Helmut Mander: Der Mann mit dem schnellen Pop-Kadett
Helmut Mander: Der Mann mit dem schnellen Pop-Kadett
Ob am Dobratsch, Serra da Estrela, Mont Ventoux, Trento-Bondone, Rieti, St-Ursanne-Le Rangiers, oder am Mendelpass; ob in Zotzenbach, am Roßfeld oder beim Sauerland-Bergpreis. Überall, wo die in den 60er- und 70er-Jahren so begeisternden großen Bergrenn-Klassiker gefahren wurden, sorgte Mander (geb. am 20. Februar 2020 einen Steinwurf entfernt von der seinerzeitigen Rennstrecke zum Kasseler Herkules hinauf) mit seinem publikumswirksam poppig lackierten und infernalisch bellenden Opel Kadett für den berühmten Underdog-Effekt.
War es das fachkundige Publikum gewöhnt, in der Klasse der Zweiliter-Tourenwagen BMWs und Alfas auf den vordersten Plätzen zu erleben, so nahm sich der verwegen einher driftende Student der Volkswirtschaft doch stets wie ein Außenseiter aus. Mander wusste diese Rolle geschickt zu spielen. Und Erfolg damit zu haben.
Schon bevor seine Opel-Ära begann, verfolgte er eine eigenwillige Strategie. Als gestandener Selfmademan finanzierte er nicht nur sein Studium als Tennistrainer, sondern auch noch gleich seine Rennambitionen. Zuvor hatte der promovierte Volkswirt (Doktorarbeit «Automobilindustrie und Automobilsport») schon auf einem schnellen NSU für Aufsehen gesorgt.
Ich erinnere mich, dass, wenn ich Montagsmorgens zur Uni fuhr, sein «Gilb» auf dem Hof des NSU-Autohauses in Marburg, randvoll mit Pokalen, abgestellt war. Mander hatte am verlängerten Wochenende nicht nur bei mindestens zwei bis drei Slaloms Klassen-, Gruppen- und Gesamtsiege eingeheimst, sondern zwischendurch auch noch an einem Tennisturnier teilgenommen - und natürlich gewonnen. 1970 scheiterte er ganz knapp am Gewinn der deutschen Bergmeisterschaft, als ihn – am Roßfeld – ausgerechnet sein NSU-Markengefährte Franz Waldhier - mit Spieß-Power - ein einziges Mal in dieser Saison schlug.
Und dann der Kadett, dem man bis dato landläufig eher Familien- denn Renntauglichkeit zugetraut hätte. Manders Kalkül: Die US-Version des braven zweitürigen Kadetts mit 1,9 Liter-Motor hatte gegenüber den BMW einen spürbaren Gewichtsvorteil und der von Irmscher entwickelte Querstrom-Zylinderkopf war gut für 200 PS.
In den acht Einsatzjahren jagte Mander seinen knallbunten Kadett an der verwunderten Konkurrenz vorbei zu exakt 62 Klassen-, 33 Gruppen- und 8 Gesamtsiegen die Berge hoch, ließ im Regen bisweilen sogar Formel-2-Renner und Sportwagen hinter sich und brachte es so 1972 zum Bergeuropameister-(der Tourenwagentrophy ) und von 1973 bis 1976 zum Vizetitel in der GT-/Tourenwagen-Wertung.
Bald war Mander nicht nur wegen seines riskanten Fahrstils, sondern auch wegen seines einmaligen Ersatzteilmanagements bekannt. An allen Ecken seines Zugwagens, eines Opel Admiral, waren pedantisch aufgelistete Reserveteile eingelagert, und im «Kellergeschoss» seines Anhängers führte er weiteres Material bis hin zur kompletten Hinterachse mit. Solche Vorsorge tat auch Not, denn im Lauf der Jahre und nach mehreren haarsträubenden Abflügen blieb vom ursprünglichen Kadett kaum etwas außer der Bodengruppe und den Achsen übrig.
Im Leben nach dem Kadett blieb Mander seinen beiden Leidenschaften treu. 25 Dienstjahre bei Ferrari Deutschland ließen ihm die Zeit, so manches Tennisturnier in allen Altersklassen zu gewinnen, (zweimaliger Einzel-Hessenmeister) bis ihn eine dreifache Hüftoperation mit großen Komplikationen hier «aus dem Rennen» nahm.
«Dafür fahre ich heute viel mit dem E-Bike herum. Mit meiner Lebensgefährtin Jutta radeln wir an den nahegelegenen Flüssen entlang», freut er sich, «halten uns so ein wenig fit und genießen die frische Luft.» Das ist - gewissermaßen - die Entdeckung der Langsamkeit für einen, der früher mit atemberaubend hohem Tempo bergauf strebte.