Zoff um Rennleitung: Parteiische Stewards in der F1?
Lewis Hamilton
Der Stachel der Niederlage sitzt immer noch tief. Das ist nicht zu überhören, denn Lewis Hamilton konnte sich in Barcelona einen Seitenhieb nicht verkneifen, als das Thema mal wieder auf den Tisch kam. Die Nachwehen des WM-Finales vom Dezember, sie sind weiter zu spüren. Und zu hören. «Wir sollten sicherstellen, dass wir auch unbefangene Stewards bekommen», sagte Hamilton.
Peng. Der saß. Befangene Stewards auch noch? Dabei hatte die Formel 1 doch zuletzt erst auf die Geschehnisse beim Finale reagiert, hatte den umstrittenen und in der Kritik stehenden Rennleiter Michael Masi abgesetzt und die Struktur überarbeitet.
Neben der geplanten Einführung einer Art Videoreferee werden sich im Rahmen eines neuen «Renn-Managements» der Deutsche Niels Wittich und Eduardo Freitas aus Portugal abwechseln und von Herbie Blash als permanentem Berater unterstützt.
Man muss dazu wissen: Auch Rennkommissare (Stewards) gehören zur Rennleitung. Sie bewerten Rennvorfälle und sprechen bei Verstößen Strafen aus. Einer der Stewards wiederum ist immer ein ehemaliger Fahrer, in der Vergangenheit waren das zum Beispiel der neunmalige Le-Mans-Sieger Tom Kristensen, der fünfmalige Le-Mans-Sieger Emanuele Pirro oder auch die früheren Formel-1-Weltmeister Emerson Fittipaldi oder Nigel Mansell.
Hamilton befürchtet genau dabei so etwas wie Klüngelei. «Ein paar Fahrer sind sehr, sehr gut mit gewissen Personen befreundet, mache reisen zusammen mit bestimmten Leuten, und diese neigen dazu sie etwas mehr zu mögen», deutete der 37-Jährige an. «Ich denke, wir sollten ein paar unparteiische Leute haben, die bei der Entscheidungsfindung super feinfühlig sind.»
Alpine-Pilot Fernando Alonso hatte sich in der vergangenen Saison beschwert, es gebe «verschiedene Regeln für verschiedene Leute», außerdem sei es interessant zu sehen, «welche Nationalität er hat und welche Strafe er bekommt». Der Spanier meinte damit konkret, dass bei britischen Fahrern beim Strafmaß gerne mal ein Auge zugedrückt werde.
In einem Punkt sind sich alle Fahrer einig: Die Formel 1 benötigt eine Konsistenz der Regeln und deren Auslegung, für sie und auch für die Fans gibt es nichts Schlimmeres, als ein unterschiedliches Strafmaß für gleiche oder sehr ähnliche Vergehen.
Die Piloten wissen aber, dass der Job nicht einfach ist. «Es ist nicht wie im Fußball, wo alles viel klarer ist», sagte Red Bulls Sergio Pérez. «In der Formel 1 ist jeder Vorfall anders, und es ist für die Stewards sehr schwer, Entscheidungen zu treffen. Aber wir brauchen ein Mindestmaß an Beständigkeit unter den Stewards, damit sie in den Rennen konsequent beurteilen.»
McLaren-Pilot Daniel Ricciardo bestätigt, dass es selbst unter den Fahrern «nicht immer so einfach» ist, «aber es braucht ein gewisses Maß an Konsistenz. Das ist alles, worum wir bitten können, und dann wissen wir ein bisschen besser, was richtig und was falsch ist».
In dem Zusammenhang trommelt Hamilton für mehr Diversität. «Ich möchte bei den Stewards mehr Frauen sehen», sagte er: «Ich glaube, wir hatten letztes Jahr nur ein oder zwei darunter. Es wäre toll, einen männlichen und einen weiblichen Renndirektor zu haben. Das wäre ein toller Weg, Diversität zu fördern.»
Doch was ist an Hamiltons Vorwurf dran, die Ex-Fahrer-Stewards seien parteiisch? Da will ihm selbst sein Mercedes-Teamchef nicht zustimmen. «Ich denke nicht, dass es eine bewusste Befangenheit gibt», sagte Toto Wolff. «Es sind intelligente Leute und das Wichtigste ist, egal ob wir über die Rennleitung, ihre Unterstützung oder die Stewards sprechen, dass es einen gewissen Standard gibt.» Soll heißen: Es sollte nicht allzu viel Raum geben, um Regeln auszulegen. Denn es gab, so Wolff, «zu viel Nachsicht, was mögliche Konsequenzen angeht. Die Regeln sind die Regeln.»