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Dakar: auf dem richtigen Weg

Von Werner Jessner
Ehre wem Ehre gebührt: Die Dakar 2024 bringt den ursprünglichen Gedanken der Abenteuer-Rallye zurück

Hand aufs Herz: Bei wem steht Saudi-Arabien ganz oben auf der Liste künftiger Urlaubs-Destinationen? Es gibt eine ganze Reihe sehr guter Gründe, einen ganz weiten Bogen um den Staat auf der Arabischen Halbinsel zu machen. Doch abseits von religiösem Fundamentalismus und Politik: Was weiß man über dieses Land? Öl, okay. Fußballer, die sich ihre Frühpension dort vergolden lassen. Bis zur einschlägigen WM dort im Jahr 2034 möchte man sich als Sport-Land positionieren. Aber was wissen wir WIRKLICH über Saudi-Arabien?

 

«Du startest im Auenland und fährst nach Mordor. Wer Herr der Ringe gesehen hat, weiß, was ich meine. Im Auenland ist alles grün und saftig, es gibt Berge, alles wächst und gedeiht. Dann wird es steiniger und steiniger. Die Sonne scheint durch sehr tief liegende Wolken durch. Die Stimmung ist düster, fast bedrohlich. Dann hört die letzte Vegetation auf und du befindest dich in Mordor. Das war die zweite Etappe der Dakar 2023, und ich habe meinen Freunden gesagt, dass wir das eines Tages nachfahren müssen. Als Abenteuer, als Erlebnis für das innere Fotoalbum. Es war unglaublich geil, einer der schönsten Tage jemals auf dem Motorrad. Das sind Momente, in denen ich wahnsinnig dankbar bin, das erleben zu dürfen. Nie im Leben wäre ich sonst hierhergekommen, wenn nicht wegen der Dakar.» Das sagt mit Matthias Walkner einer, der zwischen Afrika, Australien und Südamerika so gut wie jede entlegene Weltgegend mit dem Motorrad erlebt hat.

 

Tatsächlich sind Saudi-Arabien und seine Nachbarstaaten so ungefähr die letzten blinden Flecken in einer digitalisierten Welt, die immer kleiner wird. Ungefähr so muss es sich angefühlt haben, in den 1980ern, lange vor Mobilfunk und Google Maps, von Paris nach Dakar aufzubrechen und so exotische Länder wie Mali oder Mauretanien zu erleben. Von Begebenheiten erzählen zu können, die die Daheimgebliebenen staunen ließen. Unterwegs Abenteuer erlebt zu haben, die weit über den Rennsport hinaus gingen, Dinge gesehen zu haben, die man sich nicht vorstellen konnte. Wenn Mathias Walkner von 150 Meter tiefen und 50 Meter breiten Canyons im Norden Saudi-Arabiens erzählt, die wie Korallenriffe aussehen, mit Versteinerungen und einem Sand, der in den unterschiedlichsten Farben schimmert, dann möchte man mit ihm auf dem Motorrad sitzen. Selbst die beste Übertragung mit dem größten Aufwand kann nicht täglich 500 Kilometer Rallye aufs Tablet der Zuschauer zaubern. Die Erzählungen jener, die die gesamte Strecke erlebt haben, werden wieder mehr wert. In Saudi-Arabien hat die Dakar das Geheimnisvolle, Abenteuerliche wieder gefunden. Die terra incognita ist zurück, die in Südamerika verloren gegangen war und durch etwas anderes ersetzt worden war.

 

Out of Africa

2008 wurde ich wie so viele unmittelbar vor dem Start der Dakar von der Absage überrascht. Afrika war unsicher geworden. Der Aufschrei war groß: Was sollte das schon sein, eine Dakar, deren Zielort nicht Dakar lautet, sondern Santiago de Chile oder Cordoba? Und doch war es gut. Statt durch den Ténéré durch die Berge Boliviens zu brettern bis auf 4.000 Meter Seehöhe rauf bei Temperaturen rund um den Gefrierpunkt: Die Dakar verkraftete das problemlos. In Südamerika zeigte uns der Veranstalter, wie weit sich der Gedanke der Abenteuer-Rallye mit Fantasie spreizen ließ. Selbst als Journalist musstest du täglich duzende Autogramme schreiben, bevor dich die Massen überhaupt bis ins Biwak durchließen. Die Begeisterung der Fans war herzerwärmend, unvergesslich.

