GP-Berichte: Vom Telex übers Fax zur digitalen Blüte

Von Günther Wiesinger
In den letzten 40 Jahren hat sich die Motorsport-Berichterstattung grundlegend verändert. Ein Blick zurück in die analoge Steinzeit und der hindernisreiche Weg in die Digital-Ära.

2017 wurde das 10-jährige Jubiläum des i-Phone von Apple gefeiert. Hm, welch ein Unterschied zu den ersten obskuren Mobiltelefonen von Nokia, Ericsson und so weiter, die keine Touchscreens hatten.

Das Smartphone wurde zum Arbeitsgerät, das sich keiner mehr wegdenken kann. Aber die Welt hat sich auch auf anderen Gebieten verändert.

Wer hätte vor 20 Jahren erwartet, dass man eines Tages mit dem Telefon aus der Hosentasche nicht nur Ferngespräche führen, sondern kostenlose WhatsApp-Nachrichten verschicken, facetimen, navigieren, fotografieren und 100 andere Sachen machen könnte, dass es als Wecker und beim Fliegen als Datenträger für die Bordkarte dienen würde?

Wie sind wir vor 20 oder 30 Jahren ohne Navi überhaupt jemals an ein Ziel gekommen?

Ja, man musste auf altmodische Weise mit Leuten reden, sie nach dem Weg fragen. Oder eine Landkarte rauskramen.

Und wer kann sich heute noch vorstellen, wie die Tätigkeit eines Journalisten vor 40 Jahren aussah?

Da schrieb man die Berichte auf einer klapprigen mechanischen Schreibmaschine, die Manuskripte mussten dann irgendwie in die Redaktion und in die Druckerei gebracht werden, sie wurden dort von Schriftsetzern in Blei gesetzt. Es wurde jeweils eine Zeile in Blei gegossen, spiegelverkehrt, dieses Metall wurde dann zu einer Seite geformt, von geschickten «Metteuren», Umbruchgestalter nannte man sie auf Deutsch.

Und wenn ein MotoGP-Rennen in Übersee stattfand? Dann wurde so ein Text praktisch dreimal geschrieben: Zuerst mit der mechanischen Hermes Baby- oder Olivetti-Schreibmaschine, dann auf dem Telex, nachher wurde der ganze Senf daheim in Blei gegossen.

Ja, was war ein Telexgerät?

Das Wort Telex stand für TELeprinter EXchange, man nannte diese Geräte auch Fernschreiber, es handelte sich um kolossale Texterfassungsmaschinen, die an eine Telefonleitung angeschlossen waren. Man konnte mit diesem System Textnachrichten verschicken, auch längere Texte. Das Teletex war der analoge Vorgänger von Fax und E-Mail.

Der Empfänger brauchte für das Telex-Netz irgendeine Telex-Adresse, man bezeichnete sie als Kennung, sie konnte zum Beispiel lauten: 27897de, wenn ich mich richtig erinnere.

Wenn man Texte für viele Printseiten schreiben musste, machte man das auf dem Telexgerät «lokal», also ohne Live-Telefonleitung, das wäre zu teuer gewesen. Man schrieb «lokal», die Texte wurden in einem 3, 5 oder 10 Meter langen schmalen Lochstreifen geprägt, der nach Fertigstellung über die Telefonleitung durchratterte.

Wenn man bei der Kennung eine Ziffer oder den Ländercode falsch wählte, landete der ganze Kram womöglich in einem Supermarkt statt in der Redaktion. Eine Fehlermeldung gab es nicht. Die Übertragungsgeschwindigkeit lag in Europa bei affenartig schnellen 50 Baud (ca. 7 Zeichen) pro Sekunde...

Telefax: Auch keine perfekte Lösung

In den 1980er-Jahren kamen die Telefax-Geräte auf. Ich denke, beim Belgien-GP 1981 habe ich erstmals meine Manuskripte per Telefax in die Redaktion übermittelt. Wenn die Leitungen qualitativ schlecht waren, wie beispielsweise in Osteuropa, waren die Seiten in der Redaktion in Zürich kaum zu entziffern – zu blass.

Man fuhr damals zum Beispiel am Sonntagabend nach einem Rennen in Brünn nach Wien, dort war die Telefonqualität besser; in anderen Ländern war es ähnlich.

