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Technik-Avantgarde: Zweitakt-KTM mit Einspritzung

Von Rolf Lüthi
Als bislang einziger Hersteller baut KTM Zweitakt-Enduros mit Einspritzung. Wir suchten damit im Endurogelände die Antwort auf die Frage: Was kann die Elektronik besser als ein Vergaser?

Die ersten sind KTM und die Schwestermarke Husqvarna nicht: Bereits 2013 brachte Nischenhersteller Ossa nach Trialmaschinen mit den Enduro 250i und 300i zwei Enduros mit Benzineinspritzung auf den Markt. Aber KTM ist ein Grossserienhersteller und hat sein Konzept während Jahren zur Serienreife entwickelt, entsprechend hoch sind die Erwartungen.

Einen ersten Schritt machte KTM bereits auf den Modelljahrgang 2017 mit der Vorstellung komplett neuer Zweitaktmotorräder mit 250 und 300 ccm. Motor und Fahrwerk, beides neu. Der neue Motor ist mit einer Ausgleichswelle ausgerüstet und der unterhalb des Motor platzierte Anlasser ist in die Konstruktion integriert und nicht mehr nachträglich drangeschraubt. Gabel und Stossdämpfer von WP waren Neukonstruktionen. Mit der neuen Gabel Xplor 48 behielt man die simple Open Cartridge-Bauweise bei, auch an den Six Days-Modellen verschwand die aufwändige Vierkammer-Konstruktion 4CS wieder. Der neue Stossdämpfer wurde im Durchmesser um 4 mm reduziert, wodurch das ganze Bauteil kompakter und 600 g leichter wurde. Mit einem zweiten Kolben, der beim Einfedern in eine Zylinderbohrung eintaucht und damit die Dämpfung verhärtet, baute man nach, was Öhlins vor fast 20 Jahren vorgemacht hat. Die Feder ist dreifach progressiv gewickelt, was sich in der Theorie gut anhört, Spitzenfahrer aber eher störte.

Diese neu konstruierten KTM-Zweitakter nahm man damals ausserhalb der Enduroszene eher am Rande zur Kenntnis, denn die Motorräder waren nicht wie erwartet mit einer elektronischen Einspritzung, sondern mit einem Mikuni-Vergaser ausgerüstet. Und ausgerechnet dieser Vergaser gab dann viel zu reden, war doch seine Abstimmung nicht optimal gelungen. KTM besserte mit geänderter Abstimmung nach, doch restlos befriedigen konnte der Mikuni auf der neuen KTM nicht alle Fahrer.

Auf den Modelljahrgang 2018 folgt nun der schon vor einem Jahr erwartete Schritt zur elektronischen Einspritzung. Anders als bei den Eingangs erwähnten Ossa, welche Zweitaktgemisch ins Kurbelgehäuse und in den Zylinder einspritzen, wird beim KTM-System Benzin in die hinteren Überströmkanäle und dazu Zweitaktöl ins Drosselklappengehäuse eingespritzt. Damit ist gesagt, dass dieses System mit einem separaten Öltank versehen ist, untergebracht im oberen Rahmenrohr, und einer Ölpumpe, direkt am Öltank angebaut. Die sieben Deziliter Zweitaktöl sollen für fünf Tankfüllungen reichen, weil der Motor im Schnitt mit einer Mischung von 1:80 arbeitet.

Die Gemischbildung erfolgt durch nach unten gerichtete Benzineinspritzung in den aufsteigenden Luftstrom der beiden hinteren Überströmkanäle. KTM nennt dieses System Tranfer Port Injection, kurz TPI. Die Einspritzung wird von einer zentralen Rechnereinheit unter dem Sitz gesteuert, welche von mehreren Sensoren mit Daten versorgt wird. Die Motorsteuerung wie auch die Pumpen der Benzin- und der Öleinspritzung werden von einer auf 196 W vergrösserten Lichtmaschine versorgt. Ebenso waren Änderungen an Luftfilter und Luftzufuhr nötig.

Die Zweitakter mit Einspritzung wurden rund 500 Euro teurer, das ist gerechtfertigt. Vor der Fahrt stellen sich zwei Ernüchterungen ein: Die TPI-Zweitakter sind nach Euro 4 homologiert, doch das schaffen andere Hersteller auch mit Vergasermotoren. Die Hoffnung, dass mit der Einspritzung legal volle Leistung möglich ist, erfüllt sich nicht, die TPI-KTM sind, wie die Konkurrenzprodukte, in legalem Zustand allenfalls als Gehhilfen brauchbar. Die zweite Ernüchterung betrifft das Gewicht: Die TPI-Einspritzung samt Nebenaggregaten führt zu einem Gewichtszuwachs von etwa 3 kg. Die EXC-Zweitakter wiegen gemäss KTM ohne Benzin 103 kg, der 450er Viertakter aus gleichem Hause 106, der 350er Viertakter 104 kg. Berücksichtigt man dazu den leicht grösseren Tank der Zweitakter, ist ein Viertakter gleich schwer/leicht.

