Formel 1: Verstappen von Ford beeindruckt

Ferrari: Grosse Ziele für 2025, enttäuschende Bilanz

Von Mathias Brunner
Ferrari vor McLaren, das passiert 2025 viel zu selten

Ferrari vor McLaren, das passiert 2025 viel zu selten

​Für viele Insider galt Singapur als die beste Chance für Ferrari, 2025 noch einen Grand Prix-Sieg zu erobern. Zu ihnen gehört auch Charles Leclerc. Geht das stolze Ferrari in dieser Saison sieglos aus?

Der Monegasse Charles Leclerc hat in Texas einen feinen dritten Platz eingefahren – aber am Sieg schnuppern konnte er auch dieses Mal nicht.

Der achtfache GP-Sieger Charles Leclerc hatte schon in Monza gesagt: «Unsere beste Chance auf einen Sieg wittere ich für die Strassenkurs von Baku und Singapur. Danach wird es für uns schwierig.»

Aber schwierig wurde es schon in Aserbaidschan und in Singapur. Auf Strecken, wo Ferrari regelmässig glänzen konnte, kämpften der 28-jährige Monegasse Leclerc und der englische Superstar Lewis Hamilton mit einem Rennwagen so wankelmütig wie eine italienische Opern-Diva.

Das Modell SF-25 bleibt eine Wundertüte: mal aus dem Nichts heraus schnell, dann wieder mittelmässig bis erschreckend schwach, leider oft dann, wenn’s draufankommt. So wie auch in Texas. Leclerc: «Wir verstehen diese Leistungsschwankungen nicht.»

Ferrari-Teamchef (57) machte gute Miene zum bösen Spiel: «Beim SF-25 ist alles am Limit. Es ist kein einfaches Auto zu fahren, auch nicht, wenn es darum geht, vor der schnellen Runde die Reifen richtig vorzubereiten. Manchmal sind die Walzen zu Beginn der Runde in einem hervorragenden Zustand, aber nicht am Ende der Runde. Es ist alles auf Messers Schneide.»

Leclerc in Texas: «Wir haben eine solide Quali gezeigt, aber wir müssen noch so viel mehr verstehen über dieses Auto. Denn diese Leistungs-Unterschiede am gleichen Wochenende sind einfach nicht normal, und dabei ändern wir das Auto noch nicht mal fundamental. Das müssen wir uns alles detailliert anschauen.»

Oft haben wir in den vergangenen Jahren Ferrari für verpatzte Rennstrategien angeprangert, aber dieses Mal haben die Italiener sehr viel richtig gemacht: Sie schickten Charles Leclerc (Startplatz 3) auf weichen Reifen ins Rennen.

Charles: «Auf der Startaufstellung guckte ich mich um und dachte – nanu, was ist denn nun los? Ich erkannte, dass ich der einzige Fahrer da vorne auf weichen Reifen war. Klar machst du dir dann Sorgen, ob das wohl die richtige Entscheidung ist.»

«Auf weichen Reifen loszufahren, das war ein erhebliches Risiko. Mein Plan war, mit etwas Glück und dank der besseren Haftung der weichen Reifen als Erster aus der ersten Kurve zu kommen und dann in freier Fahrt zu meinen Walzen Sorge zu tragen.»

Ein verwegener Plan? Vor einem Jahr startete Charles von P4 und führte nach der ersten Kurve!

Der achtfache GP-Sieger weiter: «Vielleicht war das alles ein wenig gar optimistisch. Aber wer nicht wagt, der nicht gewinnt. Gegen Lando hat es gereicht, gegen Max nicht. Dafür ist Verstappen einfach zu gut losgefahren.»

In der Folge erlebten die Fans zwei Mal ein Duell Leclerc gegen Norris, der Engländer musste zwei Mal am Monegassen vorbei, der zwischendurch tief in die Trickkiste griff.

Charles: «Das hat Spass gemacht gegen Lando. Schade nur, dass wir dabei letztlich den Kürzeren gezogen haben. Aber nach einem sehr durchwachsenen Wochenende am Ende auf dem Siegerpodest zu stehen, das macht mich glücklich.»

Leclerc hat seinen ersten Podestplatz seit Ende Juli in Belgien errungen.

Lewis Hamilton hat in der Formel 1 so viele Rekorde errungen, aber auf diesen hier war er gewiss nicht scharf: Mit dem 19. Grand Prix der Saison 2025 auf dem Circuit of the Americas bei Austin geht seine Durststrecke ohne GP-Podestplatz weiter, Rang 4 in Texas.

Um genau zu sein, gibt es keinen Ferrari-Werksfahrer in der Königsklasse, der länger auf seinen ersten Podestplatz warten musste. Beim Franzosen Didier Pironi dauerte es 18 Grands Prix, dann gewann er auf umstrittene Art und Weise in Imola 1982 den Grossen Preis von San Marino.

