Rosberg-Opel von 1995: DTM-Legende braucht Zeit
Auch wenn die beiden Helden der goldenen DTM-Ära auf dem welligen Stadtkurs im Herzen Nürnbergs nicht über die volle Distanz gehen konnten, so leisteten sie doch einen nicht unwesentlichen Beitrag zu einer Gala-Vorstellung der alten DTM.
«Wir haben von vornherein gewusst, dass es in erster Linie darauf ankommen würde, den vielen zehntausend Fans zwei besondere, klassische Renntourenwagen zu präsentieren, die sie lieben und die sie sehen möchten», fasste Stefan Mücke nach dem DTM-Wochenende auf dem Norisring zusammen. «Auch wenn wir im DTM Classic Cup diesmal nicht über die volle Distanz gehen konnten, so nehmen wir doch wertvolle Erkenntnisse mit nach Hause.»
Einmal erwies sich der Stadtkurs im Herzen Nürnbergs mit seinen Bodenwellen, noch dazu bei hochsommerlicher Hitze, als ein besonderer Prüfstein. Dennoch nahmen Mücke und sein Teamkollege Ronny Scheer die Herausforderung an. Zum einen kam anstelle des am Lausitzring sechs Wochen zuvor siegreichen Ford Sierra RS 500 Cosworth Gruppe A der Ford Mustang GT 5.0 des Kelberger Sammlers Guido Momm zum Einsatz. Der Berliner Sanitär- und Heizungsbau-Unternehmer Gerd Ruch setzte das in Eigenregie aufgebaute und eingesetzte US-Coupé in dieser Form von 1989 bis 1994 in der DTM ein. Nach längerer Restaurationszeit kehrte das Original-Chassis im Oktober des vergangenen Jahres auf dem Norisring in den Rennbetrieb zurück.
Nachdem die vor neun Monaten aufgetretenen Hürden in Form eines fragilen Teller-Kegelrades inzwischen genommen sind, erwies sich die starre Hinterachse des Ford Mustang als die nächste Schwachstelle – respektive deren Aufhängung.
Neukonstruktion der Hinterachse
«Wir kommen um eine Neukonstruktion der Hinterachse nicht herum», erklärt Mücke. «Das Gripniveau unserer heutigen Reifengeneration ist höher als zur Urzeit dieser Klasse-1-Fahrzeuge der ersten Stunde, als noch mehr gedriftet worden ist. Das bedeutet, dass die Kräfte deutlich ungefilterter in die Antriebskomponenten einwirken. Hinzu kommt, dass die Sprünge und Bodenwellen im Laufe der Jahre auch nicht besser werden.»
Das Resultat: Der Achskörper verdrehte sich innerhalb der vorgegebenen Aufhängungspunkte. Nach dem ersten von zwei punktberechtigten Läufen am Samstagnachmittag war eine Reparatur mit den vor Ort vorhandenen Mitteln weder möglich noch anzuraten.
«Wir haben noch eine zweite Hinterachse aus dem Original-Bestand von Gerd Ruch übernommen. Aber es macht wenig Sinn, sie am Norisring mit all seinen liebenswerten Spezifika einzubauen und Gefahr zu laufen, sie gleichsam binnen kürzester Zeit abschreiben zu müssen.»
Stattdessen zog Mücke Motorsport Classic den mobilen Zeitzeugen für den Rennsonntag zurück, um ihn bei den ADAC Sachsenring Classic für den Eigentümer Guido Momm und Stefan Mücke bei den TWL erneut in Betrieb nehmen zu können. «Wir haben dort sehr viel weniger Sprünge und Bodenwellen zu erwarten – während wir an einer neuen Hinterachs-Konzeption arbeiten, können wir dort bedenkenlos noch einmal mit dem NOS-Altteil antreten.»
Auch wenn ihn die Fans der Rüsselsheimer Marke wie einst frenetisch feierten: Der Opel Calibra V6 4x4, 1995 von Ex-Weltmeister Keke Rosberg gefahren, braucht noch Entwicklungszeit.
Das war das Fazit des noch aufwändigeren Einsatzes des technisch komplexen Klasse-1-Boliden. Eine im Laufe der Jahre oxidierte Schraubverbindung des Schaltgestänges bescherte Mücke einen unplanmäßigen Boxenstopp. Sein Vater Peter Mücke erklärte im Live-Interview: «Genau das sind die Effekte, die sich erst einstellen, wenn man tatsächlich auch mit so einem Auto ein Rennen fährt.»
Aufgeben gilt nicht
Aufgeben gilt allerdings nicht bei der Berliner Truppe, nach aufwändiger Teilzerlegung des Allradlers ging Ronny Scheer, souveräner Sieger bei der zweiten Punktrunde auf dem Lausitzring, noch einmal ins zweite Qualifying am frühen Sonntagmorgen. Bei dieser Gelegenheit zeigte sich, dass der über den Winter neu aufgebaute Ex-Werkswagen einen etwas größeren Anlauf benötigt.
«Wir sollten nun erst einmal das auf dem Norisring nochmals länger gewordene Lastenheft abarbeiten», sagte Stefan Mücke. «Natürlich war uns das im Vorfeld bewusst. Wir haben aber auch gesehen, mit welcher Begeisterung die Ankündigung dieses einzigartigen Opel-Rennwagens vor wenigen Wochen aufgenommen worden ist. Uns war und ist daran gelegen, dieses lebendige Stück Tourenwagen-Renngeschichte genau dort zu präsentieren, wo es aus unserer Sicht hingehört – auf der Rennstrecke.»
Zu einem späteren Zeitpunkt der laufenden Saison, so die derzeitige Planung, soll der Calibra nach verschiedenen Modifikationen in relevanten Details in den DTM Classic Cup 2022 zurückkehren.