Yamaha steht vor Einigung mit neuem Kundenteam

Turbine statt Turbo: Story des genialen Fehlschlags

Von Mathias Brunner
​Die neue Turbohybrid-Ära der Formel 1 geht ins siebte Jahr. In den 60er und 70er Jahren sollte im Spitzenmotorsport eine Turbinen-Ära anbrechen, aber das ging gründlich schief. Wir sagen wieso.

Renault debütierte 1977 mit einem Abgasturbolader in der Formel 1, die Franzosen leisteten Pionierarbeit in der Königsklasse, aufgeladene Motoren gab es jedoch schon lange. Die Geschichte der Aufladung ist nur unwesentlich jünger als jene des Verbrennungsmotors.

Gottlieb Daimler (1885) und Rudolf Diesel (1896) versuchten durch Vorkompression der dem Motor zugeführten Luft die Motorleistung zu erhöhen und den Kraftstoffverbrauch zu verringern. Der klassische Abgasturbolader, wie wir ihn heute noch kennen, wurde von einem Schweizer erfunden – von Alfred Büchi. In seinem Patent aus dem Jahre 1905 wird beschrieben, die vorhandene Energie der Abgase (Wärme- und kinetische Energie) für den Antrieb einer Turbine nutzbar zu machen. Die Turbine treibt wiederum einen Verdichter an, der die angesaugte Luft vorverdichtet.

Eine richtige Turbine hingegen, das ist eine ganz andere Geschichte, und die hat mit Renault oder dem guten Herrn Büchi gar nichts zu tun. Auch hier war die Formel 1 durchaus nicht Trendsetter. Eine Gasturbine in einem Rennwagen, das gab es schon 1955. Allerdings bestritt dieses Fahrzeug nie ein Rennen – es handelte sich um eine Fingerübung von Ingenieuren der US Air Force, die eine Boeing-Turbine in ein Chassis zimmerten, das ihnen von der Reifenfirma Firestone zur Verfügung gestellt worden war.

Der erste ernstzunehmende Turbinen-Renner entsprang einer Zusammenarbeit zwischen Rover und dem Formel-1-Team BRM. Das Ergebnis war ein Sportwagen, der unter Graham Hill und Richie Ginther am 24-Stunden-Rennen von Le Mans 1963 teilnahm. Hätte man ihn unter den Benzinern gewertet, wäre der Renner immerhin Achter geworden. 1965 wurde eine weiterentwickelte Version Gesamt-Zehnter.

Drei Jahre später tauchte Howmet mit einem Turbinen-Rennwagen in der Sarthe auf. Der Howmet-Renner war ein interessantes Rennexperiment, der Name hatte Programm: TX stand für Turbine und Experimental. Es sollte versucht werden, einen Rennwagen mit einer Gasturbine konkurrenzfähig zu machen. Ray Heppenstall plante das Fahrzeug, dessen Chassis bei McKee Engineering entstand, die Turbine kam von Continental Aviation & Engineering. Hauptsponsor war Howmet Castings (heute Alcoa Howmet), eine Firma für Gusstechnik.

Bis heute ist der Howmet der einzige Gasturbinenrenner, der auch gewonnen hat – in Form von zwei Siegen bei SCCA-Rennen (Sports Car Club of America). Später wurde der TX für Geschwindigkeitsrekorde verwendet.

Nach Versuchen von Rover mit BRM in Le Mans und von Andy Granatelli in Indianapolis war Ray Heppenstall zum eigenen Versuch inspiriert. Mehrere Firmen lehnten seine Avancen ab, bei Tom Fleming (damals Vize-Chef von Howmet) fand er Gehör – die Firma baute das Gehäuse der Turbine und gab dem Projekt ihren Namen.