Der unvergessene Gilles Villeneuve fühlte sich nach dem Rennen von Pironi betrogen (es ging um einen Nichtangriffs-Pakt) und schwor, nie wieder ein Wort mit Didier zu sprechen.

Was auf tragische Art und Weise geschah, denn beim folgenden GP-Wochenende verlor der Kanadier sein Leben.

Die einzigen Podestplatz-Highlight für Hamilton 2025: Sieg von Pole im Sprint von China, dritter Rang im Sprint von Miami.

Der siebenfache Champion konnte von Glück reden, sich vor Piastri und Russell ins Ziel zu retten, denn er berichtet kurz vor Schluss, er habe vorne rechts wohl einen platten Reifen.

Aber Hamilton konzentriert sich auf das Positive, wie er nach seinem vierten Platz im USA-GP sagt: «Ein tolles Mannschaftsergebnis, mit Charles auf dem Podest, und das zeigt, dass wir endlich in der Spur sind.»

«Das Rennen war ganz okay. Leider hatte ich einen schlechten Start und verlor beträchtlich an Boden. Zum Glück konnte ich in Kurve 1 einige Ränge wieder gutmachen.»

«Ich machte mir eine ganze Weile lang Hoffnungen auf den dritten Platz, aber nach dem Stopp lag ich um zehn Sekunden hinten, und damit war dieser Traum geplatzt.»

Ivan Capelli: «Fahrer haben zu wenig Vertrauen ins Auto»

Der frühere GP-Pilot Ivan Capelli (62) schätzt die Lage bei Ferrari wie folgt ein und deutet dabei an, dass es sich hier um Probleme handelt, die möglicherweise bis zum Schluss der Saison nicht gelöst werden können.

Der Mailänder sagt: «Der Ferrari liegt oft sehr unruhig, und die Fahrer haben dann alle Hände voll, die Kontrolle über den nervösen Wagen zu behalten. Das Fahrverhalten des Autos ist nie gleichmässig, ich habe immer den Eindruck, dass die Fahrer viel zu selten das notwendige Vertrauen in den Wagen aufbauen können und in gewisser Weise immer dem Auto hinterherhinken.»

«Und wir haben nun auch verschiedene Male erlebt: Die Rundenzeiten in gewissen freien Trainings, ab und an auch in Q1 und Q2, sind durchaus ermutigend, aber wenn es dann um letzte Feineinstellungen geht, dann löst sich der schöne Speed von Ferrari in Luft auf.»

Ex-Teamchef: Probleme gehen tiefer

Von 2014 bis Anfang 2019 hat Maurizio Arrivabene die Geschicke des Formel-1-Rennstalls von Ferrari geleitet. Dann hat der heute 68-Jährige aus Brescia keinen Vertrag mehr erhalten. Ferrari-Präsident John Elkann ersetzte ihn durch Technikchef Mattia Binotto. Was war passiert?

Angeblich habe Fiat/Chrysler- und Ferrari-Präsident Elkann während der Feiertage zu Weihnachten und Neujahr beschlossen, dass die Rennabteilung von Ferrari eine andere Führung benötige. Arrivabenes Nachfolger Mattia Binotto spielte nach dem Personalwechsel eine heikle Doppelrolle – Teamchef und Technikleiter.

Sebastian Vettel hatte 2018 wie im Jahr zuvor das Titelrennen gegen Lewis Hamilton und Mercedes verloren. Besonders bitter daran – Ferrari schien zu Saisonbeginn und bis in den Sommer hinein das bessere Fahrzeug zu besitzen.

Fahrfehler von Sebastian Vettel, Strategiepatzer von Ferrari, vor allem jedoch eine effizientere Entwicklung bei Mercedes führten dazu, dass die Silberpfeile ab Sommer mehr Erfolg hatten, die Italiener erneut unterlagen und inzwischen seit 2007 (Kimi Räikkönen) ohne Fahrer-WM-Titel sind.

Aber das verlorene Titelrennen allein war es wohl nicht. Auch der Führungsstil von Arrivabene stand damals auf den Prüfstand.

Es war davon die Rede, dass er zu viel alleine entscheiden wollte, das habe bei seinen Mitarbeitern zu Murren geführt. Er habe Mitarbeiter eingeschüchtert, worüber keiner bis heute öffentlich spricht und folglich als Hörensagen eingestuft werden muss.

Was keine Mutmassung ist: Arrivabene fuhr auf dem Rennplatz eine Informations-Politik etwas über dem Nullpunkt. Er war der einzige Teamchef, der über FIA-Medienrunden und einige kurze TV-Interviews hinaus für Berichterstatter nicht weiter zugänglich war. Keine besonders weise Vorgehensweise, wenn man am Ruder des berühmtesten Rennstalls der Welt steht.

Der langjährige Ferrari-Designer und heutige Dallara-Chef Aldo Costa: «Bei Ferrari bist du unter ständiger Beobachtung. Die Medien machen Druck, die Tifosi machen Druck, die Aktionäre machen Druck, der Barista macht Druck, bei dem du am Morgen einen Espresso trinkst.»

