Motocross: Trauer nach tödlichem Unfall

Sieger aus der Retorte: Entwicklung BMW M3 Gruppe A

Kolumne von Friedbert Holz
​Normalerweise sind Renntourenwagen Ableger erfolgreicher Serien-Limousinen. Doch beim BMW M3 bekam schon die Straßenversion sämtliche Gene für spätere Motorsport-Erfolge.

Keine Frage – die Geschichte von BMW-Motorsport ist vor allem eine des Tourenwagensports. Zwar denken oberflächliche Historiker zuerst an so ruhmreiche Tage etwa eines Nelson Piquet, der in bravouröser Manier 1983 den Brabham-Formel-1 zur Weltmeisterschaft getrieben hatte.

Sie berichten auch mit glänzenden Augen aus jener Zeit erfolgreicher Formel-2-Schlachten, als sich Haudegen wie Dieter Quester oder Clay Regazzoni in ihren rasenden Einbäumen duellierten.

Doch die wahren Alltagshelden des BMW-Motorsports, die «Michel Vaillants» aus unseren Comic-Träumen, sie saßen allesamt in Rennautos mit mindestens zwei Türen.

Sie drängten sich mutig unter ein heißes Blechdach, das oftmals noch nicht einmal einen stabilisierenden Überrollbügel hatte.

Die Liste ihrer Namen ist fast endlos: Vom kleinen BMW 700 über den 1800 / 2000 TISA, 3.0 CSL, 320 Gruppe 5 bis hin zum legendären 635 CSi-Coupé reicht ihre beeindruckende Historie.

An sie erinnerte sich auch der einstige BMW-Chef Eberhard von Kuenheim, als er Mitte der 1970er Jahre «Motorenpapst» Paul Rosche zu sich bat.

«Wir sollten wieder eine kompakte Sportlimousine im Programm haben, mit Vierzylinder-Motor. Denken sie doch mal darüber nach», diktierte er ihm ins Lastenheft.

Rosche dachte nach, hatte sogar schon eine mögliche Lösung vor Augen.

Weil ganz zufällig Anfang der 1980er Jahre auch die Erneuerung der erfolgreichen Dreier-Reihe anstand, das internationale Sportgesetz aber für Renntourenwagen der so genannten Gruppe A mindestens 5000 gebaute Serienautos für die Homologation vorgab, wagten die Männer der BMW Motorsport GmbH eine mutige Entscheidung: Sie wollten eine Sportlimousine als Straßenauto mit allen Zutaten für Erfolg im Wettbewerb entwerfen, davon die geforderte Zahl bauen und dann Motorsport betreiben.

Gesagt, getan: Der erste Vierzylinder entstand aus einem «abgeschnittenen» Sechszylinder-Motor des BMW M1. Die Techniker wussten genau, dass ein solcher Motor, weil deutlich kürzer als ein Sechszylinder, mit einer ebenfalls kürzeren Kurbelwelle höher drehen konnte, wichtig für ein Hochleistungstriebwerk.

Auch für die Karosserie des geplanten Erfolgsautos gab’s bereits klare Vorgaben: breite Radkästen für breite Räder unter ausgebuchteten Kotflügeln, Spoiler vorne und hinten für beste Aerodynamik auch Top-Speed, ein ausgetüfteltes und vielfach verstellbares Fahrwerk, Bremsen mit gigantischer Verzögerungskraft, Sperrdifferential, Ölkühler und Sportgetriebe schon in Serie.

Die Welt sollte staunen, der Sieger aus der Retorte war als Idee bereits geboren.

Im April 1983 stand der erste M3-Prototyp für Testfahrten parat, noch unter einem ganz zivilen Dreier-Karosseriekleid, Motorversuche standen damit an.

Schon ein Jahr später, im Mai 1984, ging’s mit einem Versuchsträger im endgültigen Power-Styling, aber unter Tarnfolie versteckt, zu den unerbittlichen Tests auf die Nürburgring-Nordschleife. Paul Rosche damals: «Nur ein Auto, das diese Folter dort klaglos wegsteckt, wird ein gutes Auto.»

Tatsächlich sollte die Testmannschaft unter Ingenieur Werner Frowein, der viele Jahre später auch dem Audi R8 zum Rennauto verhalf, dort mit dem Dauerläufer erste böse Erfahrungen sammeln. «Der starke M3-Motor schüttelte in erbarmungsloser Manier alle Aggregate ab, es gab kaum ein Teil, das den Schwingungsproblemen im Antriebsstrang standgehalten hat.»

