Nach Ferrari-Sieg in Bahrain: So geht es weiter
Die Hackordnung von Bahrain: Ferrari, Red Bull Racing, Mercedes
Nach dem ersten GP-Wochenende der Formel-1-Saison 2022 heisst es: einmal tief durchatmen! Fans, Fachleute und Fahrer hatten sich vor dem Grossen Preis von Bahrain die gleichen Fragen gestellt: Würden die neuen Rennwagen besseren Sport erlauben? Rückt das Feld zusammen? Wer hat derzeit die Nase vorne? Wer muss dringend nachlegen?
Gucken wir uns das Startfeld an: Vor einem Jahr eroberte Max Verstappen in Bahrain die Pole-Position mit 1:28,997 min. Langsamster war 2021 der Russe Nikita Mazepin im Haas, mit 1:33,273 min. Abstand vom Ersten zum Letzten also 4,276 Sekunden.
Und nun? Pole für Charles Leclerc im Ferrari mit 1:30,558 min, Startplatz 20 für Nicholas Latifi im Williams mit 1:33,634. Das beantwortet gleich zwei Fragen: Erstens, die 2022er Autos sind in Bahrain nur rund eine Sekunde langsamer pro Runde als die früheren; und zweitens, das Feld lag nun innerhalb von 3,076 Sekunden, daher ja, wir haben eine höhere Leistungsdichte.
Können die Autos einander besser folgen? Die schönste Antwort gaben Charles Leclerc und Max Verstappen. Wie oft haben wir es in den letzten zehn Jahren erlebt, dass der Verfolger (Max) attackiert, in Führung geht, aber gleich wieder überholt wird? Leclerc zeigte dieses Kunststück gleich zwei Mal. Zugegeben, der Monegasse hat dabei sehr clever seinen verstellbaren Heckflügel eingesetzt. Aber mit letztjährigen Autos wäre das so trotzdem nicht gegangen.
Wir haben im ganzen Feld tolle Zweikämpfe hüben und drüben erlebt, und die Fahrer berichten: Die Reifen bauen in den verringerten Luftwirbeln nicht mehr so dramatisch ab wie früher. Der Verfolger kann länger am Gegner kleben.
Formel-1-Sportchef Ross Brawn: «Wir sollten nicht vorgreifen, aber der erste Eindruck ist gut. Die Autos erlauben besseren Sport. Auf diesem Weg muss es weitergehen. In Bahrain habe ich jednefalls keinen Fahrer gesehen, die sich wegen überhitzender Reifen zurückfallen lassen mussten, um später einen neuen Angriff zu wagen. Das stellte auch Pirelli ein hervorragendes Zeugnis aus.»
Wer sind die Gewinner und die Verlierer des Saisonauftakts?
Der WM-Beginn hat bewiesen: Der Speed von Ferrari in den Wintertests war echt, und die roten Renner laufen standfest. Der Ferrari F1-75 war übers ganze Wochenende das beste Auto.
In den Dauerläufen am Freitag hatte Max Verstappen mit Red Bull Racing konstant bessere Rundenzeiten gezeigt als die Ferrari, aber im Rennen reichte es nicht. Dennoch bleibt der Eindruck: Ferrari und RBR liegen auf Augenhöhe.
Bahrain-Sieger Charles Leclerc bleibt vorsichtig: «Wir hatten dieses Phänomen des Hüpfens auf den Geraden recht gut im Griff. Aber ich weiss nicht, wie das auf einer Strecke wie Saudi-Arabien aussieht. Das Kräfteverhältnis wird sich im Feld laufend verschieben.»
Nicht ganz vorne, aber gemessen an den Winterests besser denn erwartet: Mercedes-Benz. Von den drei Top-Autos liegt der Silberpfeil am schlechtesten. Lewis Hamilton warnt: «Wir haben ein fundamentales Problem, und das lässt sich nicht über Nacht beheben.»
Formel-1-Weltmeister Damon Hill ahnt: «Wenn die ihre Probleme ausgebügelt haben, wird der Mercedes ein verflixt schnelles Auto sein, dann wird das da vorne zu einem herrlichen Dreikampf.»
Die Sensation von Bahrain: Haas.
Kevin Magnussen hat mit Rang 5 in einem Rennen drei Mal so viele Punkte erobert die der Rennstall 2020 und 2021 zusammen! Teamchef Günther Steiner ist erleichtert: «Es zeigt sich, dass wir richtig gehandelt haben – wir haben die Saison 2021 praktisch hergeschenkt, um uns ganz auf die Entwicklung des 2022er Autos zu konzentrieren. Es wäre vermessen zu glauben, dass wir immer so stark auftreten werden, aber wir sind konkurrenzfähig.»
Alfa Romeo ging 2021 einen ähnlichen Weg wie Haas: Entwicklung früh eingestellt, Konzentraiton auf 2022. Ergebnis: Rang 6 für Valtteri Bottas, das beste Ergebnis für Alfa Romeo seit Brasilien 2019 (Kimi Räikkönen Vierter).
AlphaTauri zeigte besonders im Training guten Speed, aber noch ist den Technikern nicht klar, wie sie den Wagen konstant ins beste Betriebsfenster bringen. Pierre Gasly schied aus, Yuki Tsunuda holte wie vor einem Jahr Punkte.
Die Sorgenkinder: McLaren, Aston Martin, Alpine, Williams.
McLaren schien das Hüpfen im Barcelona-Test noch am besten im Griff zu haben, «aber beim zweiten Wintertest in Bahrain haben wir uns verloren», wie Teamchef Andreas Seidl sagt. Die gravierenden Probleme mit den Bremsen führten dazu, dass es an Feineinstellung mangelte.
Aston Martin fuhr rundweg hinterher, und natürlich half es nicht, dass der vierfache Weltmeister Sebastian Vettel wegen Corona fehlte. Ersatzmann Nico Hülkenberg schlug in der Quali den Kanadier Lance Stroll und brachte den Wagen ins Ziel. Mehr war mit diesem Auto nicht drin.
Alpine errang – dank des Ausfalls beider Red Bull Racing-Autos – die Ränge 7 (Ocon) und 9 (Alonso). Das ist schmeichelhaft, aber die Leistung der Franzosen ist ernüchternd. Ein so grosser Schritt wie bei Haas ist bislang nicht zu erkennen. Williams blieb das ganze Wochenende blass.
Wie geht es weiter?
Wir stehen am Anfang der Ära dieser Rennwagen. Wer die Nase in den kommenden Rennen vorne haben wird, das hängt davon ab, wie gut sich ein Team auf die jeweilige Strecke anpasst und wie effizient der Rennstall entwickelt.