Lucy Glöckner: Das erste Mal
Lucy Glöckner
Unsere Saison begann im Mitte April mit dem obligatorischen Einführungstraining im Yamaha R6 Dunlop Cup. Dort starte ich mittlerweile zum dritten Mal und nach dem erfolgreichen Abschneiden mit dem ersten Sieg einer Frau und dem dritten Platz in der Gesamtwertung 2010, möchte ich dieses Jahr natürlich gerne noch eins draufsetzen. Dabei muss ich mich allerdings mit einigen flotten Jungs rumschlagen und die härteste Nuss, das hat sich schon beim ersten Rennen gezeigt, ist wohl Jesko Raffin. Respekt, was der Bursche mit seinen 14 Jahren aufführt. Er war im Winter viel trainieren und hat sich zum Vorjahr wirklich enorm gesteigert. Und nicht nur er, aber solange die Jungs hinter mir her «rennen», ist das voll okay.
Beim ersten Lauf auf dem EuroSpeedway Lausitz war das lange der Fall. Nur eben nicht im Ziel, weil ich meine R6 in der letzten Runde in Führung liegend weggeworfen habe. Ich hatte mich zuvor zusammen mit Jesko absetzen können. Anfangs der letzten Runde presste er sich das erste Mal vorbei, worauf ich aber sofort kontern konnte. Doch bei der zweiten Attacke unterlief mir ein Schaltfehler, ich konnte das Motorrad nicht mehr kontrollieren und da wars passiert. Trotzdem Danke an Jesko für den fairen Fight.
Mit neuem Optimismus ging’s zwei Wochen später nach Oschersleben. Jesko schnappte mir zwar im letzten Moment die Pole weg, dennoch gab’s am Samstagabend durch Yamaha Präsident Morimoto die begehrte Uhr für den Trainingsbesten, da Jesko seine bereits in der Lausitz abgeholt hatte und jeder nur eine erhält. Von den Rundenzeiten hatten wir beide ordentlich was vorgelegt, lediglich mein linker Arm machte mir Sorgen, denn ich war in der Lausitz wieder genau auf die ohnehin lädierte Stelle gestürzt. Aber Yamaha-Physio Fritzi Heuser hat mir geholfen und mein Hauptsponsor versorgte mich sogar mit einer selbstgemachten Tinktur. Der Start gelang, ich war planmässig Zweite, mir wurde aber bald klar, dass Jeskos Tempo nicht reichen würde, um vom Feld wegzukommen. Deshalb übernahm ich die Führung und legte einen Zahn zu. Nun konnten nur noch Jesko, Alain Bonnet und anfangs Robin Mulhauser folgen. Es gelang mir, alle Angriffe abzuwehren und ich durfte endlich meinen zweiten Cup-Sieg feiern.
Fast hätte ich vergessen, dass es dazwischen noch ein ganz besonderes Ereignis gab. Die Leser der Freien Presse haben mich zur erfolgreichsten Sportlerin des Erzgebirgskreises gewählt und die Ehrung wurde im Rahmen der «Gala des Sports» vom vierfachen Olympiasieger Ricco Gross vorgenommen. Nach der Bekanntgabe des zweiten und dritten Platzes hatte ich gar keinen Gedanken mehr daran verschwendet, auf die Bühne zu «müssen», denn in unserer Region regiert ja bekanntlich der Wintersport.
Auf dem Nürburgring folgte dann das erste «Auswärtsspiel». Da ich am Donnerstag noch bis 14 Uhr gearbeitet hatte, kamen wir erst gegen 22 Uhr in der Eifel an. Am Freitag kam ich schon im ersten freien Training knapp an die Vorjahresbestzeit, dafür gab’s im zweiten Bodenkontakt. Ein heftiger Wolkenbruch hatte die Strecke kurz zuvor unter Wasser gesetzt, aber ich wollte unbedingt raus, um ein Regen-Setup zu finden, denn in der Eifel muss man immer damit rechnen. War aber nur ein Ausrutscher und mein Team hatte das Bike am Abend rasch wieder fit gemacht.
Die Qualifyings waren dann perfekt. Ich stand mit fast einer Sekunde Vorsprung erstmals in dieser Saison auf Pole. Aber im Yamaha-Cup ist das keine Sieggarantie. Jesko gewann den Start und wich mir, als ich nach fünf Runden die Führung übernahm, nicht vom Hinterrad. Ich kämpfte inzwischen noch mit einem weiteren Problem. Mein rechter Lenkerstummel hatte sich gelockert, dadurch musste ich beim Bremsen immer umgreifen. Meine Mechaniker behaupten, ich ziehe am Lenker wie eine Verrückte. Muss wohl was dran sein. Das Rennen musste dann wegen eines Sturzes des jungen Dänen Felix Valentin abgebrochen werden. Nach dem Restart gab’s gleich wieder einen Unfall, schlussendlich wurde das Rennen kein drittes Mal gestartet und es gab halbe Punkte. Gewertet wird bekanntlich der Stand eine Runde vor dem Abbruch und da war ich gerade Zweite. Dennoch muss ich von Glück sprechen, denn ich weiss nicht, ob das mit dem Lenker bis zum Schluss gut gegangen wäre.