Sebastian Vettel kritisiert F1-Chef: Schlechte Wahl
Hand aufs Herz – wissen Sie noch, wann letztmals eine Frau an einem Formel-1-Training teilgenommen hat? Es war Susie Wolff 2015 mit Williams. Oder wann davor eine Frau versucht hat, sich für einen Grand Prix zu qualifizieren? Es war Giovanna Amati 1992 mit Brabham. Die vorderhand letzte Frau am Start: Lella Lombardi auf dem Österreichring 1976.
Wenn es nach dem Formel-1-Geschäftsleiter Stefano Domenicali geht, wird sich daran auch nicht so bald etwas ändern. Der Italiener ist davon überzeugt, dass wir in den kommenden fünf Jahren keine Frau in der Königsklasse erleben werden.
Der vierfache Formel-1-Champion Sebastian Vettel hat seinen Augen nicht getraut, was er da las. Der 53-fache GP-Sieger sagt: «Das war eine schlechte Wahl der Worte. Denn mit genau solchen Aussagen werden Mädchen konfrontiert, wenn sie aufwachsen und grosse Träume haben.»
«Ich stelle mir eine Szene am Frühstückstisch vor, wenn ein Mädchen sagt: ‘Ich will Rennfahrer werden.’ Und dann hat ihr Vater vielleicht gerade solche Aussagen wie von Domenicali gelesen und fängt schon an gegenzulenken. ‘Aber dich interessieren doch so viele andere Sachen. Wieso machst du nicht etwas Anderes?’ Und die Idee vom Motorsport erlischt.»
Der Heppenheimer fährt fort: «Ich erkenne überhaupt keinen Grund, der gegen eine Frau in der Formel 1 spricht. Es ist wichtig, dass wir solche Funken in den Menschen nicht im Keim ersticken. Also verhalte ich mich genau umgekehrt. Ich ermuntere meine Mädchen, das Wort zu ergreifen und unterm Strich Domenicali und eine solche Einstellung Lügen zu strafen.»
«Es kann nicht sein, dass wir in der modernen Welt noch sagen – das kannst du nicht, nur weil du ein Mädchen oder eine Frau bist. Solche Stereotypen gehören nicht mehr in unsere Welt und müssen verschwinden.»
Die «W Series» wurde 2019 gegründet, eine Monoposto-Serie nur für weiblicher Racer. Die Engländerin Jamie Chadwick war 2019 die herausragende Fahrerin, 2020 konnte die Serie wegen der Corona-Pandemie nicht stattfinden, 2021 wiederholte Chadwick ihren Titelgewinn, und in der laufenden Saison führt die 24-Jährige nach fünf Siegen in sechs Rennen erneut überlegen.
Die talentierte Britin müsste längst in der Formel 3 fahren, um sich weiter zu beweisen. Es mangelt an gezielter Förderung für die beste W-Series-Pilotin, auch wenn sie vom GP-Rennstall Williams als Entwicklungsfahrerin unter Vertrag genommen worden ist.
Formel-1-Superstar Lewis Hamilton hat am Hungaroring das Fahrerlager der W Series besucht. Der 103-fache GP-Sieger sagt: «Ich verfolge die Serie seit Beginn. Ich finde es fabelhaft, dass wir diese Rennklasse haben, aber im Motorsport muss viel mehr getan werden, um den jungen Frauen nicht nur den Einstieg zu ermöglichen, sondern um ihnen vor allem danach eine Perspektive zu bieten, wie es weitergehen soll.»
«Die W Series gibt es nun drei Jahre lang. Wir müssen daran arbeiten, wie die Karriere fortgesetzt werden kann. Wir müssen mehr tun.»
Frauen am Formel-1-Lenkrad
1958/1959: Maria Teresa de Filippis (I) – 3 GP (10. in Belgien 1958)
1974–1976: Lella Lombardi (I) – 12 GP (Rang 6 in Spanien)
1976/1978: Divina Galica (GB) – 0 GP (drei Mal nicht qualifiziert)
1980: Desiré Wilson (ZA) – 0 GP (einmal nicht qualifiziert)
1992: Giovanna Amati (I) – 0 GP (drei Mal nicht qualifiziert)
2002: Sarah Fisher (USA) – 0 GP (nur Demo-Fahrt in Indianapolis)
2005: Katherine Legge (GB) – 0 GP (Test mit Minardi)
2011/2012: María de Villota (E) – 0 GP (Tests und Demo-Fahrten mit Renault und Marussia)
2012–2015: Susie Wolff (GB) – 0 GP (Tests und Trainings mit Williams)
2014: Simona De Silvestro (CH) – 0 GP (Tests mit Sauber)
2015: Carmen Jordá (E) – 0 GP (Entwicklungspilotin von Lotus, keine Tests)
2017/2018: Tatiana Calderon (COL) – 0 GP (Entwicklungspilotin von Alfa Romeo/Sauber, (Filmtag)-Test und Reifentest 2018 mit Sauber)