Transparenzkrise: Punktevergabe in der Hard-Enduro-WM

Manuel Lettenbichler
Während die Top-Fahrer wie Manuel Lettenbichler und Billy Bolt um den Titel kämpfen, fehlt es für alle Fahrer an einer detaillierten Übersicht, die zeigt, wer in welchem Rennen welche Punkte wofür geholt hat. Stattdessen gibt es nur die knappe Gesamtrangliste – ein Mangel, der nicht nur Fans und Journalisten frustriert, sondern auch die Fahrer selbst verunsichert.
Ein Update der «FIM Hard Enduro World Championship Regulations» vom 28. Mai 2025 regelt die Punktevergabe für Multistage-Events wie das Silver Kings in den USA oder das Sea to Sky in der Türkei neu. Das theoretische Ziel? Mehr Fairness, Strategie und Wettbewerb, indem Punkte nicht nur für das Gesamtergebnis, sondern auch für tägliche Leistungen vergeben werden.
Was heißt das im Detail? Vorweg: Es ist kompliziert! Für Einzeltages-Rennen gibt es die klassische Skala bis 20 Punkte für den Sieger, plus Bonuspunkte aus dem Prolog (3-2-1 für die Top-3). Bei Multistage-Events, wie dem zweitägigen Sea to Sky oder dem Silver Kings, wird's kompliziert: Bis zu 20 Punkte für die Gesamtwertung (wieder 20-17-15 usw. für die Top-15), ergänzt um bis zu 10 Punkte pro Renntag (10-9-8... für die Top-10, capped bei 20 insgesamt). Tiebreaker? Weiteste erreichte Checkpoints oder bester Prolog-Rang. Klingt strategisch clever – aber nur, wenn man nachvollziehen kann, wie die Punkte fließen, was selbst für erfahrene Motorsportler nicht ohne weiteres möglich ist. Und da es nicht einfach 20 Punkte mehr für einen Sieg sind, ist der Promoter faktisch zur Transparenz verpflichtet.
Eine zumindest indirekte Abweichung von den eben erst geänderten Regeln gab es schon zwei Wochen nach der Veröffentlichung beim zweiten WM-Lauf, dem Silver Kings Mitte Juni 2025. Dort siegte Manuel Lettenbichler und bekam dafür insgesamt 42 Punkte. Doch zur Ermittlung des Siegers wurde offenbar das «Olympische System» angewandt: Kumulierte Platzierungen ohne die fein abgestimmte Trennung, wie sie das Mai-Update vorschreibt. Im Ergebnis war die Punktvergabe zwar identisch, aber auch das war unmittelbar aus dem Ranking nicht ersichtlich. Der Promoter ProTouchGlobal, vertreten durch Ross Whitehead, lieferte trotz Versprechen bislang keine detaillierte Aufschlüsselung.
Beim jüngsten Event Sea to Sky wurde das neue System auch hinsichtlich der Ermittlung des Siegers angewendet. Lettenbichler gewann mit dem Mountain Race das Hauptrennen, wurde somit der Sieger des Events und erhielt insgesamt 41 Punkte. Doch wieder: Keine öffentliche Liste, die zeigt, wie die einzelnen Rennen in die Gesamtpunkte bei den FIM-Fahrern einflossen. Die Supplementary Regulations fordern explizit die schnelle Publikation detaillierter Ergebnisse inklusive Punkte und Zeiten – elektronisch und am Noticeboard. Doch auf der offiziellen Website? Fehlanzeige! Lediglich die klassischen Ergebnislisten sind dort über Links abzurufen, aber die Verteilung der Punkte wird nicht ausgewiesen.
Doch nicht nur Außenstehende mahnen. Die frisch gegründete World Enduro Riders Association (WERA), angeführt von Präsident Alfredo Gomez, Vize Mario Roman, Secretary Billy Bolt und Sprecher Manuel Lettenbichler, setzt auf genau diese Transparenz als Kern ihrer Mission: Mehr Fairness und Professionalität in der Hard-Enduro-Szene. Beim Sea to Sky haben Gomez und Lettenbichler den Promoter direkt um eine detaillierte Punkteübersicht gebeten – bislang vergeblich. «Als Fahrer brauchen wir das bei einem so komplizierten System unbedingt», teilte Lettenbichler mit. Auch unabhängige Quellen wie Journalisten und Insider haben Whitehead mehrmals kontaktiert: Keine Datei, kein Web-Update – nur Versprechungen, die bislang nicht erfüllt wurden.
Und nein, das ist eben kein Kleinkram. In einer WM, wo jeder Punkt zählt, untergräbt mangelnde Transparenz das Vertrauen. Fans können nicht verstehen, wie genau die Punkte eigentlich zustande gekommen sind. Und die Integrität? Die Regulations schreiben vor: Ergebnisse müssen «so schnell wie möglich» publiziert werden, inklusive aller Details. Warum passiert das nicht? Wenn man eine offizielle WM veranstaltet und die Punktevergabe nicht unverzüglich aus dem Ärmel schütteln kann, dann sollte man sich über kritische Fragen nicht wundern.
Der neue Promoter ProTouchGlobal und die FIM haben die Serie im Mai mit einem neuen Punktsystem verändert. Aber Transparenz ist der Schlüssel für Vertrauen. Eine einfache Excel-Tabelle oder Web-Tabelle pro Event würde ja schon reichen: Fahrer, Rennen, Stages, Punkte. Eine WM ohne diese Transparenz ist keine WM. Die WERA hat den Ball ins Rollen gebracht; jetzt liegt es am Promoter, unverzüglich aufzuschließen. Sonst riskiert die FIM-Hard-Enduro-WM ihren Ruf als faire Königsklasse des Offroad-Motorradsports. Es ist Zeit für Offenheit und Transparenz.
Es bleibt zu hoffen, dass vor Lettenbichlers Heimrennen, dem GetzenRodeo am 24. und 25. Oktober 2025 in Grießbach, geliefert wird und alle wissen, woran sie sind.