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Mattia Binotto (Ferrari): «Vom Coronavirus bestraft»

Von Mathias Brunner
Mattia Binotto

Mattia Binotto

​Seit 2007 ist Ferrari ohne Fahrer-WM-Titel. Teamchef Mattia Binotto versucht einen Scherz: «Bis zum nächsten Titel wird es sich nicht wieder 21 Jahre dauern, wie damals vor Michael Schumacher.»

Ferrari steckt in der Krise: Auch 2020 wird es nichts mit dem Gewinn des WM-Titels. Seit Kimi Räikkönen 2007 in Rot Weltmeister wurde, hat es nicht mehr geklappt für einen Ferrari-Fahrer, weder Fernando Alonso wurde mit Ferrari Formel-1-Champion, noch Sebastian Vettel. Im Gespräch mit meinem Kollegen Carlo Vanzini von der italienischen Sky versucht Teamchef Mattia Binotto einen Scherz: «Es wird sicher nicht wieder 21 Jahre dauern, wie während der letzten Durststrecke.» Das war von den Titeln 1979 mit Jody Scheckter bis zu Michael Schumacher im Jahre 2000.

Der 51jährige Binotto sagt: «Wir haben in den vergangenen Jahren ein paar Mal um Siege und Titel gekämpft. Aber es gab auch sieglose Saisons, wie 1990 oder 1994. 2020 nun ist eine besonders schwierige Saison, nicht nur wegen unserer Probleme, sondern auch wegen des grösseren Zusammenhangs Corona. Wir konnten nicht wie erhofft entwickeln und modifizieren. Und die Saison 2022 rückt näher mit einer ganz neuen Modellgeneration, wir werden bald sehr viel Energie in dieses Projekt stecken müssen. 2020 wird eine Ausnahmesaison bleiben.»

Binotto erkennt einen Lichtblick: «Wir haben einige Verbesserungen am Wagen, die sich bewährt haben. Unsere Hoffnung besteht darin, kleine Fortschritte zu machen, die uns ungefähr wieder auf das Leistungsniveau bringen vom Beginn der Saison.»

Binotto gilt als immer ausgeglichen, einigen Beobachtern kommt er als zu wenig autoritär vor für den Job des Teamchefs. Vanzini sagt: «Ich will dich ein wenig wütend machen – wie könnt ihr nur eine so schwierige Saison hinlegen?» Mattia gibt zur Antwort: «Ich war schon bei den Fragen zuvor wütend. Aber ich bin einfach der Meinung: Mit der Faust auf den Tisch hauen, das ist nicht die Lösung. Wir haben das Projekt verpatzt, wir hatten uns für den falschen Lösungsweg entschieden. Corona hat uns eingefroren und bestraft.»

Apropos bestraft: Binotto hat zugegeben, dass nach Einwänden der Regelhüter des Autosport-Weltverbands FIA am Motor Änderungen vorgenommen werden mussten. Aus dem kraftvollsten Triebwerk 2019 wurde der schwächste Motor 2020. Die FIA und Ferrari haben über die Erkenntnisse in Sachen Motorinspektion Stillschweigen vereinbart, was die Gegner bis heute verärgert.

Binotto besteht darauf: «Wenn unser Triebwerk illegal gewesen wäre, so hätte man uns disqualifiziert. Der Verband hat sich jedes einzelne Element angeschaut, sie haben nichts Irreguläres gefunden. Gegen kein Bauteil wurde je Protest eingelegt. Wir haben ein Abkommen getroffen, das dazu führt, dass Grauzonen im Reglement geklärt worden sind. Dass dieses Abkommen geheim bleibt, ist für mich normal, schliesslich können wir schlecht unsere ganzen Pläne preisgeben.»

Im Juli sagte Mattia Binotto zu diesem Thema: «Das Reglement ist sehr schwierig und kompliziert. Seit vergangenem Jahr haben zahlreiche technische Direktiven der FIA einige Bereiche geklärt. Wir mussten uns diesen Direktiven anpassen. So wie Andere auch. Aber aus Sicht von Ferrari bedeuteten diese Anpassungen, dass wir einen Teil Leistung verloren haben.»

Die Formel-1-Rennställe hatten zuletzt am 4. Juni Post bekommen von Nicholas Tombazis. Der Grieche ist beim Autosport-Weltverband der leitende Techniker für Einsitzer. Der frühere Ferrari-Chefdesigner hat vier Direktiven versandt, drei zum Motor, eine zur Abnahme von Material beim Boxenstopp.

Bei den Motor-bezogenen Richtlinien ging es um Folgendes: Die technische Direktive 18/20 beschrieb den Einsatz eines zusätzlichen Sensors. Dieser sollte genauer messen, wie viel elektrische Energie vom Hybridsystem abgegeben wird. Hier wird also geprüft, ob die gesammelte Energie gemäss Reglement ins Antriebssystem fliesst.

Bei Richtlinie 19/20 ging es um den Ölverbrauch, der in der Saison 2020 auf drei Deziliter pro 100 Kilometer verringert worden ist (2019 waren es noch 0,6 Liter). Die FIA-Regelhüter wollten verhindern, dass Öl als leistungssteigerndes Element in den Benzinkreislauf eingegeben wird. Richtlinie 20/20 schliesslich drehte sich um eine genauere Kontrolle der Daten aus der Benzinfluss-Regelung.

Die FIA nahm nie Stellung zur Frage, ob diese drei neuen Motor-Richtlinien eine direkte Folge des vertraulichen Abkommens mit Ferrari sind.

Das Grundproblem des Ferrari anno 2020: Die Aerodynamik basierte auf der überlegenden Motorleistung. Aber die verpuffte durch die ganzen Änderungen. Damit war das Fahrzeugkonzept kompromittiert.

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