auf dem Programm, allesamt auf meinem geliebten BMW 328.»

Um die mannigfaltigen Kuriositäten in Quastls Karriere zu untermauern – sei noch folgende Episode erzählt: 1990 beim DTM-Rennen auf der Avus lieferte er einen Husarenritt der besonderen Art. Am Kurvenausgang vor der Zielgeraden touchierte er mit dem BMW M3 die Streckenbegrenzung, überschlug sich furchterregend und schlidderte auf dem Dach über den Zielstrich. Quester entstieg dem Wrack völlig unverletzt, das Rennen wurde abgebrochen – und der Glückspilz war, da seine Unfallrunde nicht mehr gewertet wurde, Dritter!

Kürzlich ist er vom ÖAMTC für sein Lebenswerk mit dem Goldenen Löwen ausgezeichnet worden. Die Laudatio hielt sein alter Lieblings-Spezi «Strietzel» Stuck. Quester: «Ich habe ein bisschen Blut geschwitzt, ob er wohl die schlimmsten alten Kamellen auspackt. Aber er hat sich vornehm zurückgehalten.»

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