Dazu kam weiterer Druck aus der Geschäftsleitung, denn der M3 sollte im Herbst 1985 auf der IAA in Frankfurt gezeigt werden.

Also wurden im Eiltempo 10.000 Kilometer auf dem Nürburgring und drei Dauer-Vollgas-Sitzungen im Betontopf von Nardo in Süditalien abgespult, schließlich stand noch die Entscheidung für eine Blechkarosserie gegenüber einer Kunststoff-Variante an.

BMW entschied sich für Blech, wohl wissend um Negativerfahrungen anderer Hersteller mit diesem Material.

Als die Fachwelt den fertigen M3 auf der Autoshow erstmals sah, lobte sie in höchsten Tönen seine optische Aggressivität, geriet teilweise in sprachliche Ekstase. So verstieg sich ein österreichischer Motorjournalist, bekannt für seine blumige Schreibe, in der Deutung der Blech-Linien gar zum Begriff eines «Ganzkörperkondoms», für ihn war der M3 ein klarer Phall.

Eine deutliche Entscheidung trafen auch die Ingenieure der Motorsport GmbH. Denn parallel zum Vierzylindermotor hatte es im BMW-Konzern damals Stimmen gegeben, die für dieses Auto eher den bekannten 3,5-Liter-Sechszylindermotor aus dem 535i gesehen hätten.

Doch nach ersten Tests war klar: Mit einem solchen Triebwerk wäre der M3 deutlich schwerer ausgefallen, auch seine Fahrbarkeit bei Nässe hätte darunter gelitten. Zudem gab es Anfang der 1980er Jahre ganz andere Herausforderungen – denn ohne Katalysator wäre ein solches Auto niemals marktfähig gewesen.

Schließlich nahte der 18. Juni 1985. An diesem Tag gab’s lachende und weinende Minen bei BMW: Einerseits wurde der Ausstieg aus der Formel 1 bekannt gegeben, zugleich bekam die Motorsport GmbH den Auftrag zum Bau eines M3-Rennautos für die neue Tourenwagen-Weltmeisterschaft.

Nun weilte die Testmannschaft um Werner Frowein des öfteren auf dem damals ziemlich maroden Mugello-Rennkurs, sogar Motorsport-Ikone Niki Lauda als BMW-Markenbotschafter drehte einige Runden im Renn-M3 und war auf Anhieb begeistert: «Dieses Auto hat unglaubliches Potenzial.»

Der Rest ist bekannt: Vom BMW M3 wurden im Werk München in kürzester Zeit die geforderten 5000 Exemplare gebaut, und seit 1987 stellten sich auch die ersten internationalen Rennerfolge ein – der Weg war nun geebnet zum bislang erfolgreichsten Tourenwagen aller Zeiten.


Diesen Artikel teilen auf...

Mehr über...

Siehe auch

Helmut Marko: Strafe hat Verstappen den Sieg gekostet

Von Dr. Helmut Marko
​Red Bull-Motorsportberater Dr. Helmut Marko spricht in seiner SPEEDWEEK.com-Kolumne über die Strafe von Max Verstappen im Saudi-Arabien-GP und über den spannenden WM-Kampf gegen McLaren.
» weiterlesen
 

TV-Programm

  • Mi. 30.04., 01:15, Motorvision TV
    Nordschleife - Touristen in der "Grünen Hölle"
  • Mi. 30.04., 01:40, Motorvision TV
    On Tour
  • Mi. 30.04., 01:45, Hamburg 1
    car port
  • Mi. 30.04., 02:30, Hamburg 1
    car port
  • Mi. 30.04., 03:20, Motorvision TV
    Top Speed Classic
  • Mi. 30.04., 05:10, ORF Sport+
    Rallye: Lavanttal Rallye
  • Mi. 30.04., 06:00, Motorvision TV
    Superbike: Australian Championship
  • Mi. 30.04., 11:00, Motorvision TV
    Nordschleife - Touristen in der "Grünen Hölle"
  • Mi. 30.04., 11:30, Motorvision TV
    On Tour
  • Mi. 30.04., 12:50, Motorvision TV
    Top Speed Classic
» zum TV-Programm
6.89 24030830 C2904212014 | 6