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Luck: Erinnerungen an die «Stimme von Hockenheim»

Von Rainer Braun
Jochen Luck und Rainer Braun 1970

Jochen Luck und Rainer Braun 1970

Streckensprecher-Legende Jochen «The Voice» Luck ist im Alter von 96 Jahren verstorben. Rainer Braun schreibt in einem Nachruf emotional über seinen Kollegen und jahrzehntelangen Wegbegleiter.

Leider ist dies die letzte Geschichte, die ich über meinen lieben Kollegen und jahrzehntelangen Wegbegleiter Jochen Luck schreiben kann. Noch zu seinem 95. Geburtstag hatte ich ihm versprochen, dass ich, falls noch lebend und klar im Kopf, auch noch die Laudatio zu seinem 100. verfassen würde.

Es hat leider nicht gereicht, fünf Monate vor Vollendung seines 97. Lebensjahrs hat er diese Welt am 8. Mai.2022 für immer verlassen. Die letzte Zeit vor seinem Tod war für ihn beschwerlich und voller Schmerz. Letztlich war das Ende eine Erlösung.

Bis wenige Tage vor seinem Tod hatten wir immer noch persönlichen Kontakt durch regelmäßige Telefonate. Das Unterhaltung fiel ihm zunehmend schwerer und immer öfter sprach er davon, dass er endlich zu seiner Hildegard will. Die beiden waren 55 Jahre verheiratet und in der Sprecherkabine ein bestens eingespieltes Team. Er am Mikro, sie führte die Rundentabelle. «Ohne sie wäre ich bei meinem Job am Mikrofon nur die Hälfte wert gewesen.» Seit ihrem Tod im November 2020 hatte sich Jochens Verfassung kontinuierlich verschlechtert. Nun ist er dort, wo er schon länger hinwollte. Ein weiterer, liebenswürdiger Kollege ist nicht mehr unter uns.

Seine donnernde, nie brüchige Stimme gehörte fast 40 Jahre lang zu den großen Motorrad- und Automobilrennen in Deutschland wie die Nationalhymne zur Siegerehrung. Zwischen 1949 und 1988 kommentierte der Mann aus Kassel als Streckenreporter 36 Motorrad-GP, 33 Moto Cross WM-Läufe, 20 Formel 1-GP und 19 ADAC 1000 km-Rennen. Alles in allem sind es über 500 Veranstaltungen, die er mit klarer und fester Sprache begleitet hat.

Die Atmosphäre und das Publikum auf der Avus in Berlin und im Motodrom von Hockenheim hatten es ihm angetan. Speziell in Hockenheim fühlte er sich besonders wohl. Hier erlebte er nach eigener Aussage nicht nur grandiose Rennen, sondern auch den Tiefpunkt seiner Sprecherlaufbahn. Der Tod von Jim Clark am 7. April 1968 beim Formel 2-EM-Lauf hatte ihm schwer zugesetzt. Als er Clarks Tod bekanntgeben musste, versagte ihm fast die Stimme. «Beim Verlesen des Bulletins der Rennleitung erhoben sich die 70.000 Menschen im Motodrom spontan und schweigend ohne Aufforderung von ihren Plätzen. Die ganze Situation und die unheimliche Stille haben mich sehr mitgenommen.»

Hockenheim war auch der Platz, an dem er die meisten seiner Motorrad- und Autorennen inklusive Formel 2 und Formel 1 kommentiert hat. Deshalb galt er immer als «Stimme von Hockenheim». Dort im badischen Motodrom lief er regelmäßig zur Hochform auf – keiner seiner Kollegen war da eine Konkurrenz für ihn. Was war ich so stolz, als ich Anfang der 70er-Jahre zum ersten Mal mit Jochen das 1000 km Rennen als Außenreporter in Breidscheid mitkommentieren durfte. Oder seinen Sprecherplatz wenigstens kurzzeitig für die Renault- und Formel Ford-Rahmenrennen im Vorprogramm der Formel 1 am Ring und in Hockenheim einnehmen konnte.

Nur ein einziges Mal war er leicht verstimmt, als Kalli Hufstadt und ich vom ADAC in München den alleinigen Zuschlag für Moderation und Reportage des 1000 km-Rennen bekamen. Da war er wirklich angefressen und schickte Freunde aus Kassel mit einem Aufnahmegerät zum Ring, um sich anschließend anzuhören, was wir da so zu erzählen hatten. Immerhin ließ er uns später kurz und knapp wissen: «Gut gemacht, ihr Zwei, keine Einwände». Selbst diese kleine Episode hat unser freundschaftliches Verhältnis nie ernsthaft in Gefahr bringen können. Auch nach seiner aktiven Zeit haben wir uns noch zu vielen Anlässen getroffen. So gehörte Jochen zu den treuesten Gästen unseres Legenden-Treffs «Hallo wie geht’s» von 2001-2012 jeweils am ersten Samstag der Motor Show in Essen.

Jochen Luck war ein Paradebeispiel dafür, wie man mit positiver und gesunder Lebenseinstellung auch jenseits der 70 noch lange jung, gesund und vital bleiben kann. «Die Liebe zum Sport», so glaubte er, «hat mich so lange fit gehalten». Bei schönem Wetter schwang er sich auf seine Enduro-BMW oder fuhr Mountain-Bike. Im Winter ging er zweimal die Woche Schlittschuh-Laufen. Noch mit fast 75 fuhr er zügig bei historischen Motorrad-Events mit. Und von der MotoGP-Vereinigung Dorna hatte er für sich und seine Frau ein VIP-Gastticket auf Lebenszeit bekommen. Davon haben Jochen und seine Hildegard viele Jahre auch regen Gebrauch gemacht. So ließen sie kaum eine europäische MotoGP-Veranstaltung aus. Die Motorrad-Rennen waren sowieso Jochens ganz große Leidenschaft, die er bis über seinen 90. Geburtstag hinaus pflegte.

«Das Alter ist kein Unglück, sondern ein Geschenk» hat er mir mal gesagt, als ich ihm zum 80. gratuliert habe, «also muss man dieses Geschenk auch dankbar annehmen und nutzen.»

Mach’s gut, lieber Freund, und grüß‘ die Alt-Kollegen, die sich im Laufe der Jahre schon da oben versammelt haben. Irgendwann werde auch ich nachkommen – aber ich hoffe sehr, dass es noch ein bisschen dauert.


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