Vor Grand Prix in Austin: Fremdschämen in den USA
Nicht zuletzt dank der Generation Netflix ist die Formel 1 in den USA endlich angekommen: Der Grosse Preis auf dem Circuit of the Americas (COTA) bei Austin (Texas) ist seit 2012 gewachsen und zieht pro Rennwochenende 500.000 Fans auf die Rennanlage.
Die Formel 1 ist wieder sexy und «Formula One Management» nutzt das mit Läufen in Miami (Florida) und der Rückkehr nach Las Vegas (Nevada).
Jahrelang hat sich die Königsklasse in der neuen Welt schwergetan. Das legendäre Indy 500 auf dem Indianapolis Motor Speedway gehörte von 1950 bis 1960 zur Formel-1-WM, war aber immer ein Fremdkörper – andere Autos, kaum ein US-Fahrer bei Grands Prix, kaum ein GP-Fahrer beim 500.
Sebring (Florida) im Jahre 1959 und Riverside (Kalifornien) im Jahre 1960 floppten wegen schlechter Organisation, Finanzierung und Vermarktung. Es blieb bei Einzelauftritten.
Erst in Watkins Glen (von 1961 bis 1980) fand der Grosse Preis der USA ein zuhause, als im Bundesstaat New York kein Geld für Modernisierung in die Hand genommen wurde, zog der Formel-1-Zirkus weiter.
Der Strassen-GP von Long Beach in Kalifornien (1976 bis 1983) wurde zu einer festen Grösse, dann stellten die Kalifornier fest – der IndyCar-Sport kostet weniger und bietet mindestens so guten Sport.
Ein erster Auftritt in Las Vegas 1981/1982: ein Desaster. Mehr dazu gleich.
Ein Strassen-GP in Detroit hielt sich immerhin von 1982 bis 1988, dann war auch dort Feierabend.
Vorstellungen in Dallas 1984 und in Phoenix (von 1989 bis 1991): Pleiten, Pech und Pannen, auch dazu gleich noch mehr.
Für die Formel 1 in Indy (aber dieses Mal richtig) nahmen die Betreiber des Motor Speedway viel Geld in die Hand, aber die Zeit war noch nicht reif für die grossen Fan-Massen. Nach 2007 war Schluss.
Ein neues Zuhause fand die Königsklasse erst 2012 auf dem Circuit of the Americas bei Austin (Texas), heute einer der beliebtesten WM-Läufe für Fans und Fachkräfte zugleich.
Was viele heutige COTA-Besucher nicht wiessen: Ein Formel-1-Rennen in Texas hatten wir schon mal, und auch der Auftritt der Formel 1 in Las Vegas ist nicht neu.
Zunächst Las Vegas: Ausgerechnet das WM-Finale 1981 fand auf dem riesigen Parkplatz des Caesars Palace-Hotels statt, wo ein Micky-Maus-Kurs ohne Charakter eingezwängt wurde.
Drei Piloten konnten damals noch Weltmeister werden: Williams-Fahrer Carlos Reutemann (49 Punkte), Brabham-Pilot Nelson Piquet (48) sowie Ligier-Fahrer Jacques Laffite, der 43 WM-Zähler nach Nevada mitbrachte.
Ein Problem für die Fahrer: Der Kurs führte gegen die Uhrzeigerrichtung. Zudem war es im Training ungewöhnlich warm für die Jahreszeit. Piquet musste sich von jenem Masseur behandeln lassen, der sich normalerweise um den Boxer Sugar Ray Leonard kümmerte.
Reutemann eroberte die Pole-Position, neben ihm ging Williams-Stallgefährte Alan Jones ins Rennen. Der Australier und der Argentinier waren sich spinnefeind, Jones machte vor dem Rennen klar, dass es keine Hilfe für Reutemann geben würde.
Im Rennen ging Jones sofort in Führung, während Reutemann gleich zurückfiel und nur als Fünfter aus der ersten Runde zurückkehrte. In Runde 2 kam es für Carlos knüppeldick: An seinem Williams hatte sich der vierte Gang verabschiedet. Als er später auch noch vom WM-Rivalen Piquet überholt wurde, war Reutemann so gebrochen wie sein vierter Gang. Er wurde nur Achter.
Piquet hatte andere Probleme: Sein Nacken machte schlapp. Er rettet sich nur 1,5 Sekunden vor Laffite als Fünfter ins Ziel, das waren exakt jene zwei Punkte, die er brauchte, um Reutemann in der WM zu überholen – der Brasilianer wurde erstmals Weltmeister.
Das Rennen ein Jahr später war auch nicht besser.
Der besagte Parkplatz wurde 2003 überbaut. Die neuen Formel-1-Grossaktionäre von Liberty Media machen das mit dem kommenden Las-Vegas-GP besser – gefahren wird in der Nacht und unter Einbezug des weltberühmten Vegas Strip. Spektakulär!
Und wie war das nun in Texas?
Wir wissen nicht, wer für die GP-Premiere von Dallas 1984 die Schnapsidee absegnete, ausgerechnet im Juli nach Texas auszurücken. Wir wissen nur, dass sich bei Temperaturen um die 40 Grad die Piste aufzulösen begann und in aller Eile notdürftig repariert werden musste.
Schnellhärtender Beton war nur teilweise die Lösung. Reifentechniker von Goodyear trauten ihren Augen kaum, als sie die Pistentemperatur massen – 66 Grad! Williams-Fahrer Keke Rosberg trotzte der Hitze am besten und gewann.
Die dritte Peinlichkeit in Sachen USA-F1-Strecken: Phoenix.
Es gehört zur skurrilen Historie um den drei Jahre lang veranstalteten Formel-1-Lauf in Phoenix, dass ein Rennen mit Straussen mehr Zuschauer anlockte als im gleichen Jahr der Formel-1-WM-Lauf (nein, wirklich!).
Wir waren zwar nicht beim Straussenrennen, aber wir waren beim Strassen-GP, und daher wissen wir: Der Zuschaueraufmarsch zum Grand Prix war ab dem Jahre 1989 wirklich peinlich.
Dazu ein völlig einfallsarmer Kurs, eine Ansammlung von 90-Grad-Kurven. Die Fahrer rümpften zurecht die Nase.
Wie populär die Formel 1 damals war, zeigte meine Taxifahrt. Ich kam am Flughafen an und bat den Fahrer gutgläubig, mich bitteschön zur Rennstrecke zu bringen.
Wir endeten an einer Hunderennbahn.