Bei Bob McKee wurden zwei Chassis gebaut, eine Abwandlung des CanAm-Renners, dazu ein komplett neuer Wagen. Die Turbinen wurden bei Continental Aviation & Engineering geleast. Es handelte sich um Prototypen, die eigentlich für einen Militärhubschrauber vorgesehen waren. Sie gaben bei maximal 57.000/min 325 PS ab. Über einen Drehmomentwandler und ein Untersetzungsgetriebe wurden die Hinterräder des Howmet TX angetrieben. Wegen des breiten nutzbaren Drehzahlbandes der Turbine war ein konventionelles Getriebe nicht erforderlich, sodass die Wagen nur eine einzige Untersetzung hatten. Das Untersetzungsverhältnis im Ausgleichsgetriebe aber konnte schnell verändert werden, damit die Wagen an unterschiedliche Rennkurse angepasst werden konnten.

So gab es auch keinen Rückwärtsgang. Heppenstall wollte anfangs ganz ohne Rückwärtsgang auskommen, aber die FIA bestand auf einem kleinen, von der Turbine über einen Generator angetriebenen Elektromotor, mit dem die Wagen zurückgesetzt werden konnten.

Die Ergebnisse durften sich sehen lassen. Siebtschnellste Trainingszeit in Daytona, lange auf Rang 3, dann aber Ausfall wegen eines Problems mit dem Wastegate. In Sebring war das Auto schon Drittschnellster im Training, es folgte jedoch erneut ein Ausfall, dieses Mal wegen Trümmerteilen, welche in die Turbine geraten waren.

In Brands Hatch rutschte der Wagen wegen eines Problems mit dem Wastegate nach sieben Runden von der Bahn. Danach holten die Amerikaner den Wagen in die Heimat zurück – Probleme waren dort einfacher zu lösen als bei den europäischen Langstreckenrennen. In Huntsville (Alabama) gewann der Howmet zwei SCCA-Rennen.

In Watkins Glen kehrte die Truppe auf die internationale Sportwagenbühne zurück. Die Autos lagen lange auf den Rängen 3 und 4 (hier wurden beide Renner eingesetzt), dann schied einer aus, der andere wurde Klassensieger. Howmet holte damit vier Punkte in der Langstrecken-WM.

In Le Mans wurden die Autos von technischen Problemen geplagt, dann überschlug sich Thompson ausgerechnet in der Indianapolis-Kurve. Das Auto wurde zerstört. Der andere Renner ist noch heute bei historischen Anlässen zu sehen.

Howmet fand dann Ende 1968, das Projekt habe zu wenig Interesse erzeut und zog denn Stecker.

Nach dem legendären Auftritt des Turbinen-Renner STP-Paxton ST6 beim 1967er Indy 500 (Parnelli Jones lag haushoch überlegen in Führung, aber kurz vor Schluss fiel er wegen eines Cent-Defekts aus) kommen wir zu Innovator Colin Chapman (wem sonst?).

Der Lotus-Gründer hatte für Andy Granatellis STP-Team den 1968er Indy-Keil namens Typ 56 gebaut, doch auch dieses Mal ging die Turbine leer aus: Unfall von Graham Hill, technische Defekte von Art Pollard und Joe Leonard. Leonard hatte geführt …

Nun wollte Chapman die Pratt & Whitney-Turbine in der Formel 1 ausprobieren. Das Modell 56B wurde 1971 von drei Fahrern bei drei verschiedenen WM-Läufen ausgeführt – von Dave Walker in den Niederlanden, von Reine Wisell in England, von Emerson Fittipaldi in Italien.

Die beiden grössten Probleme des Fahrzeugs: Es war zu schwer, denn es war auch mit Allrad-Antrieb ausgerüstet, und die Turbine sprach zu wenig spontan an.

In Zandvoort hätte der Australier Walker jedoch Rennhistorie schreiben können: Auf nasser Bahn überholte er dank des Allrad-Antriebs in den ersten fünf Runden zwölf Gegner, dann rutschte er leider von der Bahn.

Emerson Fittipaldi brachte in Monza den Wagen als Einziger ins Ziel, auf Rang 8.

Heute gibt es einen bestimmten Grund, wieso niemand mehr das Experiment mit einer Gasturbine wagt: Das heutige Reglement erlaubt einen solchen Motor nicht.

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