Beim Motorrad-GP in Brasilien 1988 in Goiania wollte sich der Veranstalter durch die Telefax-Kosten sanieren. Er verlangte 45 US-Dollar pro übermittelter Seite. Ich hatte rund 50 zu verschicken, inklusive Ergebnislisten. Die Faxkosten waren höher als die Flugkosten.

Auch in der Formel 1 herrschten für die Journalisten Zustände, unter denen heute keiner mehr arbeiten würde. Auf dem Österreichring gab es ein Tragluftzelt für die Medien, bei Sommerhitze stiegen die Temperaturen auf 50 Grad.

Bernie Ecclestone war in den frühen 1980er-Jahren selbst Veranstalter des Österreich-GP, sein Statthalter war der Österreicher Ernesto Huppert. Kurier-Reporter Helmut Zwickl und ich ließen mit Einwilligung von Bernie und Ernst einen Wohnwagen neben das Media Centre stellen, in dem wir ohne Sauna-Temperaturen arbeiten und uns sogar verpflegen konnte. Das Wort Hospitality existierte damals noch gar nicht.

Und das Ensign-Team von Mo Nunn, für das damals Johnny Cecotto und Roberto Guerrero fuhren, hatte für zwei Fahrer genau einen Cosworth-Ersatzmotor.

A propos Helmut Zwickl. Ich erinnere mich noch, wie ich ihn zu Weihnachten 1991 überredete, von der blechernen Hermes-Schreibmaschine auf einen Compaq-Computer mit Euroscript-Schreibsoftware umzusteigen; damit konnten die Texte mit Hilfe eines externen Modems, das eigene Batterien brauchte, per Telefonleitung übermittelt werden.

Bei den analogen Telefonleitungen musste man nach Puls- und Tonwahl unterscheiden, bei Pulswahl musste vor der Telefonnummer ein «P» eingefügt werden. Kollege Zwickl schob den Compaq mehrmals angewidert von sich. Erst nach dem zweiten Stück Apfelstrudel fügte er sich ins sein digitales Schicksal.

Schulhefte, keine offiziellen WM-Stände

Es gab damals bei den Leihautos auch noch keine freien Kilometer. So kostete damals ein winziges Gruppe-A-Leihauto für Rennen, die 200 km vom Airport entfernt ausgetragen wurden, für 3,5 Tage rund 1300 Euro.

A propos Ergebnislisten: Viele Jahre lang veröffentlichten die GP-Promoter nur Ergebnislisten. Das Erstellen der WM-Stände oder Rundentabellen war ihnen zu mühsam.

Ich führte jahrelang ein kariertes Schulheft, Fahrernamen und Punkte pro Grand Prix wurden mit blauer Farbe eingetragen, der jeweils neue Gesamtpunktestand in roter Farbe.

Die Formel 1 war dem Motorradsport immer ein paar Jahre voraus. Bei den Motorrad-GP schrieb ich die Rundentabellen der fünf oder sechs Rennklassen pro Tag in mein Notizbuch, quasi als Grundlage für meine Rennberichte, Live-TV gab es nicht, erst in den 1980er-Jahren.

Einmal kritzelte ich die Rundentabelle zum 350-ccm-Rennen auf dem Salzburgring auf dem Dach des Motorhomes von Kenny Roberts senior, es war wohl 1978; es wurde viel geblödelt, sein Crew-Chief Kel Carruthers samt Töchtern stand auch dabei. Kenny fragte irgendwann: «Günther, wie viele Runden sind noch zu fahren?» Nach einem kurzen Blick auf meine gewissenhaften Aufzeichnungen entgegnete ich wie aus der Pistole geschossen: «7».

In der nächsten Runde wurde das Rennen mit der karierten Flagge abgewinkt. Ich hatte beim Herumblödeln sechs oder sieben Runden verpasst...

Kenny erkundigte sich: «Sind deine Aufzeichnungen immer so zuverlässig?»

Auch Kollege Dieter Stappert, einst Formel-1-Topjournalist und später Formel-1-Rennleiter bei BMW, tappte einmal in die Rundentabelle-Falle. Er schrieb für mich in den 1980er-Jahren den 250-ccm-Bericht aus Jarama, weil mein Flug schon um 16.25 Uhr ging. Er notierte die Startnummern, suchte die Namen der Fahrer im Rennprogramm dann versehentlich in einer anderen Klasse zusammen – und musste alles neu schreiben.