 

Der Veranstalter A.S.O. ist ein durch und durch kommerzieller Betrieb. Vom humanistischen Ideal des Dakar-Gründers Thierry Sabine ist schon lange nichts mehr übrig. Nutzte der die ursprüngliche Rallye Paris-Dakar noch, um Medikamente und Werkzeuge zum Brunnenbau nach Afrika zu transportieren, wird seit seinem Tod durch einen Heli-Absturz im Jahr 1986 nicht mehr gegeben, nur noch genommen. Die Dakar fährt dort, wo es am meisten Geld zu verdienen gibt. Als es in Lateinamerika immer weniger zu holen gab, übersiedelte man die Veranstaltung kurzerhand ein zweites Mal, diesmal eben in den Nahen Osten.

 

Sämtliche Kritik saß die A.S.O., deren zweites großes Standbein übrigens die oftmals nicht weniger umstrittene Tour de France ist, mit biblischem Sitzfleisch und französischem Eigensinn aus. Dem Verdacht, sympathisch zu sein, setzte man sich nie aus. Unvergessen diesbezüglich eine abendliche Besprechung im Biwak 2013 an einem Tag, an dem es einen tödlichen Unfall gegeben hatte. Diesen thematisierte man nur kurz, denn wichtigster Punkt der Tagesordnung: Es wurden Teilnehmer beobachtet, die zwei statt nur eines Lunch-Pakets aus dem Essenszelt mitgenommen hatten. Man werde das nunmehr überwachen. Oder die Sache mit den französischen Flics, die in Ländern, für die sie gar nicht zuständig waren, Geldstrafen fürs Schnellfahren der Teilnehmer auf den Verbindungsetappen eintrieben für die Kassa des Veranstalters.

 

Der Sport stimmt

Was man der A.S.O. aber zugutehalten muss: Dass sie ihr Produkt ständig verbessert und seit Jahrzehnten moderne Technologie dafür nutzt, die Dakar nicht nur sicherer, sondern auch fairer zu machen. Konnte es in Afrika Stunden bis Tage zur Bergung eines Gestürzten dauern, sind es heute dank ausgeklügelter Kommunikations- und Logistik-Tools Minuten. Bei den Motorrädern haben sechs, sieben Marken Chancen auf Tagessiege – auch weil kleine Hersteller erkannt haben, dass hier mit überschaubarem finanziellem Aufwand mehr Aufmerksamkeit zu generieren ist in anderen Serien während einer ganzen langen Saison. Bei den Autos liefert sich Audi als letzten Höhepunkt vor dem Formel-1-Einstieg mit dem technisch spektakulären RS Q e-tron ein Match mit Privatiers wie Prodrive – Ergebnis offen. Mit der Side-by-Side-Klasse gibt es endlich eine leistbare Einstiegsmöglichkeit, die die Fahrer einerseits gründlich auf die Prototypen vorbereitet – siehe Seth Quintero – und es andererseits Amateuren ermöglicht, Dakar zu erleben, ohne sich zu überfordern. Auch das ewige Thema des Nachteils, als Startfahrer die Spuren für die Nachfolgenden legen zu müssen, hat man nun mittels Zeitgutschriften souverän entschärft. Ob Motorrad ohne Unterstützung von außen ganz wie früher oder mit historischen Fahzeugen: Jeder Leidenswillige hat heute freie Wahl der Qual und darf sich die Intensität seines Saudi-Arabien-Abenteuerurlaubs selbst aussuchen.

 

Ehre, wem Ehre gebührt: Die Dakar 2024 ist eine runde Sache, und zwar in allen Kategorien. Rennsport, Abenteuer, Drama, aber auch Kameradschaft und Entdeckertum: Im Moment kommt da nichts zu kurz. Wer bislang noch nicht Feuer gefangen hat: Bis 19. Januar ist Zeit. Welche Alternativen haben wir Motorsport-Fans denn um diese Zeit, geilen Rennsport zu sehen? Okay, die Saison der Formula E geht gerade los, aber das ist eine andere Geschichte. Darüber mehr beim nächsten Mal.

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