In Fahrt relativiert sich die unerfreuliche Gewichtsansage teilweise. Ein Zweitaktmotor hat weniger und leichtere sich drehende Wellen als ein Viertakter, darum fühlt sich die Front so spielerisch leicht an. Daran ändern ein paar wenige Kilo nichts, die neuesten Zweitakt-KTM fühlen sich an, wie sich Zweitakter anfühlen müssen. Man mag es oder eben nicht, Viertakt-Fahrer sind zu Beginn irritiert. Die Fahrwerke unterstützen diese Leichtigkeit des Singletrack-Wedelns. Die Open-Cartridge-Gabel funktioniert im Endurogelände sehr schön, beim Federbein wünschen sich schnelle Fahrer eine lineare Feder für weniger Bewegung im Heck. Die Bremsen sind super, das Getriebe lässt sich perfekt schalten, die Kupplung braucht wenig Handkraft, aber das dürfte den Leser dieser Zeilen nicht wirklich interessieren.

Die Fragestellung lautet: Wie funktioniert die Einspritzung? Sind diese Zweitakter jetzt leichtgewichtige Einsteigermotorräder? Der Schweizer Tuningpapst sagte mal im Laufe einer Diskussion: <Eine Einspritzung macht nichts anderes als ein Vergaser: Benzin mit Luft mischen. Ein gut abgestimmter Vergaser kann das genauso gut wie eine gut abgestimmte Einspritzung.> KTMs TPI-Einspritzung ist übers ganze gesehen gut abgestimmt, die Motoren haben enorme Power und hängen über den ganzen Drehzahlbereich schön am Gas. Gasannahme, Drehmoment aus niedrigen Drehzahlen und Spitzenleistung sind hochgradig überzeugend, doch man kann nicht sagen, dass man das mit einem passenden Vergaser nicht so hinkriegen könnte.

Dennoch hat die Einspritzung einige Pluspunkte. Man braucht merklich weniger Benzin, selbst die für ihre Trinksitten berüchtigte 300er. Mit dem 9 l grossen Tank hat man die gleiche Praxis-Reichweite wie die Kumpel mit den Viertaktern und 7,5 l im Tank. Man kann dann an der gleichen Zapfsäule tanken und braucht sich um die Dosierung der Ölbeimischung nicht zu kümmern.
Muss ein Zweitakter mit Vergaser in langen Bergab-Passagen zwischendurch mit Gasstössen durchgeputzt werden, ansonsten der Motor kraftlos röchelt, wenn man wieder Gas gibt, kann man mit den TPI-Zweitaktern auf solche Qualm- und Lärmproduktion verzichten. Ursache für dieses Phänomen ist ja Benzin, das sich an den Wänden von Motorgehäuse und in den Überströmkanälen niederschlägt, weil die Strömungsgeschwindigkeit sehr klein ist. Gibt man wieder Gas, reisst der beschleunigte Gasstrom dieses Benzin wieder mit, und der Motor läuft so überfettet, als hätte man den Choke gezogen. Das entfällt dank der Einspritzung ebenso wie wiederholte lästige Selbstzündungen in langen Bergab-Passagen bei geschlossenem Gasgriff.
Weiter dürfte der Ölverbrauch kleiner sein, weil sich in der Praxis die Wenigsten trauen, 1:80 zu mischen. Je nach Vollgasanteil und –dauer wäre das auch nicht zu empfehlen.

Wir testeten auf etwa 300 m über Meer. Ob die Einspritzung weniger oder gar nicht auf Höhenunterschiede reagiert, können wir nicht sagen, theoretisch müsste es so sein. Moderne Zweitakter mit Vergaser funktionieren erfahrungsgemäss zwischen Meereshöhe und 1500 m brauchbar, Geschichten von ständiger Düsen-Umschrauberei sind übertrieben.

Beim Zweitakter verändert ein geringer Hubraumunterschied von 50 ccm den Charakter markant. Die 300er reagiert deutlich spontaner und energischer auf Bewegungen am Gasgriff als die 250er. Die 300er gönnt dem Fahrer kaum eine Konditions-Schonzone im tiefsten Drehzahlbereich. Offensichtlich lief unsere Test-300 etwas magerer als die gleichzeitig gefahrene 250er. Das Schliessen des Gasgriffs bei hoher Drehzahl quittierte die 300er oft mit einer einzelnen Detonation (Selbstzündung vor dem Zündfunken), was der 250er fremd war. Dafür konnte man mit der 300er lange Hänge mit geschlossenem Gasgriff runterrollen, da störte keine einzige Selbstzündung. Bei der 250er gab es schon den einen oder anderen verdrückten Huster, aber ungleich weniger als mit einem Vergasermotor.

Wir fuhren die Zweitakt-KTM im Rahmen eines Trainings beim Schweizer Veranstalter Dany Wirz Offroad (www.offroad-training.ch) auf dem dortigen Endurogelände, das keine Wünsche offen lässt. Wir wurden uns nicht einig. Dirk Thelen und Rene Dietrich bejubelten die 300er als hocheffizientes Powergerät, deren überreichliche Leistung sich präzise dosiert einsetzen lässt. Thelen (49) war vier Mal Deutscher Enduromeister und WM-Dritter, Dietrich (35) machte sich einen Namen als Extremendurist und Erzberg-Finisher.
Christop Berger (31) und der Autor dieser Zeilen (57) empfanden die spontan am Gas hängende 300er als mühsam bis nervig und bevorzugten die im unteren Drehzahlbereich gutmütiger agierende 250er. An dieser kritisierten Thelen und Dietrich wiederum einen leicht verzögerten Leistungseinsatz auf das Öffnen des Gasgriffs, was von beiden als hochgradig störend empfunden wurde. Berger fährt die Schweizer Enduromeisterschaft mit nationaler Lizenz (Deutschland: B-Lizenz), ihr Autor ist Hobbyendurist und konnte bislang vermeiden, dass sein Name auf einer Rangliste von Bedeutung auftauchte.

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