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Tim Goss (McLaren): Die Haifischflossen bleiben

Von Mathias Brunner
Drei Techniker von McLaren sprechen über die gewaltige Herausforderung, einen tollen 2017er Renner zu bauen. Technikchef Tim Goss sagt: «Wir werden alle wie verrückt dazulernen.»

Technikbesprechung mit Tim Goss (leitender Techniker von McLaren), Matt Morris (Chefingenieur) und Peter Prodromou (Leiter der Aerodynamikabteilung). Sie sind die wichtigsten Gehirne hinter dem neuen McLaren MCL32.

Peter, wie rasant sind die Fortschritte, die derzeit gemacht werden?

Wir haben vor 18 Monaten mit diesem Konzept begonnen, und die Lernkurve ist sehr steil. Wir lernen jeden Tag dazu.

Tim Goss: Die Regeln sind zwischendurch ein wenig modifiziert worden. Die Änderung bei der Karosserie ist markant anders. Natürlich sind die Strömungsvorstellungen die Gleichen geblieben, aber es ist eine Abkehr vom früheren Konzept. Wenn du die grundsätuzliche Luftströmung verstehst, dann kannst du anfangen, Abtrieb zu suchen. Wir flogen eine geweisse Weile sozusagen blind. Sobald die Autos auf die Bahn gehen, werden wir sehr viel schlauer sein. Ich erwarte auch, dass einige Teams in Sachen neuer Teile Augenöffner auf die Bahn bringen. Alle lernen von den anderen.

Die nächste Unbekannte sind die Reifen. Wir haben von Pirelli sehr viele Daten erhalten. Drei Teams haben getestet. Es gab viel Transparenz von Pirelli. Aber selbst die drei Rennställe, die mit den Mailänder Walzen gefahren sind, waren ja nur mit umgebauten 2015er Rennern unterwegs. Auch sie bewegen sich in einer Grauzone mit diesen breiteren Reifen. Ich glaube auch, das Gefühl für den Piloten wird sich dadurch ändern. Auch hier gilt: Die Testfahrten sind noch wichtiger als sonst, weil wir alle ständig so viel dazulernen.

Peter, werden wir noch mehr Haifischflossen und T-Flügel wie am Mercedes erleben?

Ja, denn hier werden Lücken im Reglement genutzt. Also ist davon auszugehen, dass auch andere das machen werden. Bislang hat mich Mercedes beeindruckt, du siehst, wieviel Arbeit in diesem Wagen steckt. Grosse Überraschungen habe ich aber nicht erlebt angesichts der neuen Renner.

Angesichts der neuen Renner: Alle scheinen sich in die gleiche Richtung zu bewegen – höheres Heck, Haifischflosse, längerer Radstand. Tim, wo findet sich der Stein der Weisen?

Schwer zu sagen. Die schnellsten zwei Renner 2016 waren konzeptionell komplett verschieden, der Mercedes und der Wagen von Red Bull Racing. Wir haben eben ein neues Reglement erhalten, das wird mit heisser Nadel gestrickt und zwar in alle Richtungen. Zwischen Vorderrädern und Seitenkästen haben wir mehr Freiheiten erhalten, und es zeigt sich bereits jetzt, dass wir sehr unterschiedliche Lösungen sehen. Aber es ist gut möglich, dass sich die Teams da mit der Zeit angleichen.

Wo stehen wir in Sachen Streit um vernetzte Aufhängungen, Matt?

Das wird viel Getöse gemacht. Jeder hat seine eigene Ansicht, was erlaubt ist und was eben nicht. Wir glauben, wir haben eine vom Reglement her akzeptable Lösung gefunden. Wir erwarten keine Schwierigkeiten. Ich höre auch, dass Teams protestieren wollen. Ich glaube, um das Thema endlich zu beerdigen, bedarf es einer Änderung im Reglement. Wir müssen nun herausfinden, was die FIA da unternimmt.

Tim, wie haben sich die ganzen Änderungen ausgewirkt?

Änderungen sind eine gute Sache. Wenn du nichts änderst, dann bleibst du stehen. Es gibt Änderungen in der oberen Etage und in der mittleren, aber bei uns hat sich das nicht ausgewirkt in der Art und Weise, wie wir an die Arbeit gehen.

Matt, wie geht die Arbeit mit Honda?

Ich war in den letzten 18 Monaten im Schnitt zwei Mal pro Monat in Japan, um noch enger mit Honda zusammenzuarbeiten. Das trägt Früchte. Das Layout des Motors ist neu. Das ist ein Ergebnis dieser engen Kooperation. Wir wollten einen Motor, der ideal ins Auto passt und der die besten Triebwerke herausfordern kann. Wir glauben nicht, dass wir auf Anhieb auf Augenhöhe mit Mercedes fahren. Aber wir können die Lücke weiter schliessen. Weil das Wertmarkensystem mit den Token fallengelassen worden ist, erwarten wir uns hier in Sachen Entwicklung eine Menge. Aber alles muss immer Hand in Hand gehen: Chassis und Motor müssen im Einklang entwickelt werden, um Erfolg zu haben. Wir haben viel Zeit und Geld in die neue Architektur des Motors und die Einbingung ins Auto investiert, das wird sich gewiss auszahlen.

Peter, welches wird der aufregendste Bereich der neuen Renner?

Wir fanden alle das neue Reglement überaus aufregend. Es hilft auch, Leute im Team zu haben, die vor 2009 schon in der Formel 1 zu haben. McLaren hat sehr erfahrene Leute, das hilft. Der ganze Bereich bei den Luftleit-Elementen im Bereich der Eingänge der Seitenkästen sowie die Diffusoren sind wohl die aufregendsten Bereiche. Wir haben wir eine gesunde Basis gegossen, darauf wollen wir nun im Laufe der kommenden Monate aufbauen. Wir haben mit diesen Autos sehr viel Potenzial, das noch nicht erschlossen ist. Und das gilt gewiss für alle Rennställe.

Tim, wie stehst du zu Ross Brawn, der für Liberty Media die Formel 1 der Zukunft entwickeln soll?

Wir finden das fabelhaft, weil er den Sport durch und durch versteht. Er ist gut für den Sport. Er denkt langfristig. Wir gehen jetzt schon in die richtige Richtung: Die Autos sollen schneller sein, besser aussehen und für die Piloten schwieriger zu fahren. Das alles haben wir abgehakt. Nun will Liberty Media den Sport in die Zukunft führen, und Ross ist dabei der richtige Mann.

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