Filmtransport per Luftfracht mit Tücken

Jahrelang war das rechtzeitige Beschaffen von GP-Bildern für eine Tageszeitung oder Motorsport-Wochenzeitschrift recht mühsam. Die großen Tageszeitungen erhielten manchmal Funkbilder von Fotoagenturen, das klappte in der 1970er-Jahren bereits, aber nur schwarz-weiß.

Für Motorsport aktuell mussten wir bei den Übersee-Rennen oft vom Donnerstag-Training Bilder per Luftfracht verschicken, Rio in Brasilien, von Fuji in Japan, von San Carlos in Venezuela, von Suzuka in Japan, von Laguna Seca, von Buenos Aires, von Johannesburg beim Kyalami-GP. Das war manchmal mit stundenlangen Autofahrten zum Flughafen verbunden. Manchmal blieb die Luftfracht dann beim Umladen in Chicago, Miami oder Tokio hängen, weil dort in den Frachtbüros am Wochenende nicht wirklich gearbeitet wurde. Nur bei Direktflügen klappte es besser.

Dieses System hatte klare Tücken: Erstens waren im ersten Training am Donnerstag die Tribünen leer, zweitens war es am Donnerstag oder Freitag manchmal sonnig, am Sonntag regnete womöglich es in Strömen. Oder umgekehrt. Wenn dann ein namenloser Außenseiter gewann, war der womöglich gar nicht auf den 20 oder 30 verfrachteten 36er-Bildrollen zu sehen.

Mit dem Auftauchen der ersten Computer und Scanner konnten erstmals s/w-Bilder oder s/w-Negative gescannt und übermittelt werden, später auch Farbnegative und Dias.

Und 1991 kam der erste Digital-Fotoapparat auf den Markt, 1992 stellten auch namhafte Firmen wie Rollei, Sony und Kodak ihre Digital-Prototypen vor.

Der technische Fortschritt war nicht allen Kollegen geheuer. Beim Motorrad-GP von Finnland in Imatra 1976 wunderte sich 50-ccm-Pilot Gerhard Thurow über Horst Briel vom «PS»-Magazin. «Der Briel spricht dauernd mit seinem Fotoapparat.» Der Kollege verfügte aber einfach über ein analoges Tonbandgerät, das damals so groß und schwer wie ein 500 Seiten dickes Sachbuch war. Er wollte nicht alles ins Notizbuch schreiben.

Ein älterer Kollege konnte sich nicht vorstellen, dass man im Media Centre beim Belgien-GP 1981 ein Blatt Papier in einen 2 Meter hohen Kasten legen konnte und dieser Zettel nachher in Wien bei der Tageszeitung als Telefax wieder rauskam.

Also telefonierte der Kollege die Texte lieber noch jahrelang durch, eine Sekretärin mit Kopfhörer tippte die Berichte dann auf Manuskriptpapier.

Das führte natürlich zu Hörfehlern. Aus «Flugvorführungen des Bundessportsvereins» wurden «Flugvorführungen des Hundesportvereins.» Tatsächlich geschehen.

Da wir bei MSa auch über Autoslaloms, Bergrennen, Trial, Cross, Enduro und so weiter berichteten, hatten wir in den 1970er-Jahren am Sonntag oft 20 analoge Tonbänder auf dem Schreibtisch liegen, die dann abgeschrieben wurden. Mit gelben Klebezetteln stand dann drauf: Formel 3 Hockenheim oder Motocross Rudersberg. Denn nicht jedes Pressebüro hatte ein Telex, manche hatten nur Telefonkabinen.

Manchmal wurde ein Tonband aus Versehen mit einem neuen Rennbericht überspielt, bevor der alte Text abgeschrieben war...

Heute – im Zeitalter von E-Mail, PDF, Google, Internet und so weiter – hören sich diese Vorkommnisse surreal an.

Es gab Kollegen, die die Mobiltelefone als Teufelszeug betrachteten und sich die Frage stellten: «Ohne Telefonschnur, wie soll das funktionieren?»

Diese Herrschaften sträubten sich auch gegen Einspritzanlagen und Vierventilmotoren beim Privatauto und womöglich gegen Teufelszeug wie Digital-Kameras.

Ich betrachte mich gar nicht als übertriebenen Technikfreak. Aber ich interessierte mich immer für alle neuen Technologien, die mir beruflich und privat das Leben erleichtern konnten, oft war die Neugier der stärkste Antrieb.

