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Marc Surer vor Singapur-GP: «Vettel muss aufpassen!»

Von Mathias Brunner
​Der Schweizer Marc Surer, GP-Experte der deutschen Sky, analysiert die jüngsten Entwicklungen in Sachen Motoren und Transfermarkt und sagt, was wir vom Grossen Preis von Singapur erwarten dürfen.
Marc, die Katze ist endlich aus dem Sack – McLaren trennt sich von Honda und legt sich mit Renault ins Bett, Honda wird zu Toro Rosso geschoben. Welche Auswirkungen wird das alles haben?

Für mich ist Toro Rosso der grosse Gewinner. Denn erstmals sind sie gewissermassen Werksrennstall. Sie haben dank Honda einen Status, den sie so noch nie hatten. Ich schätze, sie bekommen auch tüchtig finanzielle Hilfe. Ich bin sehr gespannt zu erleben, was sie daraus machen werden.

Dafür musste Honda zunächst einmal die Arbeit auf die Reihe bekommen.

Ich erkenne Anzeichen, dass dies passieren wird. Sie haben sich zum Beispiel einverstanden erklärt, Hilfe von aussen anzunehmen. Sie haben sich zur Formel 1 bekannt. Und auch ich gehöre zu jenen, die davon überzeugt sind – irgendwann wird das mit dem Motor hinhauen.

Wie schätzt du einen McLaren-Renault ein?

Das kann ein schnelles Rennauto ergeben. McLaren muss das aber alles auch finanzieren. So viele Sponsoren sehe ich auf dem Auto nicht. Die Mitgift von Honda ist weg, die Gratismotoren aus Japan sind auch futsch. Die Teilhaber werden tief in die Tasche greifen müssen. Positiv ist: Wenn McLaren wieder vorne fahren kann, dann kommen auch die Sponsoren. Force India beweist, dass der Erfolg Geldgeber anzieht.

McLaren-Direktor Zak Brown argumentiert: Wenn Red Bull Racing mit einem Renault-Motor Podestränge einfährt, dann müssen wir das auch können. Siehst du das auch so?

Ja. Auf Pisten, auf welchen das Chassis eine grössere Rolle spielt, stand McLaren nicht schlecht da. Aber sie müssen ihre Philosophie ändern. Kein Auto ist so steil angestellt wie der McLaren. Das ist ein Trend, den Red Bull Racing in der Formel 1 salonfähig gemacht hat, mit einem Auto also, das vorne tief liegt und hinten hoch steht. Aber RBR selber ist ein wenig davon abgerückt, um auf schnellen Pisten Tempo zuzulegen, das hat sich in Monza bezahlt gemacht. Also muss sich McLaren entsprechend Gedanken machen.

Noch hat Fernando Alonso nicht bei McLaren-Renault unterzeichnet. Gibt es für dich etwas, was gegen dieses Abkommen spricht?

Nein, ich sehe keine Gründe. Alonso und Renault, das war früher eine fruchtbare Verbindung. Alonso weiss auch, wie gut das McLaren-Chassis ist. Williams wäre für Alonso ein Risiko, McLaren ist keines. Die brauchen einfach einen besseren Motor, und der Renault-V6 ist besser als der Honda.

Wie lautet deine Trainingsanalyse von Singapur?

Für die WM ist es ganz wichtig, dass Ferrari hier im Training die Kurve gekriegt hat. Sie begannen schlecht am Freitag, konnten sich dann aber markant steigern, Kompliment. Das war ein krasser Gegensatz zu Mercedes, die jedes Mal hervorragend vorbereitet zu den Rennstrecken kommen und in der Regel vom ersten Tag an schnell sind. Für mich ist in Sachen Abstimmung von Ferrari immer Kimi Räikkönen der Massstab. Ferrari kam nach Belgien, das Set-up für Spa-Francorchamps passte, und sofort war Räikkönen bei der Musik. Hier verlor Kimi viel Zeit, Vettel konnte fahrerisch glänzen, machte aber auch Fehler, weil er zu viel wollte. Nach dem ersten Tag dachte ich mir – mit einem solchen Auto wird das nichts für Ferrari. Dann haben sie aber über Nacht erhebliche Fortschritte gemacht. Und, was wir nicht vergessen dürfen, die Strecke selber hat immer mehr Haftung aufgebaut, was offenbar dem Ferrari mehr entgegen gekommen ist als anderen Autos. Die haben vier Sekunden gefunden, das muss man sich mal vorstellen!

Warum tut sich Mercedes auf langsamen Kursen so schwer?

Mercedes ist mit einer exzellenten Abstimmung nach Singapur gekommen, am ersten Tag waren sie konkurrenzfähig. Aber dann konnten sie sich nicht steigern, weil das Auto mit dem langen Radstand für solche Kurse einfach ungeeignet ist. Sie standen mit der Abstimmung an. Da war keine Entwicklung mehr zu sehen. Das ist ein konzeptionelles Problem. Sie haben dann versucht, die Flügel steiler zu stellen, was wir anhand der niedrigeren Spitzentempi erkennen konnten, aber auch das hat nichts gebracht.

Gut für Mercedes: Eine Piste wie Singapur kommt im letzten WM-Teil nicht mehr.

Das ist richtig. Die einzige Bahn, die teilweise ähnliche 90-Grad-Kurven aufweist, ist Abu Dhabi.

Wie wird hier in Singapur das Duell Sebastian Vettel im Ferrari gegen die Red Bull Racing-Piloten Max Verstappen und Daniel Ricciardo ausgehen?

Sebastian Vettel muss aufpassen. Die beiden Red Bull Racing-Fahrer wissen genau, dass es für Vettel um die WM geht, die können volles Risiko gehen. Wenn es wirklich hart auf hart geht, dann wird Vettel vom Gas gehen oder ausweichen, bevor es kracht – einfach deshalb, weil er weiss, dass er sich einen Ausfall im Duell mit Hamilton nicht leisten kann. Die Frage ist, ob Ricciardo und Verstappen diese Chance überhaupt erhalten. Vielleicht startet Seb ja so gut, dass er in der Nacht entschwindet. Wenn ich mir etwa die Dauerläufe vom Freitag ansehe, dann war da RBR eher stärker. Das können wir jedoch nicht 1:1 aufs Rennen umsetzen, weil Ferrari seit Freitag die Abstimmung erheblich verbessert hat. Ich bin selber gespannt, wie das ausgeht.

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