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Heinz Kinigadner: Wie kann die Dakar sicherer werden?

Von Günther Wiesinger
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Heinz Kinigadner warnt seit mehr als zwei Jahren vor den gefahren des Rallye-Sports. Nach dem Tod von Paulo Gonçalves ist die Diskussion um mehr Sicherheit neu entfacht worden.

Der tödliche Unfall von Paulo Gonçalves bei der Rallye Dakar hat die Diskussion über die Sicherheit bei diesen Offroad-Langstrecken-Wettbewerben wieder neu belebt. In den letzten zwei Jahren hatten sich fast alle Topfahrer mehrmals arg verletzt, das Material wurde immer besser, die Konkurrenz immer stärker, der Kampf um Minuten immer anspruchsvoller.

Aber keiner sich will ernsthaft mit Abrüstungsgesprächen beschäftigen. Es existieren keine zündenden Ideen. Der Hubraum wurde längst auf 450 ccm reduziert, der Tankinhalt von 50 auf 30 Liter, aber die Gefahr bliebt unverändert hoch, die Geschwindigkeiten sind exorbitant geworden. Wer sich auf dem unbekannten Terrain nur fünf Prozent Sicherheitsmarge gönnt, kommt für den Sieg nicht mehr in Frage.

«Es ist die große Frage, wie man die Gefährlichkeit besonders bei den Motorrädern reduzieren kann», sagt KTM-Berater Heinz Kinigadner, selbst siebenfacher Dakar-Teilnehmer. «Was willst du machen? Das ist genau das Thema. Du könntest den Top-Speed auf 150 beschränken. Das wäre kein Problem. Heute fährt man 170 oder 180. Ich habe mit dem Veranstalter am Sonntag nach dem Unfall von telefoniert. Wir haben beratschlagt, welche Ideen und Konzepte man künftig verfolgen oder planen sollte. Ich bin davon ausgegangen, dass bei der Dakar irgendwann wieder ein tödlicher Unfall passiert... Matthias Walkner sagte mir, er habe jeden Tag vier bis fünf Situationen, wo er sich denkt: ‚Jetzt habe ich Glück gehabt.‘ Auf zwölf Etappen sind das mehr als 50 brenzlige Situationen. Dass du dann 50 mal Glück hast, ist halt nicht normal.»

Der Dakar-Veranstalter überlegte nach dem Tod von Paulo Gonçalves, ob schon bei der nächsten Etappe für die Motorräder eine Geschwindigskeitbegrenzung vorgeschrieben werden sollte.

Kinigadner: «Aber ich habe gesagt, die Motorräder, wenn du den Speed zum Beispiel auf 130 reduziert, dann müssen die Fahrer pausenlos visuell auf die Armaturen und das Dashboard runterschauen, so ein Manöver würde die ganze Action noch gefährlicher machen. Und wenn du mit 130 einen Köpfler über den Lenker machst, tut es auch ganz schön weh.»

«Eine Patentlösung ist schwierig. Denn die Strecken müssen so ausgewählt werden, dass sie auch ein Auto und ein Lkw passieren können… Man kann nicht einmal eine Enduro-Strecke für Motorräder mit 80 km/h oder 100 km/h Schnitt suchen», gibt Kinigadner zu bedenken. «Das wäre schwierig. Außerdem kann man nicht mit 125er statt 450er Motoren antreten, die gerade noch 130 km/h laufen. Das wäre weder attraktiv noch sinnvoll.»

Ob die Dakar-Rallye noch in die heutige Zeit passt, ist ein anderes Thema. Dieses Thema wird irgendwann für den gesamten Motorsport gelten. Aber die Dakar-Rallye soll zumindest noch vier weitere Jahre in Saudi-Arabien stattfinden.

Kinigadner: «Man muss ganz ehrlich sagen, die Dakar hat natürlich zum Teil ihren Ruf und ihr Image bekommen, weil allen Beteiligten klar war, dass auch etwas passieren kann. Die Dakar ist immer noch eine Veranstaltung, bei der etwas Schlimmes passieren kann. Besonders für die Motorradfahrer wird man diese Gefahr auch in Zukunft nicht 100-prozentig ausschließen können.»

Trotzdem wird natürlich ohne Unterlass über Verbesserungen nachgedacht. «Man könnte zum Beispiel komplett ohne Mechaniker fahren», meint Heinz Kinigadner, der als gelernter Bäcker und Konditormeister zu seiner Zeit heilfroh über die Hilfe der Mechaniker war. «Ich würde trotzdem einen Radikalschnitt machen und die Mechaniker ausschließen. Damit der Wettbewerb wirklich wieder zum Abenteuer wird. Natürlich gibt es das Argument, dass die Fahrer dann alle übermüdet und fertig sind und deshalb Gefahr laufen, beim Fahren mehr Fehler zu machen. Aber man müsste halt die Zeit limitieren, in der sie am Gerät arbeiten dürfen. Es stimmt zwar absolut, dass ähnliche Vorschriften bei den Enduro Six Days oft erfindungsreich umgangen werden. Aber bei der Dakar würden die Fahrer in der laufenden Zeit arbeiten.»

Doch heute hat jeder Topfahrer quasi zwei Rucksackfahrer im Feld, die ihn bei Defekten unterstützen und ihm Material (quasi aus dem Rucksack) geben. Und wenn diese Wasserträger nicht mehr gebraucht werden dürfen, sinken die Startfelder und die Nenngebühren. «Dann werden für Veranstalter A.S.O. die Einnahmen geringer. Es entsteht ein Business-Case-Problem», weiß Kinigadner. «Bei der A.S.O. muss das Geschäftsmodell auch stimmen.»

«Dazu testen wir seit einiger Zeit den Airbag mit Alpinestars», verrät der 59-jährige Tiroler. «Wir sind da schon relativ weit. Aber das Problem ist: Jeder Fahrer kugelt in den Dünen am Tag zwei- bis dreimal vom Motorrad. Dann ist der erste Schuss des Airbags weg. Du kannst jedoch bei einer Rallye nicht dauernd die Patronen austauschen und den Airbag neu präparieren. Das ist ja arbeitsaufwändig. Und der Impact, wenn du in ein Loch reinspringst, kann so heftig sein, dass sich der Sensoren-gesteuerte Airbag jedes Mal öffnet. Er geht bei jeder außergewöhnlichen Belastung los.»

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