Australien-GP 1992: Rund 700 Euro Telefonkosten

So war ich im März 1992 beim Japan-GP in Suzuka der erste GP-Berichterstatter, der einen hochmodernen Compaq-Computer mit externem Modem mitschleppte, das mit 300, 1200 oder 2400 Baud übermitteln konnte. Die im Layout vorgegeben Texte konnte ich damit auf die Zeile genau schreiben.

Die Übermittlung war freilich oft eine Wissenschaft, weil die analogen Leitungen von Übersee damals zu schwach waren, weshalb die Übermittlung oft einfach abbrach. Es gab noch kein ISDN und schon gar kein WLAN oder ADSL. Das Highspeed-Internet war noch viele Jahre entfernt.

Man musste vor der Übermittlung rausfinden, ob das Telefon mit Pulswahl oder Tonwahl funktionierte, es war ein Horror. In Suzuka 1992, später 1996 in Indonesien und Brasilien war die Übermittlung eine zeitraubende und nervenzermürbende Angelegenheit. In Brasilien gab es verschiedene Telefongesellschaften, die alle ihre eigenen unterschiedlichen Vorwahlen für die jeweiligen Städte hatten.

Zum Glück wusste unser IT-Spezialist Gerhard Bächli meistens eine Lösung.

1992 zahlte ich beim Australien-GP rund 700 Euro Telefonkosten, erst ein Jahr später konnte man sich mit einer lokalen Telefonnummer auf irgendeinen Server in Australien einwählen, dann kostete die Geschichte nur noch 70 Euro pro Grand Prix. Die Leitung beim Australien-GP 1992 war so mies, dass mir der Telefon-Provider einen «modem isolator» vermietete, der die Nebengeräusche wegfilterte und rund 5 kg wog.

Meine Kollegen im Pressebüro betrachteten meinen Compaq-Computer und das ganze Zubehör, als sei ich der größte Erfinder seit Edison.

Als irgendwann beim Barcelona-GP erstmals ein Wireless Local Area Network (WLAN) funktionierte, habe ich das als wahren Freudentag empfunden, eine Riesenerleichterung. Heute eine Selbstverständlichkeit.

Wenige Jahre zuvor hatten wir die GP-Berichte noch mit Tandy-Computern und Akustikkopplern übermittelt, die einfach über normale Telefonhörer gestülpt wurden. Die Speicherkapazität des Tandy-Rechners reichte nicht einmal für einen Grand Prix-Text.

Inzwischen ist man in den meisten Pressebüros auf der ganzen Welt innerhalb von fünf Minuten online. An jeder Hausecke lauert ein digitaler Hotspot.

Aber es war nicht immer ratsam, gleich mit Vollgas auf den neuesten Technik-Trend aufzuspringen. Ich erinnere mich an den Beginn der E-Mail-Ära. Als man noch analoge Leitungen hatte und sich mit dem Laptop oder Notebook erst mühsam einwählen musste, checkten viele Adressaten die ungewohnten E-Mails nur einmal in der Woche... Da war dann ein Telefonanruf sinnvoller, wenn es sich um ein dringendes Thema handelte.

Und jetzt bahnt sich der nächste Technologieschritt an. Es existiert bereits eine Software, die selber Texte verfasst, wenn sie mit gewissen Informationen gefüttert wird. Bisher sind die Ergebnisse noch sehr dürftig und armselig.

Ob sich dieser «Roboter-Journalismus» durchsetzt? Wer weiß.

Manchmal wünsche ich mir ja einen Roboter, der während meiner Kaffeepause zum Beispiel für mich erforscht: Wann gab es die erste Digitalkamera? Wann wurde das e-Mail-System erfunden?

Irgendwann brauchen wir keine Fremdsprachen zu lernen, weil der «Google Translater» alles brauchbar übersetzt. Und irgendwann werden Audio-Files von einem Roboter abgeschrieben und übersetzt werden.

In welchem Jahr ich auf welchem Motorhome-Dach die Rundentabelle fürs 350er-Rennen vermurkst habe, das wird uns jedoch kein Roboter jemals verraten. Richtig guter Journalismus wird nie aussterben, ja vielleicht im Zeitalter der «Fake News» sogar an Wert gewinnen. Die Frage ist nur, ob und wie er finanziert werden kann.

Aber vielleicht ist hier der Wunsch Vater des Gedankens.

Vielleicht gewinnt ein Roboter in zehn oder 20 Jahren den Literaturnobelpreis.

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