Sebastian Vettel: «Darauf muss ich gefasst sein»
Umwelt-Themen sind für Sebastian Vettel wichtiger und wichtiger geworden
Eine grosse Formel-1-Karriere wird am 20. November 2022 in Abu Dhabi zu Ende gehen: Sebastian Vettel verlässt die Grand-Prix-Bühne. Der Heppenheimer gibt zu: «Ich dachte schon seit längerem an Rücktritt, und in meinem Leben wurden gewisse Themen wichtiger und wichtiger, die letztlich den Ausschlag gegeben haben.»
Im Fahrerlager des Hungarorings hat der vierfache Formel-1-Champion und 53-fache GP-Sieger vertieft: «Klar hat bei all dem auch eine Rolle gespielt, dass die Welt wegen Corona beinahe zum Stillstand kam. Das gab vielen Menschen die Gelegenheit, sich über ihre Situation bewusster zu werden, wo wir stehen, was wir mit unserem Leben machen wollen. Aber es ja nicht so, dass ich damals etwas verpasst habe. Es ist nicht so, dass die anderen gefahren sind, ich aber zuhause sass. Das wird dann 2023 kommen. Aber es stimmt – ich habe meine Zeit damals zuhause sehr genossen.»
«Langsam sind wir zum normalen Leben zurückgekehrt, was in vielen Belangen gut ist, in anderen weniger. Aber um ehrlich zu sein, habe ich mir schon vor Corona Gedanken gemacht, wie meine Zukunft aussehen könnte. Ich traf letztlich die Entscheidung, in der Formel 1 weiterzumachen, bei einem anderen Team, aber viele Fragen sind nicht weggegangen. Es kommt der Punkt, da weiss man einfach, was das Richtige ist.»
«Ich hätte mir wie gesagt gewünscht, dass wir 2021 und 2022 konkurrenzfähiger wären. Denn ich habe nicht vergessen, wir man Erfolg hat, und ich weiss, dass ich noch immer mithalten kann. Daher freue ich mich auf auf meine letzten Formel-1-Rennen.»
Kann sich Vettel vorstellen, in einer anderen Kategorie zu fahren? «Abu Dhabi wird mein letzter Grand Prix. Aber vom Alter her kann ich natürlich woanders fahren. Ich bin körperlich tipptopp im Schuss. Aber ich kann diese Frage heute nicht beantworten. Heute sage ich – dieses Kapitel geht zu Ende. Ich sage ja nicht, ich höre mit der Formel 1 auf, aber ich fahre woanders. Aber ich kann heute noch nicht sagen, wie ich darauf reagieren werde.»
Als was für ein Fahrer will Vettel in die Historie eingehen? Sebastian schmunzelt: «Was übrig bleibt, sind sehr viele Pokale! Aber wichtiger sind mir die Menschen, die ich getroffen habe, die Freundschaften, die ich schliessen durfte. Das verliere ich ja alles nicht, auch wenn wir uns nicht mehr alle zwei Wochen sehen.»
«Aber es liegt in der Natur des Sports, dass andere Athleten nachrücken. Wir haben unsere Zeit hier, hoffentlich machen wir das Beste daraus, dann machen wir Platz für andere.»
Glaubt Seb, dass er auch noch gehört wird, wenn er nicht mehr Formel-1-Fahrer ist, sondern Privatmann? «Es wäre falsch gewesen, weiterzumachen, mit diesem Gedanken im Kopf. Das kann nicht der Antrieb sein.»
«Vielleicht ist meine Stimme 2023 nicht mehr so laut, oder meine Reichweite nicht mehr so gross. Aber die Menschheit steht vor der grössten Herausforderung ihrer Geschichte, und wenn wir dieses Rennen nicht gewinnen, dann dreht sich die Erde ohne uns weiter. Dafür will ich Gehör finden.»
«Die Charakteristik, die mich zu einem guten Formel-1-Fahrer gemacht haben, führten mich auch dazu, mir klarer zu werden, was mit der Welt passiert. Ich stellte viele Fragen, ich wollte den Dingen auf den Grund gehen. Und wenn du das machst, dann kommen beunruhigende Gedanken. Es ist leicht, einen Riesenschreck zu bekommen und in Panik zu verfallen. Aber wir haben auch sehr viele Menschen, die alles dafür geben, dass die Welt besser wird. Und das gibt mir viel Hoffnung.»
Gibt es für Vettel einen Moment seiner Karriere, der heraussticht? «So ticke ich nicht. Klar kann ich solche Momente nennen – der erste Sieg in Monza, den ersten Titelgewinn in Abu Dhabi. Aber ich bin eher ein Mensch, der vorwärtsschaut. Für mich liegt das beste Rennen immer vor mir. Und ich meine jetzt nicht die letzten Grands Prix meiner Laufbahn. Ich meine die Herausforderungen meines Lebens.»
Was wird Vettel am meisten fehlen? «Der Adrenalinschub, ein Formel-1-Auto zu fahren. Dafür gibt es keinen Ersatz. Darauf muss ich gefasst sein.»