Stefan Johansson warnt: Sport oder nur Unterhaltung?
79 Formel-1-WM-Läufe hat der Schwede Stefan Johansson in seiner Grand-Prix-Karriere bestritten, der heute 65-jährige Le Mans-Sieger von 1997 hat danach seine Laufbahn in den USA fortgesetzt. Den Kontakt zur Formel 1 hat der frühere Ferrari- und McLaren-Fahrer nie verloren, regelmässig schreibt er in seinem überaus lesenswerten Blog über jüngste Ereigbnisse in der Königsklasse und im IndyCar-Sport.
Der WM-Fünfte von 1986 warnt, dass sich die Formel 1 an einem gefährlichen Punkt befindet. Er schreibt über die packende WM-Saison 2021 und das dramatische Finale zwischen Max Verstappen und Lewis Hamilton: «Unterm Strich hätten beiden den Titel verdient. Sie sind auf einem so hohen Niveau gefahren, und beide Rennställe zeigten überragende Leistungen auf Augenhöhe. Es wäre ein unglaublicher Abschluss des Jahres gewesen, hätte die Saison offen und ehrlich auf der Rennstrecke geendet.»
«Stattdessen haben wir diese endlose Kontroverse und Polarisation. Ich bin sicher, die Leute von Liberty Media beklagen sich nicht, denn das alles hat die Formel 1 in Sachen Zuschauerinteresse auf ein neues Niveau gehoben.»
«Wenn wir aber diese Richtung weiterverfolgen, dann begeben wir uns auf sehr gefährliches Territorium. Wir müssen aufpassen, dass wir nicht zum motorsportlichen Schaukampf verkommen, quasi als Rennversion des WWF (Freistilringen), wenn alles nur noch eine Show ist, und der Sport gemessen an der Unterhaltung sekundär ist.»
«Die Netflix-Sendung (Drive to Survive, M.B.) hat dazu beigetragen, den Bekanntheitsgrad der Formel 1 immens zu steigern, ganz besonders in den USA. Dieser Effekt ist nicht zu verleugnen, aber ich weiss, wie viele Fahrer und Teams über die Doku denken. Was mich angeht, so musste ich nach einer Viertelstunde abschalten.»
«Ich halte es für wichtig, dass wir eine gute Balance finden. Mir ist klar, dass Marketing und Social Media in jeder Hinsicht wichtig sind, aber es wäre mir zuwider, würden die Fahrer zu einer Art Komödianten verkommen und nicht so gezeigt wie sie wirklich sind – als mutige, junge Männer, die auf der Rennstrecke ihr Ding machen.»