Der berühmteste Rennstall der Welt ist zum Erfolg verdammt, und gemäss des Beispiels Fussball muss jeweils der Trainer gehen, auch wenn die Mannschaft einen Mist zusammengekickt hat.

Die Saison 2022 war kritisch für Arrivabene-Nachfolger Mattia Binotto – der Schritt zu einer neuen Rennwagen-Generation wurde als grosse Chance angesehen, endlich wieder an die Spitze zu kommen und sich dort zu halten.

Aber dieses Ziel ist 2022 verfehlt worden, aus vier Gründen: Mangelnde Standfestigkeit des Motors, strategische Fehlentscheidungen in den Rennen, individuelle Fehler von Charles Leclerc und Carlos Sainz sowie der Boxenmannschaft (verpatzte Boxenstopps), und letztlich konnte Ferrari dem Entwicklungsprogramm von Red Bull Racing zu wenig entgegensetzen.

Seit Anfang 2023 rennt nun also Fred Vasseur dem Titel hinterher, und bei einer der seltenen Wortmeldungen meint Maurizio Arrivabene in der Tuttosport zum Stand der Dinge bei Ferrari: «Wir liegen bei Verbundwerkstoffen und Aerodynamik etwas zurück, denn wenn es um Motoren geht, sind wir immer noch besser als alle anderen.»

«Die Briten, vor allem in der Region um Oxford, haben diese Technologie entwickelt und sind uns voraus. Um diesen Rückstand aufzuholen, der sowohl auf Tradition als auch auf Kompetenz und Universitäten in der Nähe der Produktionsstätten zurückzuführen ist, müssen wir hart arbeiten. Aber wir holen auf.»

«Das erfordert Geduld, aber ich sehe Ferrari auf dem richtigen Weg. In England arbeiten 30.000 Menschen in diesem Sektor – es geht nicht nur darum, Rennen zu gewinnen, sondern auch um den industriellen Fortschritt.»

Arrivabene glaubt durchaus, dass Fred Vasseur die richtige Person ist, um Ferrari zum Titel zu führen, aber er gibt zu bedenken: «Ein Supersportwagen besteht aus 5000 Komponenten, und man hat vier Jahre Zeit, ihn zu perfektionieren. In der Formel 1 gibt es 50.000 Komponenten und nur sechs Monate Zeit. Wenn man da auch nur einen Fehler macht, muss man ihn die ganze Saison mit sich herumschleppen, und es ist sehr schwierig, ihn zu korrigieren.»

«Fred Vasseur ist ein seriöser Mensch und versteht seinen Job. Aber ich glaube, ich hatte es etwas leichter, weil ich Italienisch sprach und jede Nuance, jedes Wort und jede Idee von jedem verstehen konnte.»

Wie lange dauert die Durststrecke?

Wer hätte das vor der Formel-1-Saison 2025 gedacht? Das stolze Ferrari ist seit mehr als elf Monaten ohne Sieg bei einem Grand Prix, Ende Oktober gewann Carlos Sainz in Mexiko.

Kurz davor hatte Charles Leclerc in Texas und Monza gewonnen. Ferrari hatte tollen Speed, und die Tifosi glaubten fest daran, dass 2025 mit Superstar Lewis Hamilton ein Wörtchen um den Titel mitgeredet werden kann.

Weit gefehlt.

Seit inzwischen 23 Rennen kein Sieg für die berühmteste Scuderia der Welt, wann musste Ferrari vergleichbar lange auf Erfolge warten? Es ist gar nicht so lange her: Eine Durststrecke von Österreich 2022 (Charles Leclerc) bis Singapur 2023 (Carlos Sainz) dauerte sogar 25 sieglose Grands Prix.

Doch gemessen an anderen Durststrecken der Scuderia ist das noch gar nichts. Von Sebastian Vettels Sieg in der Nacht von Singapur 2019 bis zum Triumph von Leclerc beim WM-Auftakt in Bahrain 2022 vergingen 45 Rennen ohne Ferrari-Sieg, oder mehr als zweieinhalb Jahre!

Vettel 2019 bis Leclerc 2022 war die zweitlängste sieglose Phase von Ferrari in der Königsklasse, nur von Spanien 1990 (Alain Prost) bis Deutschland 1994 (Gerhard Berger) dauerte das noch länger, nämlich 59 Rennen.

Schmerzlich auch die Phase von Singapur 2015 (Sieg von Vettel) bis Australien 2017 (Vettel) – 27 Rennen ohne Sieg.

An sieglosen Ferrari-Saisons finden wir immerhin 15 Jahre: 2021, 2020, 2016, 2014, 1993, 1992, 1991, 1986, 1980, 1973, 1969, 1967, 1965, 1962 und 1957.
Wie es derzeit aussieht, kommt hier bald die Zahl 2025 hinzu.

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