Formel-1-Rennwagen 2022: Feuerwerk für die Fans

Von Mathias Brunner
Die neue Rennwagengeneration

Die neue Rennwagengeneration

Ab 23. Februar kommt die neue Rennwagengeneration zum ersten Wintertest auf den Circuit de Barcelona-Catalunya. Die Fans dürfen sich auf ein Feuerwerk freuen, sollten gleichzeitig aber ihren Augen nicht trauen.

Endlich ist sie da, die neue Rennwagengeneration 2022. Die aufregend aussehenden Modelle sollen es den Piloten erlauben, sich besser in den Windschatten ihrer Gegner zu setzen und somit besseren Sport zeigen zu können. Die Techniker der Formel 1 und des Autosport-Weltverbands FIA sind sicher – mit diesen Autos werden die Grand-Prix-Asse den Fans Feuerwerk bieten. Aber wer hat das neue Reglement auf Anhieb am besten hinbekommen? Erleben wir zum Saisonbeginn die grosse Sensation?

Was den ersten Wintertest auf dem Circuit de Barcelona-Catalunya angeht (23.–25. Februar), so halten es kluge Formel-1-Fans mit Sokrates: «Ich weiss, dass ich nichts weiss.» Was wir in Katalonien sehen, das entspricht nicht dem wahren Kräfteverhältnis.

Aston Martin-Technikchef Andy Green hat das sehr schön auf den Punkt gebracht: «Wir fühlen diese merkwürdige Mischung aus Zuversicht und Besorgnis. Zuversicht, weil wir wissen, wie viel Hirnschmalz in unserem neuen Rennwagen steckt. Und Besorgnis, weil wir null Ahnung haben, wo wir gemessen an den Gegnern stehen. Und ganz ehrlich – natürlich stellst du dir als Techniker immer die bange Frage, ob du nicht vielleicht einen Aspekt übersehen hast.»

Nach und nach haben die zehn Teams ihre Rennwagen präsentiert. Dabei drängen sich zwei starke Eindrücke auf. Erstens – wir sollten unseren Augen nicht trauen. Und zweitens – die Angst gewisser Fans, dass die 2022er Autos wegen des engmaschigen Reglements alle gleich aussehen werden, sie ist unbegründet.

Zum ersten Punkt. Februar und März sind in der Formel 1 immer Hochsaison für die drei T, also tarnen, täuschen, tricksen.

Einige Teams haben vom neuen Wagen zunächst mal nur Computer-Grafiken gezeigt (Stichwort Haas), diese Bilder haben mit dem fertigen Wagen herzlich wenig zu tun und sind kleine Kunstwerke der Photoshop-Spezialisten. Andere Rennställe haben ihre 2022er Farben auf kaum veränderten Basismodellen von 2022er Autos hergezeigt. Auch hier gilt: Die Techniker wollen möglichst lange verheimlichen, welche Pfeile sie wirklich im Köcher haben, damit die Gegner auf eine pfiffige Idee erst spät reagieren können. Wer Bilder vom richtigen Rennwagen zeigt, verdunkelt heikle Passagen oder löscht sie digital.

Andy Green weiter: «Wir werden eine überaus forsche Entwicklung erleben.» Das Erscheinungsbild vieler der neuen Rennwagen wird sich vom Barcelona-Test zum zweiten Wintertest in Bahrain teils radikal ändern und dann nochmals zum WM-Auftakt auf dem Bahrain International Circuit, wenn die letzten Evo-Teile ans Auto kommen.

Punkto Entwicklung gilt gemäss AlphaTauri-Teamchef Franz Tost: «Qualität kommt vor Quanität. Aufgrund der Budgetobergrenze ist es schlicht nicht mehr möglich, bei jedem Rennen neue Teile ans Auto zu bringen. Du musst sehr klug entwickeln.»

Angesichts der neuen Rennwagen hat sich gezeigt: Das Reglement lässt genügend Raum für den Einfallsreichtum der Designer. Die Autos sehen nicht alle gleich aus. Das beste Beispiels sind die Formen der Fahrzeugnasen und der Seitenkästen.

Die Seitenkästen werden zur beliebten Spielwiese der Aerodynamiker, auch in Sachen Abfuhr heisser Luft. Aston Martin und Ferrari arbeiten mit ausgeklügelten Kühlschlitzen, AlphaTauri führt heisse Luft am Heck ab.

Aber auch hier werden wir erleben, dass sogar einzelne Teams verschiedene Lösungen zeigen. Andy Green: «Wir haben beim Seitenkasten darauf geachtet, dass wir uns nicht in eine Ecke manövrieren. Das Konzept ist so entworfen, dass wir eine andere Seitenkastenform einführen können, sollte sich die als besser erweisen.»

Heisse Frage unter den Fans: Gelingt einem Rennstall der grosse Wurf? Hat ein Team im ersten Teil der Saison einen entscheidenden Vorteil? So wie das BrawnGP 2009 gelang, als Jenson Button und Rubens Barrichello dank des genialen Tricks des Doppel-Diffusors einen Sieg nach dem anderen einfuhren.

Formel-1-Sportchef Ross Brawn glaubt nicht daran: «Wir haben nach bestem Wissen und Gewissen gearbeitet, um Schlupflöcher im Reglement aufzuspüren und zu stopfen. Vielleicht findet tatsächlich jemand gewissermassen den Stein der Weisen. Doch wenn ein Rennstall glaubt, etwas Aussergewöhnliches gefunden zu haben, dann werden wir das beim ersten Wintertest in Barcelona kaum zu sehen bekommen. Ein Team würde so lange als möglich damit warten, damit die Anderen keine Reaktionszeit haben. Aber ich erwarte dieses Szenario nicht, weil wir ein ziemlich robustes Reglement entworfen haben.»

Ex-Ferrari-Chefdesigner Nikolas Tombazis, heute Technischer Leiter des Autosport-Weltverbands FIA für Einsitzersport: «Wir haben jetzt schon einige neue Autos zu Gesicht bekommen, und gewisse Lösungen haben uns erstaunt. Sie zeigen, wie einfallsreich die Ingenieure bei den verschiedenen Teams sind. Wir erleben mehr Vielfalt als so mancher Fan vielleicht erwartet hätte. Aber bislang haben bei uns noch keine Alarmglocken geläutet.»

Der sechsfache GP-Sieger Ralf Schumacher weiss: «Beim ersten Wintertest wird es für die GP-Teams darum gehen, mit einem hoffentlich standfesten Auto üppig zum Fahren zu kommen – um so viel als möglich über die neue Rennwagengeneration zu lernen. Beim zweiten Test in Bahrain geht es dann um mehr Speed, mit vielen Entwicklungsteilen, die an die Autos kommen. Aber für mich ist die erste wahre Nagelprobe dieser Autos erst das Abschlusstraining zum Grossen Preis von Bahrain. Und ein etwas klareres Bild in Sachen Kräfteverhältnis werden wir sogar erst nach einigen Rennen haben.»

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