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FIA-Chef Ben Sulayem: «Corona hat alles verändert»

Von Agnes Carlier
Charles Leclerc und Mohammed Ben Sulayem

Charles Leclerc und Mohammed Ben Sulayem

In Teil 1 unseres Exklusiv-Gesprächs äusserte sich Mohammed Ben Sulayem über seine Ziele als FIA-Präsident. Nun spricht er über die steigende Popularität der Formel 1 und was die Corona-Pandemie bewirkt hat.

Viel zuhören, gründlich nachdenken, mit gesundem Menschenverstand handeln, sich dabei nicht vor Fehlern scheuen – das sind die Eckpfeiler beim Vorgehen des neuen FIA-Präsidenten Mohammed Ben Sulayem, wie er im ersten Teil unseres Exklusiv-Interviews verraten hat. Nun spricht der vor 60 Jahren in Dubai geborene 14-fache Rallye-Champion des Mittleren Ostens über die Formel 1 und wie er den Autosport-Weltverband FIA in fünf Jahren sieht.

Die Formel 1 erfreut sich steigender Beliebtheit. Wie erklärt sich Ben Sulayem das? «Ich glaube, es hat viel mit der Corona-Pandemie zu tun. Das hat die Einstellung der Menschen verändert. Die Menschen wollen sich wieder vergnügen und das Leben so geniessen wie vor der Pandemie. Ich glaube auch, dass Corona bewirkt hat, dass weniger als selbstverständlich angesehen wird.»

«Und dann ist da Amerika. Die Formel 1 erlebt dort einen Boom. Wir hatten schon früher amerikanische Fahrer und auch WM-Läufe in den USA. Aber was jetzt passiert, das ist anders. Diesen Schwung müssen wir aufrechterhalten. Die Amerikaner ticken anders. Zusammen mit Formel-1-CEO Stefano Domenicali will ich sicherstellen, dass wir eine gesunde Balance finden aus Sport, Unterhaltung und Geschäft.»

Viele Renn-Fans sind der Ansicht, der Motorsport sei zu politisch geworden. Findet das auch Mohammed Ben Sulayem? «Leider ist das nicht zu vermeiden. Klar versuchst du, Sport und Politik zu trennen. Einer der Grundwerte der FIA ist die Neutralität. Im Zentrum muss immer der Sport stehen. Aber manchmal ist es unvermeidlich, politisch zu handeln. Ich sage immer – politisch zu sein, ist okay, aber man darf nicht zum puren Politiker werden. Wir müssen die Ausgeglichenheit bewahren. Die FIA darf nicht zu sehr in Politik verstrickt werden und die Wurzeln des Motorsports dabei vernachlässigen.»

Für Ben Sulayem ist es Zeichen der Zeit, wie sich die Rolle der Rennfahrer verändert. «Niki Lauda und Alain Prost hatten nur ihren Sport im Kopf. Das ist heute anders. Sebastian Vettel macht sich für Umweltschutz stark und für Toleranz in Sachen sexueller Ausrichtung. Lewis engagiert sich gegen Rassismus. Lando Norris spricht das heikle Thema geistige Gesundheit an. Das alles zeugt davon, wie vielfältig unsere Welt geworden ist, mit zahlreichen Themen, die angepackt werden müssen.»

«Aber es geht auch darum, sein Weltbild nicht anderen aufzudrängen und über den Sport zu stellen. Ich komme aus der arabischen Kultur. Ich bin Muslim, aber ich bin auch Weltbürger. Würde ich je meine Kultur anderen Menschen aufdrängen? Niemals! In meinem Verband in den Vereinigten Arabischen Emiraten finden sich Menschen aus 16 verschiedenen Ländern, aus sieben religiösen Gemeinden, ein Drittel davon sind Frauen. Wir haben mehr Christen als Muslime. Ich bin stolz auf diese Vielfalt, denn sie erzeugt Glaubwürdigkeit und Wertschätzung.»

Gibt es eigentlich Piloten, die Ben Sulayem insgeheim bewundert? Der FIA-Chef gibt zu: «Ja, Juan Manuel Fangio. Das ist eines, was ich in meinem Leben bedauere. Wir haben vor Jahren Rallye-Tests in Argentinien gefahren, und Carlos Sainz senior kam zu mir und meinte: ‘Da ist Fangio. Lass uns hinüber gehen und hallo sagen.’ Ich weiss nicht, warum ich damals keine Zeit zu haben glaubte, jedenfalls bin ich nicht mitgegangen. Das tut mir noch heute leid.»

Wo sieht Ben Sulayem die FIA in fünf Jahren? Der Verbands-Chef meint: «Das Ziel besteht darin, den Sport gesünder zu machen und dynamischer. Die Herausforderungen für die FIA sind anders als vor Jahren und sehr unterschiedlich. Wir müssen die Weichen klug stellen. Es gibt noch viel zu tun, etwa in Sachen Finanzen.»

«Wir haben McKenzie & Company mit einer Studie beauftragt, die Amerikaner sind auf Unternehmens- und Strategieberatur spezialisiert. Dabei hat sich herausgestellt, dass wir finanziell zu schwach aufgestellt sind. Ich erkenne bei niemandem Zweckentfremdung der Mittel, eher Nachlässigkeit. Wir haben 23 Millionen Euro zur Verfügung, und mit der richtigen Mannschaft und der richtigen Herangehensweise muss das reichen, um einen guten Job zu machen und kostendeckend zu arbeiten.»


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